Heilige und Gesegnete. Aurelia Dukay. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Aurelia Dukay
Издательство: Bookwire
Серия: Commissario Caterina Calanca
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754174968
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nicht.“

      „Doch“, sagte Ugo mit stolzer Miene.

      „Ach. Und?“

      Tommaso wollte das Wort ergreifen, doch Caterina stoppte ihn mit einer Geste.

      „Nun, Ispettore Grillo, was steht darin. Nur die relevanten Fakten bitte.“

      Er wurde unruhig, Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn, das runde Gesicht lief rot an. Tommaso warf ihr einen vorwurfsvollen Blick zu, den sie ignorierte, während Ugo den dünnen Pappumschlag aufklappte und sich über ihn beugte.

      „Nun … ähm … also: Die Tote hieß Emma Bellacqua, achtundzwanzig Jahre, Journalistin bei TGA, dem hiesigen Lokalsender. Die Wunde am Kopf und die fehlende, ähm, also das Ergebnis der Toxi– … Drogen -“ Mein Gott, dieses Gestammel war unerträglich. Sie lächelte ihn an wie man hoffnungslos unbegabte Schüler anlächelte.

      „Danke. Vielleicht möchte Vice Commissario Salinas noch etwas dazu sagen.“

      Tomaso kannte den Obduktionsbericht auswendig.

      „Todesursache Schädelbruch sowie innere Blutungen verursacht durch den Aufprall. Keine Spuren von einem Kampf oder Vergewaltigung. Toxikologischer Befund war negativ. Sonstige Fremdeinwirkungen ebenfalls negativ, es wurden weder Fingerabdrücke noch Splitter, Fasern oder Blutergüsse an der Leiche gefunden. Der Tod trat sofort ein.“ Caterina nickte zufrieden.

      „Was hat die Zeugenbefragung ergeben? Hat wohl keiner etwas gesehen, was?“

      „Nicht so voreilig Commissario, haben Sie etwas Vertrauen. Alle die wir befragten, circa acht Zeugen, darunter Passanten und ein Parkwächter, sahen wie die Bellacqua wenige Augenblicke am Fenster verharrte, mit dem Blick erst in die Ferne gerichtet und dann nach unten, bevor sie sprang. Niemand sah eine andere Person am Fenster stehen, der Vater war nicht zu Hause, als es passierte, noch schien sie irrtümlich gefallen zu sein.“

      Caterina faltete die Hände und stütze ihren Kopf darauf.

      „Zu welchem Schluss seid ihr gekommen?“

      „Eindeutig Selbstmord, Commissario“, sagte Tommaso und Ugo nickte zustimmend.

      „Dann kann ich die Akte schließen?“

      „Ja“, sagten sie im Chor.

      „Aber zuerst muss ich zum Chefredakteur der Piazza.

      „Viel Erfolg, Commissario.“ Sie standen auf und gingen zur Tür. „Übrigens, Commissario –“, sagte Ugo beim Hinausgehen, aber er wurde von der entgegenkommenden Cinzia abgehalten, weiterzureden.

      „Hier ist die Adresse der Redaktion Commissario, liegt nicht weit von hier, in der Via Della Minerva. Redaktionsschluss ist um zwanzig Uhr. Ich habe Ihnen auch die Telefonnummer aufgeschrieben, aber mit Verlaub, ein Ratschlag, vielleicht sollten Sie direkt hinfahren. Wenn Sie einen Termin vereinbaren, dann kann es sein, dass der Chefredakteur zu beschäftigt ist.“

      „Sehr gut, Cinzia, aber ich bin Kommissarin, das wäre ja absurd.“ Cinzia zuckte mit den Achseln, und Caterina hob den Hörer ab.

      Die Sekretärin von „La Piazza“ würde den Terminplan ihres Chefs checken und sofort zurückrufen, na bitte.

      „Das wäre dann alles, Cinzia.“

      Die junge Polizistin lächelte und machte einen Schritt in Richtung Tür. Dann drehte sie sich nochmals um: „Übrigens, Commissario, Sie –“ Der metallene Ton des veralteten Telefons unterbrach sie, Caterina hob ab und man hörte wie Cinzias Schritte sich entfernten.

      „Calanca.“

      „Commissario, hier spricht die Redaktion von La Piazza. Chefredakteur Bernardi bedauert es wirklich sehr, aber er hat heute leider keine Zeit für Sie. Ich rufe Sie morgen wieder an, Commissario.“

      Sie beendeten das Gespräch und Caterina stieg erneut der Caffé empor. Für wen zum Henker hielten die sich alle. Keinen Respekt vor Autoritäten. Aber Cinzia hatte sie vorgewarnt.

      Entrüstet nahm sie ihre Chanel-Tasche und fuhr in die Via Della Minerva, fuchtelte vor der molligen Sekretärin mit ihrer Polizeimarke, drohte mit einem Aufstand, einer Klage wegen Behinderung der Justiz, bis diese ihrer Penetranz erlag.

      „Die rote Katze, ja, so werde ich Sie von jetzt an nennen. Geschmeidig wie ein roter Puma schlich die Kommissarin auf Samtpfoten in mein Büro“, bemerkte Chefredakteur Bernardi. Ein älterer Mann, hager mit eingefallenen Wangen, graumeliertem Haar und noch dunkleren Augenringen als ihren eigenen heute Morgen, bemerkte Caterina.

      „Ihre Süffisanz in allen Ehren, aber ich bin Kriminalkommissarin und versuche, den Tod einer Frau aufzuklären, Dottore Bernardi.“ Sie nahm unaufgefordert Platz.

      „Den aggressiven Ton brauchen Sie wohl, um sich im Kommissariat Respekt zu verschaffen. Muss ja nicht einfach sein als junge Frau in diesem Testosteronhaufen. Ich kenne diese Einstellung, manche Frauen in meiner Redaktion machen das genauso. Wie lange sind Sie hier, einen Monat? Sie müssen lernen, dass die Uhren hier anders ticken.“

      Er zwirbelte an seinem vergilbten Bart und zündete gelassen eine Zigarette an, deren Asche er in den überfüllten Aschenbecher neben sich auf dem Tisch rieseln ließ.

      „Ich befinde mich, wie gesagt, inmitten einer Ermittlung“, sagte sie. „Und die Zeit drängt.“

      „Wenn Tote von etwas im Überfluss haben, dann ist es Zeit. Aber da Sie schon mal hier sind, was kann ich für Sie tun?“

      „Ich komme gleich zum Punkt. Ihr Artikel über Emma Bellacqua, da steht was von Briefen –“

      Er lachte laut auf.

      „Ach, das.“

      „Was ist so lustig daran.“

      „Ein gewisser La Menta war bereits hier, der wollte dasselbe wie Sie. Jetzt habe ich den perfekten Vorwand. Die Polizei hat mir die Briefe abgenommen.“

      „Ich verstehe nicht.“

      „Nun, ich habe mir das alles nur ausgedacht. Fragen Sie den Vater der Toten, ich war nie in dem Appartement. Mein Ziel war es, jemanden zu piesacken, und es ist mir gelungen.“

      Also hatten Tommaso und Ugo die Wahrheit gesagt. Sie würde sich bei ihnen entschuldigen – oder auch nicht.

      „Und das soll seriöser Journalismus sein?“

      Er krempelte den Ärmel seines hellblauen Hemdes hoch, lehnte sich vor, stütze die Ellbogen auf und sah Caterina mit bohrendem Blick direkt in die blauen Augen.

      „Was kann ich schon tun. Strafverfolgung ist nicht mein Job, sondern Ihrer. Ich führe meinen Kampf mit Worten.“

      Er nahm einen so intensiven Zug an seiner Zigarette, dass die noch glühende Asche auf den Tisch fiel. Mit einer raschen Handbewegung wischte er sie vom Tisch in einen großen kristallenen Aschenbecher.

      „Die Bellacqua, die war ein frischer Wind in diesem vulgären Zirkus den man heutzutage Fernsehen nennt. Kein Vergleich zu den überschminkten, inkompetenten Hühnern mit den Ich-will-unbedingt-ins-Fernsehen-Gesichtern, diesen nützlichen Idioten, die man hinter die Moderationstische der Lokalsender setzt. Emma war auf dem Weg, ein echter Profi zu werden, blickte in eine strahlende Zukunft, hätte sie sich nur in einem anderen Land befunden. Doch dann machte sie einen Fehler.“

      „Welchen Fehler?“

      „Kann ich nicht sagen, Berufsgeheimnis.“

      Caterina knirschte mit den Zähnen.

      Er zog wieder an der Zigarette und blies den Rauch ringförmig aus.

      „Ah, diese Zigaretten. Das Laster, Commissario. Das Laster ist die wahre Geißel unserer Gesellschaft.“ Er drückte den Glimmstängel aus.

      „Nun, gegen das Laster an sich ist nichts einzuwenden. Aber wenn es zur Modeerscheinung wird, verwandelt es sich in Tugend. Eine Art kriegerischer Akt gegen die Moral einer gesamten