Höllenteufel. Andre Rober. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Andre Rober
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754176665
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und es sehr zu schätzen schien, wie unerschrocken und selbst­verständlich sie dem Rechtsmediziner zur Hand ging. Als dieser den letzten Kommentar zu den Wunden ins Mikro gesprochen hatte, nahm Thomas die Beweismitteltüte, die den extravaganten Dolch enthielt, aus seiner Aktentasche und reichte sie dem Doktor.

      „Nur des Protokolls wegen: Können die Wunden von die­sem Dolch hervorgerufen worden sein?“

      Schwarz besah sich die Waffe.

      „Interessantes Teil!“, sagte er. „Ja, das passt gut. Sehen Sie am Heft ist die Klinge ungefähr die drei Zentimeter breit, wie es die tiefsten Wunden ebenfalls sind. Die weniger tiefen sind auch schmaler, was der konischen Form der Klinge zuzu­­­schrei­ben ist. Und hier finden sich noch die beiden ku­gel­för­migen Ornamente, die am Ende rechts und links aus dem Heft nach vorne stehen. Die haben bei den tiefen Wun­den Spuren hin­terlassen. Passt also perfekt.“

      „Okay, hatten wir ja vermutet“, bemerkte Sarah. „Wie kann eine etwa ein Meter fünfzig große Person diesem Mann die Verletzungen beigebracht haben?“

      Schwarz dachte nach, doch bevor er eine Vermutung aus­sprechen konnte, ergriff Thomas das Wort.

      „Wenn sie auf dem Rücken lag und er auf ihr saß, etwa auf Höhe der Oberschenkel. Würde ein Stich etwa zu diesen Ver­letzungen führen? Zumindest zu einer oder zwei?“

      Schwarz lächelte.

      „Reicht es, sich das vorzustellen? Ansonsten…“, er sah Sa­rah an und wies auf einen freien Obduktionstisch. „Wenn Sie so freundlich wären.“

      Auch diesmal zögerte Sarah keine Sekunde, trat an den Edel­­­­stahltisch, zog sich hoch und legte sich der Länge nach darauf.

      „Worauf wartest du?“, fragte sie Thomas, der kaum merk­lich mit den Schultern zuckte und sich dann rittlings auf Sa­rahs Beine setzte.

      „Und jetzt tun Sie so, als ob Sie ein Messer in der Hand hät­ten und stechen Sie zu“, ermunterte Schwarz die amüsiert drein­schauende Sarah. Thomas, dem die verfängliche Posi­tion nicht ganz so egal zu sein schien, nickte seiner Partnerin zu. Sarahs Faust landete deutlich über dem letzten Rippen­bogen.

      „Rutschen Sie noch etwas höher und beugen Sie sich etwas nach vorne“, wies Schwarz Thomas an, der der Auffor­de­rung prompt nachkam. Dieses Mal kam Sarahs Hand der Po­sition der ersten Wunde deutlich näher.

      „Und wenn wir zusätzlich in Betracht ziehen“, sagte Schwarz, „dass das rothaarige Mädchen etwa zehn Zenti­meter kleiner ist als Sie, Frau Hansen, dann wäre es zumin­dest im Bereich des Möglichen, dass so die Verletzungen entstanden sind.“

      „Zwanzig“, sagte Sarah, während Thomas von ihr herunter­stieg. „Ich bin zwanzig Zentimeter größer als das Mädchen.“

      „Entschuldigung“, lächelte Schwarz. „Wie dem auch sei, so kann es gewesen sein. Wie kommen Sie auf diese Pose?“

      „Wir haben Videomaterial gesichtet, wo er hier“, Sarah wies auf den Toten, „genau diese Position einnimmt und so eine Art Ritual auf Latein durchspielt. Dabei hat er den Dolch auf die Brust des Mädchens gelegt. Ich vermute, diesen Moment hat die Kleine genutzt und sich die Waffe gegrif­fen.“

      Schwarz runzelte die Stirn.

      „Aber wie sie zusticht, ist nicht auf dem Video zu sehen?“

      „Nein“, schüttelte Thomas den Kopf. „Die Szene ist dreimal auf Band. Offensichtlich hat er ein paar Mal geübt. Und be­vor er es richtig machen wollte, ist ihm die Kleine in die Que­re gekommen. Warum er ausgerechnet da die Kamera nicht eingeschaltet hatte, ist uns allerdings schleierhaft. Wahr­schein­­­­lich hat er es schlicht vergessen.“

      Der Rechtsmediziner hob den Zeigefinger.

      „Ich denke, er hatte ohnehin vor, es noch einige Male durch­zuspielen. Bei dem tatsächlichen Akt, die dem er das Mäd­chen letztendlich umgebracht hätte, wäre ihm das sicher nicht passiert. Mit dem Üben habe ich meine Zweifel. Viel­leicht wollte er den Moment einfach öfters genie­ßen. Ihm muss­te ja klar sein, dass es, wenn sie tot ist, mit dem Spiel vorbei ist.“

      „Trotzdem glauben wir, dass es eher eine Art Übung war“, wandte Sarah ein. „Sonst hätte er das Mädchen nicht betäubt. Hätte er den Kick mehrfach haben wollen, hatte er sie bei vol­lem Bewusstsein der Tortour unterzogen, ohne sie final zu töten.“

      „Die Macht über den lebendigen Leib, den er vor sich hatte, würde ihm ein unglaubliches Gefühl, ein berauschendes Hor­monbad bereitet haben, von dem ihm ver­mutlich be­wusst war, dass er es so schnell nicht wieder­erlangen konn­te“, ergänzte Thomas. „Vergessen wir nicht, bei aller Perver­sion, der Mann war ein des rationalen Denkens fähiger Mensch. Wenn es nicht das erste Mal gewesen ist, dass er so etwas durchgezogen hat, wusste er aus Erfahrung, dass die Vi­deoaufnahmen zwar deutlich besser die Stimmung und Ge­fühle beflügeln als die reine Visualisierung mittels der eige­nen Erinnerung. Aber an das Ausführen des Aktes so­zusa­gen live kommt das nicht heran. Die Motivation zu er­mitteln, die Opferung dreimal durch­zuspielen, ist jedoch kei­ne unserer vorrangigen Fragen.“

      „Da haben Sie sicher Recht“, sagte Schwarz. „Helfen Sie mir, ihn herumzudrehen?“

      Sarah und Thomas traten an den Tisch, wo Schwarz den To­ten bereits vorbereitete. Als ob er ihn in eine stabile Sei­tenlage bringen wollte, drehte er den Leichnam erst am Be­cken und schob den rechten Arm so weit, wie es ging, da­runter. Dann winkelte er das linke Bein an, platzierte die lin­ke Hand rechts neben dem Hals und hebelte ihn mit dem angewinkelten Bein über den rechten Arm. Sarah führte den Kopf, Thomas zog den Arm unter dem Körper hervor.

      „Oha!“, ließ Schwarz verlauten. Das ist interessant!“

      Die beiden Polizisten blickten sofort auf den Toten, um he­rauszufinden, was Schwarz‘ Aufmerksamkeit auf sich gezo­gen hatte. Sarah erkannte gleich, was er meinte.

      „Da ist ein Stich rechts neben der Wirbelsäule“, sagte sie. „Und ich wage zu behaupten, dass dies der erste ist. Der Tote hat nicht vergessen, für den nächsten Take die Kamera ein­zu­schalten. Unmittelbar nach der letzten Aufnahme hat sich die junge Frau den Dolch gegriffen, der neben ihr in dem Al­tar steckte und ihn damit von hinten angegriffen. Er hat sich ver­letzt herumgedreht und dann wurden ihm die zahl­rei­chen Stiche von vorne beigebracht. Ist die Wunde tief?“

      Schwarz nahm wieder sein Besteck zur Hand.

      „Allein an der Breite kann ich sehen, dass sie die komplette Klinge versenkt hat. Und da sind auch die beiden Abdrücke der Kugeln“, sagte er vorab. Vorsichtig schob er den Mess­stab in die Wunde.

      „Ja, sogar ein bisschen tiefer, als die Klinge lang ist. Da hat sie mit großer Wut zugestochen. Und das weiche Gewebe unter dem Rippenbogen hat nachgegeben, so dass sie die Klinge, nachdem das Heft am Körper aufsetzte, noch ein Stück weiter hineintreiben konnte. Richtung und Winkel nach hat sie da schon die Lunge perforiert.“

      „Tapferes Mädchen“, entfuhr es Sarah.

      „Ja, eine so schmächtige junge Frau, die sogar noch unter Drogen stand, muss schon einen ziemlich starken Willen auf­gebracht haben, um einen ausgewachsenen Mann zu über­wältigen. Aber klar: Als ihr Peiniger nach dem ersten Stich in den Rücken noch stand und sich herumgedreht hat, wird sie in Panik auf ihn eingestochen haben. Deswegen auch die hohe Anzahl der Stiche.“

      „Wie dem auch sei“, sagte Thomas, „was die Ereignisse von letzter Nacht angeht, sehen wir schon deutlich klarer. Aller­dings nicht, was die Identifizierung angeht. Was sagten Sie? Einheimischer?“

      „Womöglich der Inhaber der Hütte?“, warf Sarah ein. „Liegt doch sehr nah. Schließlich war das keine herunter­gekom­me­ne Ruine, sondern ein funktionelles Blockhaus in einem gu­ten Zustand. Und wer sonst könnte so etwas über einen längeren Zeitraum und ohne die Gefahr, überrascht zu wer­den, nutzen, als der Besitzer oder Pächter?“

      „Wer das ist, werden die Kollegen vielleicht schon