Das Mädchen kam zurück. Sie duftete nach Moschus und hatte den Lederbody gegen weinrote Spitzenunterwäsche getauscht, dessen Ränder Pailletten säumten. Sogleich begann sie, in ihren High Heels um ihn herumzutänzeln und dabei mit lasziv gesenkten Lidern langsam den linken, dann den rechten Träger des BHs abzustreifen. Wahrlich die perfekte Show. Alles saß, nichts war dem Zufall überlassen und folgte einer kalten Berechnung. Es war die Art, wie sie die Hüften wog, die Brust herausdrückte und sich zutiefst obszön verbog. Ihre bewusst zur Schau getragene Selbstverliebtheit, samt dem erstaunt berückten Ausdruck eines sich ihrer Fertilität bewussten Mädchens, verriet ihre Lust, sich in eigenartig wollüstiger Trance darzubieten. ‚Nun komm schon, spring an, ich will, dass es schnell geht‘, war darin zu lesen. Doch er dachte nicht daran.
Vielmehr starrte er sie mit jener Skepsis an, die er für jede käufliche Liebe empfand. Doch irgendetwas stimmte nicht. Es lag an ihren herzförmig türkisfarbenen Ohrsteckern, die irgendwie nicht zu ihr passten. Gleich einem Rudiment aus einer anderen Welt störte es die nahezu perfekte Show. Das befremdete ihn. Im Gegensatz zu vorhin schimmerte ihr Gesicht jetzt rosig. Es erinnerte ihn an ein frischgeborenes Ferkel, das er einst als Lausejunge zuhause aus dem Stall gehoben hatte. Der weiche Schweinebauch hatte nach Erde, Milch und Stroh gerochen, während er das Tier an sich gedrückt hatte. Verbunden mit ihren kindlichen Ohrsteckern, erweckte diese Erinnerung eine eigenartige Assoziation, die er hier nicht erwartet hätte und ihn zutiefst irritierte.
Mit knappem Blick deutete er aufs Bett, um dieses Spiel zu beenden. Inzwischen völlig entblößt, legte sie sich zu ihm und spulte routiniert ihr Repertoire ab, indem sie an seinem Ohrläppchen knabberte, Hals und Nacken liebkoste und schließlich seine Brust streichelte. Dabei hauchte sie ihm ihren heißen Atem ins Ohr und registrierte amüsiert jeden Schauer, der über sein bleiches Gesicht lief. Dann wieder glitten ihre geübten Finger an verbotene Stellen entlang, um sein Feuer dosiert zu entfachen. Hin und wieder verklärten sich seine blauen Augen.
Jetzt war es so weit. Sie schob ihren Schenkel seitlich über ihn und ließ ihn das leichte Stacheln ihrer Intimrasur fühlen. Jeder andere hätte die Beherrschung verloren. Ihn aber beschäftigte nur die Frage, wie oft sie es hier bereits getrieben hatte und was sie dabei empfand.
„Du bist schön“, schmeichelte sie und ließ ihre Finger liebkosend über seinen Bauch gleiten. Dennoch sah sie an ihm vorbei.
‚Heuchlerin‘, dachte er und fragte sich, warum die Menschen niemals ohne eigenes Interesse loben. Würde sie in einigen Jahren nach zahllosen verglühten Zigaretten, Schnaps und anderen Drogen, verkommen vom Alltag und erdrückt von der Last der zahlenden Freier, immer noch so anmutig aussehen? Doch er verdrängte die Gedanken und ließ sich auf das hier gebotene Schauspiel ein.
Spielerisch öffnete sie ihr wasserstoffblondes Haar, das lockig herabfiel und an manchen Stellen einen rötlichen Ansatz verriet. Ihre Haarpracht bedeckte weich ihre weiblich formschönen Attribute. Warm und sanft wie Wellen eines sonnenverwöhnten Meeres fühlte sie sich an. Ihre silberne Haarspange ließ sie auf den Boden gleiten, während er sich auf den Rücken zurücklegte und versuchte zu entspannen. Worte waren von nun an überflüssig.
Während sie ihn nun wie eine Katze bespielte, bemerkte er im Deckenspiegel ihren sich grazil windenden Rücken und den formschönen Steiß. Dabei fiel ihm die bunte Tätowierung in Form einer sich windenden Schlange auf, die sich von ihrem Hals bis zur Hüfte erstreckte. Nein, das passte nicht. Mit diesem Stigma degradierte sie ihre naturgegebene Schönheit zur Farce. Das half ihm jetzt bei der dringend nötigen Abkühlung. Schließlich musste es nach seinen Regeln ablaufen.
Fest zog er sie an sich heran. Das Mädchen lächelte ihn weiterhin an, dennoch machte sie sich im Rücken steif, wenn auch unmerklich. Ihre Blicke trafen sich. Eine eigenartige Härte in seinen Zügen ließ sie zögern. Irritiert sah sie zu Boden. Er registrierte ihre Unsicherheit. Diese Ergebenheit gefiel ihm, so dass er sich wieder aufsetzte.
Er hob ihr Kinn und betrachtete ihre graugesprenkelten Augen. Konnte er darin lesen? Unmöglich. Nichts außer Kälte und Leere, vor allem aber die erschreckende Abgestumpftheit meinte er darin zu erkennen.
„Küss mich!“, befahl er ihr.
Das Mädchen stutzte. „Wie jetzt? Auf den Mund?“
„Ja, natürlich! Wie denn sonst?“, erwiderte er entgeistert. „Oder meinst du, ich gebe mich mit Halbheiten zufrieden?“
„Wie kommst du denn auf die Idee?!“
„Ich möchte es einfach, weil ein Kuss etwas Sinnliches ist“, erklärte er ihr.
„Ist das jetzt ein Scherz?“ Sie starrte ihn ungläubig an.
„Keineswegs.“
„Das gehört nicht zu meinen Leistungen“, entgegnete sie kurz, wobei er sah, wie verlegen sie wurde.
„Dann frage ich mich, wofür ich dich bezahle!“
„Bestimmt nicht fürs Küssen!“, erwiderte sie leicht schnippisch.
„Deine Offenheit überrascht mich“, gab er zu.
„Manchmal ist es durchaus nötig.“
„Manchmal?“
„Ja, in solchen Situationen zum Beispiel, wenn ein Freier so etwas fragt.“
„Bekommst du oft solche Fragen gestellt?“
„Eher selten.“
„Hast du eigentlich keine Angst?“
„Ja schon, aber sie gehört zum Geschäft. Sag mal, was fragst du mich für komische Sachen? Willst du mich jetzt, oder nicht?“
„Erst wenn du mich küsst“, wiederholte er und erwartete ihre Reaktion.
„Willst du mich veräppeln?“, begann sie sich plötzlich zu echauffieren und wich erschrocken zurück. „Was soll das eigentlich werden?“
„Wieso zierst du dich? Kriegst auch einen Extrabonus. Was ist jetzt?“
Sie schien zu überlegen. Ihr Gesicht wirkte plötzlich sehr bedrückt, als müsste sie sich zu etwas überwinden.
„Nun gut. Kostet aber extra!“, gab sie schließlich nach, ohne einen Grund dafür zu benennen.
Nach einigem Zögern schlang sie den Arm um seinen Hals und sog an seinen Lippen. Ihr Pfefferminzgeschmack war unerträglich. Was sollte es überdecken? Und tatsächlich. Abrupt ließ er von ihr ab. Dafür sollte er sie ohrfeigen. Aber er hatte es ja so gewollt. Weshalb erregte er sich? Nein, dafür taugte sie nicht, wie sie überhaupt für die ‚wahre Liebe‘ nicht geschaffen war. Wie konnte er nur so töricht sein. In der Gosse gab es keine Liebe und dieser Ort war der letzte, wo er sie finden konnte. Das Einzige, was zählte und wofür hier bezahlt wurde, waren körperliche Reaktionen, frei von jeder Sinnlichkeit. Er hätte es wissen müssen.
Verstört packte er sie am Oberarm und fixierte ihre grauen Augen. Sie starrte ihn erschrocken an, meinte trotzdem zu ahnen, was jetzt zu tun war. Mit der Geschmeidigkeit einer Katze glitt sie an ihm herab, während er sich zurücklehnte und zu entspannen versuchte. Ihr Haar kitzelte. Dennoch hemmte ihn etwas. Echte Liebe war ein Geschenk, das hier nicht zu bekommen war. Da er sich trotz aller Mühe nicht in den dafür nötigen Zustand versetzen konnte, versuchte es das Mädchen manuell. Für einen Moment dachte er daran, sie für diesen Betrug an der Seele zu erwürgen. Demonstrativ umklammerte er ihren zarten Hals und ergötzte sich an ihrer Angst. Nur ein kleiner Druck und es wäre vorbei.
Dann aber ließ er von ihr ab. Nein, das war es nicht und würde es auch niemals sein. Nicht so. Dann besser gar nicht. Zu ihrer Verwunderung verzichtete er auf Weiteres. Ohne jede Erklärung zog er sich wieder an, steckte ihr noch einen Schein zu – schließlich hatte er davon genug – und begab sich zur Tür.
Verwirrt begleitete sie ihn. In einem Augenblick