„Was willst du, Robert?“ Alex’ Stimme war eiskalt und ich sah, wie sich sein Körper anspannte, was Robert nur zum Lachen brachte. Es war ein ekelhafter Laut – kehlig und gemein. Wieso konnte er mir kein Glück gönnen? Warum wollte er alles zerstören?
„Ich habe hier nur den kleinen Perversen gesehen und wollte schauen, ob er dich nicht belästigt.“ Seine Stimme war voller Verachtung und Hohn, wobei ich meinen Blick nur senkte und schwer schluckte. Warum hasste er mich so sehr?
„Felix ist nicht pervers“, widersprach Alex und erneut lachte Robert auf: „Was willst du schon wissen? Hast du keine Angst, dass er sich in dich verliebt? Was machst du, wenn er sich plötzlich an dich schmiegt und mehr will als Freundschaft? Diesen Schwuchteln kann man doch nicht trauen. Alles nur Perverslinge.“
„So ein Blödsinn!“ Das Schnauben von Alex ließ mich zusammenzucken, wobei ich meine Finger zu kneten begann und nicht wusste, was ich sagen sollte, als ich schon spürte, wie sich jemand mir näherte. Warmer Atem strich über meine Wange und ich erschauderte. Was geschah nun?
„Du bist einfach nur widerlich und krank.“ Die Stimme von Robert war leise und ging direkt in mein Ohr, mein Herz und meinen Verstand. Ich spürte, wie mir ein Schluchzen entglitt und wünschte mich irgendwo anders hin, doch er stoppte nicht und blieb so dicht bei mir: „Niemand wird dich mehr mögen. Du wirst für immer alleine sein. Weil das, was du bist, einfach nur abstoßend ist.“
Plötzlich wurde Robert von mir weggerissen und als ich meinen Blick hob, erkannte ich, dass sich Alex auf ihn gestürzt hatte. Sie begannen sich zu prügeln. Wegen mir? Das durfte doch nicht wahr sein. Nein, das war nur ein Trugbild. Verdammt! Alex durfte nicht verletzt werden.
„Hört auf.“ Meine Stimme war zu leise. Sie ging im Tumult, der um uns ausgebrochen war, unter. Sie blieb schwach und ich fühlte mich hilflos. Immer wieder trafen sie sich und wälzten sich über den Boden. Was war nur geschehen? Warum tat Alex das für mich?
„Bitte.“ Ich spürte, wie sich Tränen in meine Augen fraßen und ich mir wünschte, dass sie einfach nur aufhörten. Sie mussten sich nicht wegen mir streiten. Ich war es doch gar nicht wert, dass man sich so stark für mich einsetzte. Verdammt, Alex!
Sie waren sich ebenbürtig. Keiner gab nach und egal, wie viele Treffer kassiert wurden, sie ließen nicht voneinander ab. Worte wurden gewechselt, die ich nicht hören konnte. Ich sah nur die Bewegungen ihrer Lippen und den Hass in ihren Augen. Warum taten sie das? Das war doch nicht richtig!
„Verdammt… ich bin es doch gar nicht wert.“ Die Verzweiflung stürmte immer wieder meine Gedanken und ich krallte mich Halt suchend in meine Hose. Wieso ging niemand dazwischen? Das war doch nicht richtig.
Ich versuchte zu Alex durchzudringen und berührte ihn an seiner Schulter, doch im Affekt schlug er mich von sich und ich spürte, wie meine Lippen unter der Wucht aufplatzten. Blut lief in meinen Mund und ich tastete verwirrt danach.
Alex stoppte dadurch und sah mich entsetzt an. Er wollte etwas sagen, doch Robert nutzte seine Abwesenheit und schlug hart zu, wodurch Alex zu Boden ging und röchelnd liegen blieb. Mein ehemals bester Freund trat noch zweimal voller Wucht zu, wodurch sich Alex zusammenkrümmte und immer wieder hustete.
„Merk dir das. Er ist es nicht wert, beschützt zu werden. Das nächste Mal kommst du nicht zu glimpflich davon.“ Robert spuckte auf den am Boden liegenden Jungen und ich spürte, wie ich mich schuldig fühlte. Warum hatte ich mich eingemischt? Das war doch nicht richtig gewesen. Nur wegen mir hatte Alex jetzt verloren.
Sofort robbte ich zu ihm und berührte ihn vorsichtig am Oberarm, wobei ich in sein schmerzverzerrtes Gesicht sah: „Es… es tut mir Leid.“
Ein quälendes Lächeln legte sich auf die Lippen meines neuen Freundes, wobei er erneut kurz hustete, weil er noch nicht schmerzfrei Luft bekam, doch dann winkte er ab: „Es war meine Entscheidung und irgendwer muss sich für dich einsetzten. Niemand sollte alleine auf weiter Flur stehen.“
Es war eine angenehme Wärme, die sich in meinem Inneren ausbreitete und Tränen in meine Augen trieb. Wie konnte man nur so aufopfernd sein? Alex kannte mich doch nicht einmal. Er hatte mich vorher nie bemerkt und jetzt prügelte er sich für mich. Warum tat er das?
„Komm, ich bring dich zu dir. Wir müssen uns um deine Verletzungen kümmern.“ Ich half ihm, sich aufzurichten und stützte ihn. Ich hatte wieder einen Freund. Einen richtigen Freund. Mein Herz machte Freudensprünge und überschlug sich eifrig. Immer wieder aufs Neue. Ich war einfach nur glücklich. Unsagbar glücklich…
Wir saßen auf seinem Bett, während ich seine Schrammen notdürftig versorgte. Darin hatte ich mittlerweile ein wenig Erfahrung, auch wenn es mir lieber wäre, dass es nicht so wäre, doch daran konnte ich jetzt nichts mehr ändern.
Immer wieder zog er scharf die Luft ein, wenn ich falsch an eine Stelle kam und ich entschuldigte mich auch immer dafür. Aber dann wurde es wieder still im Raum. Ich lauschte unseren Atem und versuchte so wenig Schmerzen wie möglich anzurichten. Schließlich mochte ich ihn und er war nur in dieser Lage, weil er sich für mich eingesetzt hatte. Da war es nicht fair, wenn ich ihn dafür bestrafte. Definitiv nicht.
„Du, Alex?“, unterbrach ich nach einer Weile die meditative Stille zwischen uns, wobei ich von seiner Seite nur ein kurzes Brummen bekam, was mich kurz schlucken ließ. Ich musste all meinen Mut sammeln, um die nächste Frage stellen zu können, obwohl ich eigentlich keine Angst haben müsste. Alex war auf meiner Seite. Er würde mir nichts tun, dennoch war die Furcht da, dass er mich von sich stoßen könnte.
„Warum hast du das getan?“ Meine Stimme zitterte und ich musste öfters die Wörter neu beginnen, doch als es draußen war, fühlte ich mich unendlich frei und entspannte mich ein wenig. Es tat gut, sich so zu fühlen.
„Na, um dich zu verteidigen.“ Er schien die Frage nicht zu verstehen, doch dadurch, dass der Knoten jetzt gelockert war, fiel es mir leichter weiter nachzubohren und nicht klein beizugeben: „Ja, das weiß ich doch. Aber warum tust du das? Ich war für dich eigentlich immer ein Fremder. An dem Tag, als ich auf dem Pausenhof lag, da kanntest du mich gar nicht. Dennoch bist du stehen geblieben. Das hat sonst niemand getan.“
„Ich habe halt einen starken Beschützerinstinkt.“ Er zuckte mit den Schultern und ich wünschte mir, dass ich es glauben könnte, doch irgendwie spürte ich, dass dort mehr war. Um so vieles mehr. Als er mich angesehen hatte, war es, als wäre es ihm bekannt und er ertrug diesen Anblick nicht.
„Ich glaube, dass da mehr dahinter steckt“, sprach ich dann meine Vermutung aus und erneut verspannte er sich. Ich hoffte, dass ich mit dieser Aussage nicht zu weit gegangen war. Schließlich hatte ich ihn gerade erst für mich gewinnen können und ich wollte ihn nicht sofort wieder verlieren. Das war nicht gut. Einfach nicht gut.
„Da täuschst du dich.“ Seine Stimme wurde bedrohlich leiser und ich stockte kurz. All die Wärme verschwand gerade und sein Körper verkrampfte sich vor mir. Was ging in seinem Kopf vor? Das konnte doch nicht sein Ernst sein? Er verheimlichte mir etwas. Irgendwas trieb ihn dazu mir zu helfen. Aber was?
„Warum reagierst du dann so angespannt?“, bohrte ich nach. Sah nicht das große, rote Stoppschild blinken und hörte auch kurz auf seine Wunden zu versorgen, um nachzusehen, ob ich überhaupt etwas übersehen hatte.
„Ich bin nicht angespannt.“ Ich sah, wie er zwanghaft versuchte sich zu entspannen, doch es misslang ihn. Seine Schultern blieben verkrampft und er presste auch seinen Kiefer aufeinander. Was beschäftigte ihn? Wieso handelte er so, wie er es tat? Warum konnte er es mir nicht sagen?
„Bist du sehr wohl?“ Ich tastete nach seinen Schultern und wollte sie ein wenig massieren, doch in diesem Moment schlug er mit einem „Fass mich nicht an“ meine Hände einfach weg. Er sprang förmlich Abstand nehmend von mir und funkelte mich an.
Ich