Auf getrennten Wegen. Christian Linberg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christian Linberg
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754131602
Скачать книгу
nickte unter Schmerzen. Der Schnitt in ihrer Schulter brannte höllisch. Ihre Flammenstöße kamen langsamer und wurden schwächer, da Kälte und Nässe ihr mehr und mehr zu schaffen machten. Sie versuchte abzuschätzen, wie lange sie noch durchzuhalten vermochte.

      Beinahe hätten ihre Gedanken ihren Tod bedeutet, denn wie aus dem Nichts fegte eine Pranke heran und erwischte sie voll an der Brust. Sie wurde drei Schritte weit durch die Luft gewirbelt.

      Noch im Flug überlegte sie, ob dies wohl ihr Ende war, doch als sie landete knirschten lediglich ihre Rippen. Der Boden war so mit Wasser vollgesogen, dass er den Aufprall abfederte. Während sie keuchend nach Atem rang, schoss ein Tentakel aus der Dunkelheit, der sich um ihre Wade wickelte. Der Knochenhaken bohrte sich knapp über ihrem Knie in den Oberschenkel. Vor Schmerzen schreiend zerrte sie daran, ohne Erfolg.

      Dann war Droin zur Stelle. Mit einem Fuß stampfte er auf den zuckenden Anhang. Ein Schlag mit der Hacke trennte ihn sauber ab wie ein Bauer die Wurzel eines Baumes beim Roden auf einem neuen Feld.

      Mit dem zweiten Schlag schnitt er den Rest kurz vor dem Haken ab. Er drängte Phyrias Hände zur Seite und verhinderte so, dass sie ihn entfernte.

      „Nicht. Er verschließt die Wunde. Auf der Brücke.“

      Während er das sagte, blockte er die wütenden Attacken der Kreatur ab. Gleichzeitig hielt er ihr den Stiel der Waffe als Aufstehhilfe hin. Zitternd kam sie auf die Beine. Jeder Schritt ließ sie taumeln, die Schmerzen legten sich wie ein Schleier vor die Augen, trieben ihr den Schweiß auf die Stirn. Droin hatte Recht, doch das bot ihr nur wenig Trost.

      Ohne den Kompass hätten sie es trotzdem nicht geschafft. Auf das Artefakt gestützt, humpelte sie weiter die Straße entlang.

      Droin schob den Kompass mit der Waffenhand, den Blick hielt er ständig in Bewegung, auf die Dunkelheit gerichtet. Den Schild hielt er abwehrbereit erhoben.

      „Schaffst Du es bis zur Brücke?“

      Phyria brauchte einen Moment, bevor sie genug Kraft gesammelt hatte, um die Frage zu beantworten: „Wie weit ist es noch?“, presste sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

      „Hundert Schritte, vielleicht ein paar mehr.“

      „Wenn Du mir das Viech vom Leib hältst, dann ja“, keuchte sie zurück.

      Er nickte. Sie war zäher, als er erwartet hatte. Es bestand noch eine Chance, zumindest das andere Ufer zu erreichen.

      „Was, beim haarigen Arsch von Ugnot’s Mutter soll das denn sein.“

      Droin stieß einen wütenden Schrei aus, der einen guten Teil Unglaube beinhaltet.

      Die Brücke war verschwunden. Obwohl verschwunden das falsche Wort war. Sie war durchaus noch da. Allerdings lag sie in mehrere Teile zerbrochen im Fluss.

      Schlammiges Wasser strömte schäumend zwischen den Bruchstücken hindurch oder überspülte sie stellenweise gänzlich. Trotzdem war das Pflaster noch deutlich zu erkennen. An beiden Seiten führte nun eine steile Rampe über schleimige, lockere Pflastersteine zur Wasseroberfläche.

      „Und jetzt?“

      „Rauf auf den Kompass! Wir müssen da durch!“

      „Was ist mit Dir?“

      Droin ignorierte die Frage, er kniete sich hin, so dass sie über seinen Schild auf das Artefakt klettern konnte.

      Mit einem kräftigen Schubs wuchtete er sie hinauf. Ein Reflex ließ ihn herum wirbeln, gerade noch rechtzeitig, um die Tentakel abzublocken, die dumpf gegen den Schild donnerten. Die Kreatur hielt nicht an, sondern war bereits wieder in der Dunkelheit verschwunden.

      Ein Strom von Flüchen begleitete sie dabei.

      Droin stemmte sich ächzend in die Höhe, doch mittendrin hielt er inne. Er ließ den Schild fallen und schob ihn stattdessen an die Kante nach unten.

      „Was…?“, wollte Phyria fragen, doch da hatte sich der Naurim bereits mit dem Hintern darauf niedergelassen. Wie auf einem Schlitten rodelte er die Rampe hinunter. Der Kompass glitt ohne Widerstand hinterher, als Droin eines der Seile ergriff, mit denen die Plane fest verzurrt war.

      „Du bist verrückt!“, rief Phyria ihm hinterher.

      „Brrr!“, erwiderte er, als er bis zum Bauchnabel im Wasser verschwand.

      Die kalte Brühe brannte in den Wunden, die die Schlangenfrösche ihm zugefügt hatten. Er musste sich gegen die Strömung stemmen, um seinen Schild aus den Fluten zu reißen, die drohten, ihn weg zu spülen. Zum Glück lag vor ihnen ein Stück der einstigen Brücke, das noch aus den Fluten herausragte. Hier blieben sogar die Stiefel beinahe trocken.

      Triefnass vom Regen und der Landung im Fluss spielte das eigentlich keine Rolle mehr, doch es erleichterte es ihm, den Kompass samt Phyria weiter zu ziehen. Kaum hatte er ein paar Schritte getan, deutete Phyria aufgeregt zum Ufer: „Ist das ein hässliches Biest.“

      Die Hinterbeine angewinkelt, die langen Klauenbewehrten Arme in die Uferböschung gegraben, stierte ihnen die Kreatur hinterher. Von den vier Tentakeln, die in der Luft hin und her peitschten, fehlte von einem ein gutes Stück. Aus dem Stumpf tropfte bei jeder Bewegung zischend Blut.

      Als Droin sich umwandte, bleckte es seine Zähne und gab keckernde Laute von sich, bei denen sich ihnen die Nackenhaare aufstellten. Geifer tropfte aus dem Maul.

      Der Körper des Wesens begann an verschiedenen Stellen in einem fahlen, grünlichen Licht zu leuchten.

      „Das gefällt mir nicht“, keuchte Phyria während Droin nur drohend die Waffe hob: „Komm nur her Du Mistvieh!“

      Obwohl es so wirkte, als würde es tatsächlich jeden Moment springen wollen, duckte es sich nur tiefer. Das Leuchten wurde heller und die Kreatur bleckte erneut die Zähne, um wieder diese scheußlichen Laute von sich zu geben. Dabei öffnete sich ihr Maul wie das eines Fisches auf die vielfache Größe.

      „Ich glaube wirklich, wir sollten gehen!“

      Etwas in Phyrias Stimme veranlasste Droin, sich zu ihr umzudrehen.

      Sie deutete nicht etwa auf ihren Verfolger, sondern auf das Wasser des Flusses. Wo eben noch nackter Stein aus den Fluten geragt hatte, spülte gerade eine erste Welle darüber hinweg.

      „Das darf doch nicht wahr sein!“

      Er riss sich von dem Anblick los, obwohl er beinahe erwartete, die Bestie springen zu hören. Er stapfte zum Kompass, um sich erneut mit seinem ganzen Gewicht dagegen zu stemmen. So schnell er konnte, schob er das Artefakt voran, ohne den Wasserspiegel aus den Augen zu lassen.

      Phyria beobachtet unterdessen das wütende Biest, das sich aufgeregt hin und her wiegte.

      Erst schwappte der schlammige Strom nur hin und wieder über das alte Pflaster der Straße. Schnell wurden die Wellen zahlreicher und höher. Noch während Droin sich über eine Lücke zwischen den Steinen kämpfte, verschwanden sie endgültig unter dem schneller und schneller anschwellenden Strom.

      Natürlich traten Flüsse bei einem Regen irgendwann über die Ufer, aber das musste ja nicht ausgerechnet in dem Augenblick geschehen, in dem sie versuchten, einen davon zu überqueren.

      Droin fluchte laut und ausdauernd.

      Obwohl Phyria die Sprache der Naurim nicht verstand, war ihr ziemlich klar, was er da sagte.

      Das Wasser war schon knöcheltief und stieg weiter. Die Strömung machte es zunehmend schwieriger, auf dem Pflaster nicht den Halt zu verlieren.

      Zweimal musste sie zugreifen, um zu verhindern, dass Droin stürzte.

      Jedes Mal schrie sie dabei auf, weil sich der Knochenhaken in ihrem Bein bewegte oder ihr linker Arm ihr das Gefühl vermittelte, abzureißen. Anschließend fluchte sie mit Tränen in den Augen fast so kreativ wie Droin, der trotz der ernsten Situation ein Grinsen unterdrücken musste.

      Sie war wirklich aus härterem Holz gemacht, als er zunächst befürchtet