Gertrud. Luise Reinhardt. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Luise Reinhardt
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754183656
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herzerschütternden Schrei, womit sie, ihm unverständlich, ihre Unterredung geschlossen hatte, das Grabgeläute seiner systematisch aufgestellten Hoffnungen ertönen zu hören. Unverzüglich begab er sich zu seiner Tante, der Verbündeten, die ihm einen Sieg, einen leichten Sieg sogar versprochen hatte, und er beeilte sich ihr mit dem einzigen Worte »Verloren« seine Niederlage zu verkünden.

      Ein ungläubiges Lächeln auf den Lippen, ließ sich Frau von Wallbott ›die ganze Geschichte‹, wie sie nachlässig meinte, erzählen. Als Alexander mit der unerwarteten Aufregung, die nach seiner Meinung eine geheimnisvoll selige Überschwänglichkeit der Gefühle erraten hatte, schloss, sprach die kluge Dame ganz gemütlich:

      »Ich sehe noch gar nichts verloren, wenn der erste Angriff zurückgeschlagen wird. Ein erster Erfolg ist nie ein Beweis von strategischer Klugheit, mein lieber Alexander, aber wenn es dem Angreifer gelingt, einen gut verschanzten Feind zum gänzlichen Rückzug zu bringen, dann gebührt ihm der Lorbeerkranz.«

      »Nun – ich bin auch nicht willens, es bei meinen ersten Bemühungen bewenden zu lassen, ma chère tante,« entgegnete der junge Mann etwas hochmütig. »Nur für den Augenblick ist nichts zu hoffen!«

      »Das gebe ich nicht unbedingt zu!« rief die Dame pikiert. »Hättest Du Deine Angriffswaffen besser gestellt, so würde Margareth, trotz ihres stürmischen Schmerzes, den Du gesehen zu haben meinst, Deine Neigung belohnt und Dir Versprechungen geleistet haben. Wie schwach sie gegen feurige Worte ist, hat sie bei Graf Levins Werbung bewiesen.«

      »Ich habe meiner Liebe hinlänglich Worte gegeben,« fiel Baron Alexander respektvoll ein, »aber ich musste für jetzt kapitulieren, da Margareth die Begriffe ›Liebe und Freundschaft‹ gründlich zu untersuchen sich vorgenommen hat! Meine Stellung hier, meine gnädige Tante, wird mir durch den Ausgang meiner Konferenz mit Margareth drückend. Als Bewerber kann ich, nach ihrem Bescheide, nicht füglich auftreten und als Verwandter würde ich überall missliebig sein. Deshalb ist es ratsam, aufzubrechen. Ich habe eine Einladung von meinem Vetter Maltzahn, dem preußischen Gesandten in Dresden erhalten, und ich bin willens derselben Folge zu leisten.«

      »Der Einfall ist gut!« entschied Frau von Wallbott. »Lassen wir Margareth Zeit, sich von den Erinnerungen der letzten, fatalen Ereignisse zu erholen. Die Leiden solcher Stunden gleichen sich nach alter Erfahrung durch Entbehrung am besten aus. Kehrt erst die schöne elegische Stimmung in Margareth zurück, so tritt Dein Bild in volle Kraft, und wir werden bereit sein, durch Eindrücke neuer Art der menschlichen Schwäche abzuhelfen, die sie für diesmal überwältigt hat.«

      Sie erhob sich mit standesmäßiger Grazie, zog die Enveloppe fester um ihre Schultern und machte sich bereit zur Mittagstafel hinabzugehen.

      »Es weiß niemand, dass Du Margareth gesprochen hast?« fragte sie während dieser kleinen Vorbereitungen.

      »Niemand als Rittberg und der Diener, der mich meldete,« entgegnete Alexander, hofmäßig artig ihr den Fächer aus dem Etui darbietend.

      »Ich habe einen Plan, allein dieser würde erst von einer gewissen Notwendigkeit gereift werden müssen.«

      »Es ist also, sozusagen, der gnädigen Tante letzte Retirade,« fiel Alexander ein.

      »Nicht gerade das! Es liegt nur in meinem reservierten Verhältnisse zu meiner Prinzessin, dass ich nicht unbedingt mit meiner Zeit schalten darf, und mein Plan hängt mit einer Reise nach Paris zusammen.«

      »Ah – ich verstehe! Sehr interessant!« rief Baron Alexander lebhaft. »Einem on dit zufolge ist Voltaire brouilliert mit dem Könige von Preußen, seinem Spezialfreunde, und will nach Frankreich zurückkehren?«

      »Seine Absicht geht dahin, jedoch ist anzunehmen, dass der König alles aufbieten wird, den geistvollen Freund wieder zu versöhnen. Voltaire kann den ersten Schritt nicht gut tun, aber er muss beredet werden, ohne Spott und Satire einer Annäherung des Monarchen entgegen zu kommen.«

      »Es gibt Lagen des Lebens, wo die Satire schweigen muss!« warf Alexander ernsthaft ein, indem er die Tür weit öffnete, um dem Reifrocke einer Tante Raum zu schaffen.

      »Der Meinung bin ich auch! Voltaire will nach Paris und hat als Vorwand eine Einladung d’Alemberts benutzt, der schon seit Jahren seine Neugier durch die enthusiastischen Beschreibungen einer jungen schönen Freundin, Julie l’Espinasse, geweckt hat. Diese junge Dame ist jetzt die Gesellschafterin der Marquise Du Deffant, einer durch liebenswürdige und glänzende Eigenschaften ausgezeichneten Frau, die das Unglück gehabt hat, blind zu werden. Voltaire rechnet die Marquise zu den seltenen Erscheinungen in der Frauenwelt, die in der Jugend durch Schönheit bezaubert haben und im Alter durch ihren Geist entzücken. Der Zirkel, welcher die Marquise und Fräulein l’Espinasse umgibt, ist von den bedeutendsten Männern Frankreichs gebildet, und zwischen ihnen glänzen die beiden Damen wie strahlende Meteore. Dorthin möchte ich mit Margareth, um sie für die subtilen Genüsse eines schöngeistigen Lebens zu begeistern – dorthin würde ich sie führen, um ihr die bodenlosen Irrtümer ihrer Sinne, die einen Mann von zweifelhafter Bildung als Gatten zu betrachten geneigt waren, vor Augen zu bringen.«

      »Die Kur ist gewagt, gnädige Tante,« erwiderte der Baron mit affektierter Bescheidenheit. »Der Liebenswürdigkeit eines Herzogs von Choiseul wage ich nicht zur Seite zu stehen!«

      Frau von Wallbott sah ihn lächelnd von der Seite an.

      »Wenn er mehr Mut und Begeisterung bei seiner Liebe zeigte, als Du, so möchte er zu fürchten sein, sonst nicht!«

      Alexander küsste ihr geschmeichelt die Hand.

      »Wir kennen die Liebenswürdigkeit des Grafen Brettow nicht, und dies erschwert meine Stellung,« entgegnete er leiser, weil sie langsam fortschreitend, jetzt dem Korridor sich näherten.

      »Graf Brettow gehört zu den wüsten Jägern und rohen Landjunkern, die nach dem Dresdner Friedensbeschlusse die Armee verlassen haben, um auf ihren Landsitzen ein lustiges Leben voll wilder Gelage zu führen. Fürchtest Du den Vergleich mit solchem Manne?«

      »Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet, muss es uns ja sehr gelegen sein, dass der Graf, blind vor Zorn, sein Glück selbst zertrümmert hat,« meinte der Baron zufriedengestellt.

      »Von der aufgehobenen Verlobung ist indes schon mehr laut geworden, als ich dachte,« flüsterte die Dame noch leiser. »Retten wir uns hinter den Schein der größten Unbefangenheit!«

      Der Baron verneigte sich beistimmend.

      »Die Gesellschaft, die wir finden, lässt sich leicht düpieren. Da ist ein junges, keckes Fräulein Spärkan aus Sachsen – die vertraue ich Dir an. Führe sie zur Tafel und fülle ihren kleinen, kindischen Kopf mit Erzählungen von Deinen Reisen. Den Oberst von Pröhl mit seinen Kernflüchen will ich schon besänftigen. Frau von Pröhl besitzt ein schätzenswertes Beobachtungstalent, ist aber zu sehr Stockpreußin, um nicht von einigen Flatterien, die man dem Könige Friedrich zollt, betäubt zu werden. Margareth mag unserm guten larmoyanten Gellert zuteilwerden. Nach der Mittagstafel beschleunigst Du Deine Abreise – das Übrige ordne ich in den nächsten Tagen, bevor die übrigen Gäste eintreffen. Margareth wird gern und muss sogar nach diesem Eklat die Gegend verlassen, und es ist natürlich, dass sie es unter meiner Obhut tut, und ich werde sie nach Paris entführen!«

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