Lady Hamilton. Alexandre Dumas. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alexandre Dumas
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754175682
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antwortete ich, indem ich mich erhob und ihm beide Hände entgegenstreckte, »was könnte ich Ihnen weiter geben als den Dank eines tiefgerührten Herzens, Mylord?« – »Gut,« sagte er. »Für jetzt begnüge ich mich mit diesem Dank. Unsere Rechnung werden wir später ausgleichen.« – »Dann ist Ihr Vorhaben also gelungen, Mylord?« fragte Amy. – »Wenigstens ist es auf dem besten Wege dazu,« entgegnete der Admiral. »Man hat mir die Freilassung Ihres Bruders für diesen Abend versprochen. Wir wollen sie, wenn es Ihnen recht ist, bei Tische erwarten. Sie müssen sehr hungrig sein, denn Sie haben weiter nichts als ein kleines Stück Kuchen genossen. Ich meinerseits gestehe, daß die weiten Wege, die ich gemacht, meinen Appetit ebenfalls nicht wenig gereizt haben.« Ich wollte eine Bemerkung über die Notwendigkeit machen, in der ich mich befand, nach Oxfordstreet zurückzukehren, als der Diener eintrat und meldete, daß die Tafel serviert sei. Sir John Payne bemächtigte sich meines Armes, führte mich nach dem in derselben Etage gelegenen Speisezimmer und rief: »Kommen Sie, meine schönen Tischgenossinnen!«

      Der Tag begann sich zu neigen und aus dem durch die dichten Vorhänge vermehrten Halbdunkel meines Zimmers traten wir in ein prächtig erleuchtetes Speisezimmer, dessen Lichter von dem Kristall der Gläser und dem funkelnden Silbergeschirr widergespiegelt wurden. Es war in der Tat, als wenn von Feenhänden ein Souper für ihren König Oberon und ihre Königin Titania zubereitet worden wäre. Die Atmosphäre war lau und von einem gleichzeitig herben und süßen Parfüm erfüllt, welches durch alle Poren einzudringen schien. Beim Anblick dieses Luxus und infolge dieser duftenden Atmosphäre bemächtigte sich meiner gleichsam ein plötzlicher Rausch. Ich fühlte, mich einer Ohnmacht nahe. Meine Füße zitterten und mein Kopf neigte sich auf die Schulter herab. Sir John fühlte, daß ich seinem Arm schwerer ward, und als er mir an dem matten Ausdruck meiner Augen und der schlaffen Haltung meines Körpers ansah, was in mir vorging, sagte er: »Sie gehören zur Gattung der Sensitiven. Sie sind Weib und Blume zu gleicher Zeit. Glücklich der Mann, welcher den Wohlduft der Blume atmen und das Wort Liebe von den Lippen des Weibes pflücken wird.« Ich stieß einen Seufzer aus und der Admiral führte mich, während ich förmlich taumelte, zu meinem Stuhle und nahm neben mir Platz.

      Der Zauber des Reichtums ist für mich ebenso groß gewesen wie die Furcht vor dem Mangel. Stamme ich denn wirklich aus aristokratischem Blut und sind alle meine Bestrebungen darauf gerichtet, mir die durch meine illegitime Geburt zertrümmerte Stufe wieder zu erobern? Mein Leben ist in dieser Beziehung weiter nichts gewesen als ein langer Rausch, und wenn ich von dem Rang und dem Reichtum nichts mehr zu verlangen hatte, blendete als reiche und vornehme Dame mich wiederum der Ruhm, ebenso wie als armes Mädchen hoher Stand und Reichtum mich geblendet hatten. Es war jetzt das erstemal, daß ich mich an eine reichservierte Tafel setzte. Es war das erstemal, daß die Gläser gleich Diamanten durch ihre Flammenreflexe mein Auge blendeten. Es war das erstemal, daß ich meine Lippen mit jenem französischen Schaumwein benetzte, welcher gleich dem des Altertums durch die Hände der Bacchantinnen in dem Becher der Freude gekeltert wird. Nichts von diesem allen aber war imstande mich aus meinem Taumel zu erwecken, das Blut, welches rascher durch meine Adern kreiste, zu beruhigen und das Feuer, welches gleichsam stoßweise aus meiner Brust auf meine Stirn stieg, zu löschen. Als ich mich an den Tisch setzte, war ich schon trunken von Wohlgeruch und Kerzenglanz. Beim Dessert trat ein Diener ein, welcher eine mit einem großen Siegel verschlossene Depesche überbrachte. Sir John entsiegelte die Depesche, überzeugte sich, daß es wirklich Dicks Entlassung war, und überreichte sie Amy. Amy erhob sich sofort und bat unter dem Vorwande, daß sie nicht länger zögern wolle, ihrem Bruder diese gute Nachricht mitzuteilen, um die Erlaubnis, sich zu entfernen. Sir John hatte durchaus nichts dagegen, sondern lobte im Gegenteile diesen Beweis von schwesterlicher Gesinnung.

      Ich sah ein, daß von den nächsten fünf Minuten meine ganze Zukunft abhinge. Als ich sah, daß Amy sich erhob, tat ich dies ebenfalls. Sir John machte keine Bewegung, mich zurückzuhalten; ich hatte aber aus meinem Zimmer erst meine Mantille und meinen Hut zu holen. Fest entschlossen, mich dem Bereich der Verführung zu entziehen, eilte ich nach dem Zimmer, welches ich mild durch eine Alabasterampel beleuchtet fand. Es konnte nichts Reizenderes geben als dieses Zimmer, besonders in diesem gedämpften Lichtschein, welcher dem des Mondes in einer stillen Sommernacht glich. Stumm, unbeweglich, entzückt blieb ich einen Augenblick stehen und kämpfte mit dem Wunsche zu bleiben und dem, Amy zu folgen. Ich begriff nun, daß ich eine Stütze außer mir suchen müßte. Ich drückte die Hand aufs Herz, ich suchte und fand hier Harrys Brief. Nun atmete ich auf und wollte sofort aus dem Zimmer eilen, hinter mir aber hatte die in dem Schnitzwerk des Wandgetäfels angebrachte Tür sich geschlossen und war unsichtbar geworden. Es war, als beherrschte mich ein unwiderstehlicher Zauber, der mich in einen Feenpalast geführt hätte. Ich drehte mich um und wollte die Klingel ziehen. Zwischen mir und dem Kamin aber stand Sir John mit ausgebreiteten Armen und murmelte mit leiser Stimme das Wort: »Undankbare!« Bei dieser Stimme ergriff der eben erst beschwichtigte Taumel mich von neuem. Eine Flammenwolke zog an meinen Augen vorüber und ich sank in die mir geöffneten Arme. Ich danke dir, mein Gott, dafür, daß mein erster Fehltritt seinen Grund in Herzensgute und Aufopferung für andere, aber nicht in sinnlicher Begierde oder im Hang zur Ausschweifung hatte.

      14. Kapitel.

      Nun war ich Sir John Paynes Geliebte. Es beginnt hiermit die Reihe der traurigsten, vielleicht aber nicht der strafbarsten Ereignisse meines Lebens. Ich habe Gott und den Menschen versprochen, sie aufrichtig zu bekennen und ich meide dieses Geständnis mit voller Aufrichtigkeit tun, um zu beweisen, daß ich es als Reuige tue.

      Wenn die Reue über einen Fehltritt in dem Herzen nur infolge der materiellen Unannehmlichkeiten oder Vorurteile, die er nach sich zieht, entstünde, so würde mich nichts bewegen, diese, ich will nicht sagen erste Liebe – denn wirklich geliebt habe ich nur einmal in meinem Leben – wohl aber diese erste Verirrung zu bereuen. Sir John war ein Gentleman, nobel, freigebig, artig, und ich konnte während der fünf oder sechs Monate, welche unser Verhältnis dauerte, nur zufrieden mit ihm sein. Das kleine Haus in Piccadilly ward mein, und wenn er mich besuchte, was so oft geschah, als die Pflichten seines Dienstes ihm Zeit dazu ließen – so sah es aus, als käme er in meine und nicht in seine Behausung. Die Diener und die Equipage standen zu meinen Befehlen und nach dem Respekt, welchen die Diener mir bewiesen, bemaß ich den, welchen der Herr vor mir hatte.

      Als ich in den Möbeln meines Zimmers jene neugierige Untersuchung anstellte, welche die Frauen in dem Gemach, welches sie bewohnen, niemals verfehlen vorzunehmen, fand ich in einer mit meiner Namenschiffre gestickten Börse fünf- bis sechshundert Stück Sterling und in einem Etui einen Schmuck von Türkisen und Diamanten.

      Von diesem Augenblick an, wo ich einsah, daß dieses Geld für mich bestimmt war, teilte ich es in zwei gleiche Teile: einen für meine Mutter, den andern für mich. Den ersteren schickte ich auch sofort an meine Mutter ab, ohne ihr jedoch zu sagen, wo ich sei und wie ich zu diesem Gelde gekommen wäre. Jetzt, wo ein trauriges, unglückliches Alter über mich hereinzubrechen droht, gereicht es mir zum Troste, zu bedenken, daß ich auf der Höhe meines Glücks oder meiner Schande niemals auch nur einen Augenblick lang versäumt habe, für das materielle Wohlbefinden der schlichten Frau zu sorgen, der ich dieses Leben verdanke, welches für mich gleichzeitig so glänzend und so schmerzlich war. Übrigens wäre ich ohne zwei Gedanken, die mich vorzugsweise beschäftigten, vollkommen glücklich gewesen. Der erste dieser Gedanken war der an meinen unbekannten Romeo, welcher mich sicherlich alle Abende vergebens am Fuße meines Balkons erwartete. Der zweite war, was wohl Miß Arabella bei ihrer Rückkehr gesagt haben würde, als sie mich nicht mehr in ihrer Wohnung vorfand. Ich hatte in der Tat eine seltsame Art und Weise, die Personen zu verlassen, welche mir Gutes erzeigt oder erzeigen gewollt – eine Art und Weise, die ihnen eine ganz eigentümliche Meinung von mir beibringen mußte. Einige Tage lang ward ich durch eine Art Scham bewogen, mich in Piccadilly eingeschlossen zu halten. Am dritten Tage empfing ich den Besuch Amys und ihres Bruders. Die äußere Erscheinung beider erweckte in mir die Vermutung, daß sie ebenfalls ihren Anteil an der Freigebigkeit des Commodore genossen hätten. Endlich brachte Sir John Payne mich so weit, daß ich mich bereit erklärte, auszugehen. Das Theater war immer noch meine herrschende Leidenschaft und er mietete eine Loge im Drury Lane. Er hatte, um mich dahin zu führen, den Tag gewählt, wo »Hamlet« gegeben ward. Mit einer gewissen Gemütsbewegung