Lady Hamilton. Alexandre Dumas. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alexandre Dumas
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754175682
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Schrift nicht zu nennen wagt, sondern bloß mit den Worten: »Der, welcher im Finstern wandelt,« bezeichnet, sich an mich geheftet hätte wie an eine Beute. Es schien geschworen zu haben, mich nicht eher loszulassen, als bis es mich in den tiefsten Abgrund hinabgezerrt hätte. Anstatt daher das Fenster zu schließen, anstatt zu fliehen, lehnte ich das Ohr an den nicht ganz geschlossenen Fensterflügel und horchte. Zu meinem großen Erstaunen sprach nun der Unbekannte mit sanfter, frischer Stimme die folgenden Verse, als ob es unsere Aufgabe wäre, jedes unsere Rolle vor einem unsichtbaren Publikum zu spielen, oder als ob ich wirklich Julia und er wirklich Romeo wäre.

      Mit verhaltenem Atem lauschte ich und der Unbekannte sprach:

      »Doch still, was schimmert durch das Fenster dort?

       Es ist der Ost, und Julia die Sonne.

       Geh' aus, du holde Sonne! Ertödte Lunen,

       Die neidisch ist, und schon vor Grame bleich,

       Daß du viel schöner bist, obwohl ihr dienend.

       O, da sie neidisch ist, so dien' ihr nicht.

       Nur Toren gehn in ihrer blassen kranken Vestalentracht einher; wirf du sie ab!

       Sie ist es, meine Göttin! meine Liebe!

       O, wüßte sie, daß sie es ist!«

      Der Leser kennt die Zaubermacht, welche das Altertum dem Gesang der Sirenen zuschrieb, eine Macht, welcher Ulysses nur dadurch entrann, daß er seine Reisegefährten an die Masten seiner Schiffe festband und sich selbst die Ohren mit Wachs verstopfte. Leider ward ich durch kein Band gefesselt. Meine Ohren standen allen sinnlichen Melodien der Liebe geöffnet, die Stimme lockte mich mit unwiderstehlicher Gewalt. Ich setzte den Fuß auf den Balkon. Mein Herz pochte immer starker, meine Lippen bebten. Und als ob sie das Geheimnis meines Herzens gekannt hätte, fuhr die Stimme fort:

      »Sie spricht, doch sagt sie nichts; was schadet das?

       Ihr Auge spricht, ich will ihm Antwort geben.

       Ich bin zu kühn, es redet nicht zu mir.

       Ein Paar der schönsten Stern' am ganzen Himmel

       Wird ausgesandt, und bittet Juliens Augen

       In Ihren Kreisen unterdeß zu funkeln.

       Doch wären ihre Augen dort, die Sterne

       In ihrem Antlitz? Würde nicht der Glanz

       Von ihren Wangen jene so beschämen,

       Wie Sonnenlicht die Lampe? Würd' er auch,

       Aus luft'gen Höh'n sich nicht so hell ergießen,

       Daß Vögel sängen, froh den Tag zu grüßen?«

      Hingerissen von dieser magischen Poesie, und indem ich in den Geist meiner Rolle einzugehen begann, dachte ich an Mistreß Siddons und ließ den Kopf auf die Hand sinken. Mein unbekannter Romeo, welcher einen Augenblick zu warten schien, damit ich Zeit hätte, mich mit der Szene in die richtige Wechselwirkung zu setzen, fuhr fort:

      »O, wie sie auf die Hand die Wange lehnt!

       War' ich der Handschuh doch auf dieser Hand

       Und küßte diese Wange!«

       Ich wußte nichts Besseres zu tun, als mit dem Dichter zu antworten:

      »Weh mir!«

      In einem leidenschaftlichen Tone, welcher alle Fibern meines Herzens erbeben machte, hob die Stimme wieder an:

      »Sie spricht! O, sprich noch einmal, holder Engel!

       Denn über meinem Haupt erscheinest du

       Der Nacht so glorreich wie ein Flügelbote

       Des Himmels dem erstaunten, über sich

       Gekehrten Aug' der Menschensöhne, die

       Sich rücklings werfen, um ihm nachzuschauen,

       Wenn er dahinfährt auf den trägen Wolken,

       Und auf der Luft gewölbtem Busen schwebt.

      Die Reihe des Sprechens war nun an mir. Ich drückte meine beiden Hände auf mein Herz und in einem Tone, der meinem Mitspieler, welchen ich in dem nächtlichen Dunkel erriet, nichts zu wünschen übrig ließ, antwortete ich:

      »O Romeo, warum denn Romeo?

       Verleugne deinen Vater, deinen Namen!

       Willst du es nicht, schwör' dich zu meinem Liebsten,

       Und ich bin länger keine Capulet!«

      Die Stimme murmelte:

      »Hör' ich noch länger oder soll ich reden?«

      Ganz in meine Rolle eingehend, hob ich, indem ich meiner Stimme den holdesten Ausdruck zu geben suchte, wieder an:

      Dein Nam' ist nur mein Feind, du bliebst du selbst,

       Und wärst du auch kein Montague.

       Was ist Denn Montague? Es ist nicht Hand, nicht Fuß,

       Nicht Arm noch Antlitz, noch ein anderer Teil.

       Was ist ein Name? Was uns Rose heißt,

       Wie es auch hieße, würde lieblich duften.

       So Romeo, wenn er auch anders hieße,

       Er würde doch den tötlichen Gehalt

       Bewahren, welcher sein ist ohne Titel.

       O, Romeo, leg deinen Namen ab

       Und für den Namen, der dein Selbst nicht ist,

       Nimm meines ganz.«

      Ich gestehe, daß ich mit gewaltiger Gemütsbewegung die Antwort erwartete. Dieselbe ließ nicht lange auf sich warten, und Romeo hob mit einem zärtlichen Ton, welcher dem meinigen in keiner Beziehung nachstand, wieder an:

      »Ich nehme dich beim Wort,

       Nenn' Liebster mich, so bin ich neu getauft,

       Und will hinfort nicht Romeo mehr sein.«

      Der Leser sieht uns, mich auf meinem Balkon, meinen unbekannten Romeo im Schatten verborgen, aber von mir durch einen so unbedeutenden Raum getrennt, daß mir, wenn wir die Hände ausgestreckt hätten, einander hätten berühren können. Ich brauche daher hier nur die Szene bis zu Ende abzuschreiben, und der Leser wird die weitere Inszenierung selbst übernehmen und sich die Gemütsbewegungen denken, welche sie in dem Herzen eines fünfzehnjährigen Mädchens erweckte, welches sozusagen sein doppeltes Debüt in einer berauschenden Poesie und in einer geheimnisvollen Liebe bestand. Ich werde daher die erläuternden Zwischenbemerkungen und die weitere Szene mit den Worten des großen Dichters folgen lassen.

      Ich. Wer bist du, der du, von der Nacht beschirmt, Dich drängst in meines Herzens Rat?

      Romeo. Mit Namen Weiß ich dir nicht zu sagen, wer ich bin. Mein eig'ner Name, teure Heil'ge, wird, Weil er dein Feind ist, von mir selbst gehaßt. Hätt' ich ihn schriftlich, so zerriß' ich ihn.

      Ich. Mein Ohr trank keine hundert Worte noch Von diesen Lippen, doch es kennt den Ton. Bist du nicht Romeo, ein Montague?

      Romeo. Nein, Holde; keines, wenn dir ein's mißfällt.

      Ich. Wie kamst du her? O sag' mir und warum? Die Gartenmau'r ist hoch, schwer zu erklimmen; Die Stätt' ist Tod; bedenk' nur, wer du bist! Wenn einer meiner Vettern dich hier findet!

      Romeo. Der Liebe leichte Schwingen trugen mich; Kein steinern Bollwerk kann der Liebe wehren; Und Liebe wagt, was irgend Liebe kann; D'rum hielten deine Vettern mich nicht auf.

      Ich. Wenn sie dich seh'n, sie werden dich ermorden.

      Romeo. Ach, deine Augen droh'n mir mehr Gefahr Als zwanzig ihrer Schwerter; blick' du freundlich, So bin ich gegen ihren Haß gestählt,

      Ich. Ich wollt' um alles nicht, daß sie dich säh'n.

      Romeo. Vor ihnen hüllt mich Nacht in ihren Mantel. Liebst du mich nicht, so laß sie nur mich finden,