Lady Hamilton. Alexandre Dumas. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alexandre Dumas
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754175682
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und die süßesten Liebkosungen sind für sie die der Schmeichelei. Was war ich für Miß Arabella! Ein wenig mehr als ein Kammermädchen; gleichwohl war es augenscheinlich, daß sie meine Komplimente mit ebensoviel Begierde suchte wie die des Prinzen. Die sämtlichen anderen Verrichtungen ihrer Toilette folgten mit derselben Langsamkeit und derselben Koketterie. Ohne Zweifel war es jetzt nicht das erstemal, daß die launenhafte Schöne Männerkleider anlegte.

      Als wir die Toilette beendet hatten, war die Metamorphose vollständig und man hätte darauf schwören mögen, daß man einen jungen Gentleman von sechzehn bis höchstens achtzehn Jahren vor sich hätte, während sie als Weib fünfundzwanzig zu zählen schien, ja aller Wahrscheinlichkeit nach dieses Alter und somit die erste Blüte des Lebens bereits überschritten hatte. In dem Augenblick, wo sie, indem sie mir über meine Ungeschicklichkeit in bezug auf ihr Halstuch Vorwürfe machte, dasselbe mit einer Schnelligkeit und Gewandtheit, welche große Übung verriet, um ihren Hals geschlungen und damit ihre männliche Toilette vervollständigt hatte, trat Mistreß Norton wieder ein und meldete, daß die Postpferde da seien und daß der Wagen warte. Miß Arabella warf einen letzten Blick auf sich selbst und dann auf mich. Es war augenscheinlich, daß in ihr ein eigentümlicher Kampf stattfand, von welchem ich mir keine Rechenschaft geben konnte.

      Dann neigte sie sich zu mir und flüsterte mir ins Ohr: »Du weißt wohl nicht, was ich denke?« – »Nein,« antwortete ich mit der vollkommensten Aufrichtigkeit. – »Ich denke, daß ich lieber Mann sein und dich in diesem Wagen entführen, als Weib sein und hineinsteigen möchte, selbst wenn es geschieht, um einer Einladung des Erben der Krone von England zu folgen.« Dann ergriff sie eine kleine Reitgerte, deren Griff mit einem prachtvollen Smaragd geschmückt war. »Leb' wohl,« sagte sie; »ich werde so bald wie möglich wiederkommen. Mittlerweile lasse ich dich hier als Herrin des Hauses zurück.« Und mit diesen Worten entfernte sie sich rasch, indem sie sich mit ihrer Reitgerte auf den Stiefel schlug und ihre Sporen auf dem Getäfel des Fußbodens klirren ließ. Das Fenster ging auf die Straße. Ich eilte an dasselbe, um sie noch einmal zu sehen. Leichtfertig sprang sie in die mit vier Pferden bespannte Kalesche, lichtete den Kopf empor, sah mein an der Fensterscheibe klebendes Gesicht, drückte die Hand an die Lippen und streckte sie dann nach mir aus. Die Postillone knallten mit ihren Peitschen, und der Wagen rollte im Galopp davon. Nun war ich allein in diesem lauen, von Wohlgerüchen erfüllten Zimmer, wo man unmöglich an etwas anderes denken konnte, als an Reichtum, Liebe und Wollust. Ich blieb hier eine Stunde und ließ mich von dieser entnervenden Atmosphäre durchdringen, welche Bajä für die Tugend der römischen Matronen so gefährlich machte.

      Wie weit war es von hier bis zu der milden und intelligenten Atmosphäre, welche ich in dem Hause von Leicester Square, oder zu der merkantilen und bürgerlichen, welche ich in Mr. Plowdens Kaufladen, und endlich zu der puritanischen und strengen, welche ich in dem Hause des älteren Mr. Hawarden geatmet!

      »Ich lasse dich als Herrin des Hauses zurück,« hatte Miß Arabella beim Fortgehen zu mir gesagt. Warum das? Welche Rechte hatte ich? Wodurch hatte ich mir eine solche Gunst erworben? Und dennoch, von welcher Art auch der Beweggrund sein mochte, dem ich sie verdankte, so war sie doch wirklich vorhanden. Ich bemerkte dies sehr bald an der Art und Weise, auf welche Mistreß Norton mich fragte, ob ich ihr noch irgendwelche Befehle zu erteilen hätte.

      Befehle zu erteilen! Ich, die ich bis jetzt stets Befehle empfangen hatte! Ich darf es nicht verschweigen, daß ich immer noch von dem Gefühl meiner untergeordneten Stellung durchdrungen war. Vielleicht vergaß ich zuweilen den Punkt, von welchem ich ausgegangen war; sobald ich mich aber mit mir allein befand, fühlte ich mich eher aufgelegt, das Glück für seine Gunstbezeigungen, die mich bloß emporzuheben schienen, um meinen Fall desto tiefer zu machen, zu schelten, als ihm für diese ungeahnte Erhebung zu danken, welche, wie ich instinktartig fühlte, von seiten der Vorsehung nur ein Irrtum sein konnte. Ich antwortete, wenn Mistreß Norton mir das Vergnügen machen wollte, mit mir zu Mittag zu speisen und mich dann ins Theater zu begleiten, so würde ich ihr dafür sehr dankbar sein.

      Mistreß Norton verlangte nichts Besseres, denn es war für sie ebenfalls ein hoher Genuß, ins Theater zu gehen. Sie fragte mich, welchem ich den Vorzug gäbe. Ich kannte nur eins, nämlich Drury Lane. Man gab »Macbeth«. Es war dies ein Stück, in welchem Mistreß Siddons einen ihrer größten Triumphe feierte. An diesem Abend waren die Eindrücke, die ich empfing, sehr verschieden von denen des ersten Abends. Ich durchlebte alle Phasen der Angst und des Schreckens. Jene Eigenschaften der Milde und Sanftmut, welche Mistreß Siddons in der Rolle der Julia abgingen, wurden jetzt durch die entgegengesetzten Eigenschaften ersetzt. Die Energie der Stimme, die Unbeweglichkeit ihrer Physiognomie gaben den ehrgeizigen Bestrebungen dieses Felsenherzens eine Vollkommenheit des Spiels, welche in der Szene, wo sie Macbeth zum Verbrechen treibt, ans Erhabene grenzte. Ich meine die Szene, wo sie ihren von Banquos Geist bedrohten Gatten beruhigt, und dann die, wo sie in ihrem Schlafe, mehr noch durch ihre erschütterte Macht als durch die Reue verfolgt, im Nachtgewande mit offenen, aber der Sehkraft beraubten Augen, mit hohler, klangloser Stimme kommt, um klagend das Schauspiel jener nächtlichen Schrecken zu geben, welche den Mörder verfolgen. Ich war, als ich wieder nach Hause zurückkehrte, vielleicht von noch größerer Bewunderung ergriffen, als das erstemal, dennoch aber weniger gerührt. Ich bewunderte, aber ich weinte nicht. Ich fühlte, daß ich, indem ich Macbeth gesehen, einer Kunstleistung beigewohnt hatte, während ich in »Romeo und Julia« meinen Anteil an einer Szene der Natur zu nehmen geschienen. Aufgeregt kehrte ich in meine kleine Wohnung zurück und wollte unter dem Eindruck dessen, was ich soeben gehört und gesehen, ebenso wie ich an dem Abend getan, wo Mr. Hawarden mich in das Theater geführt, das Gesehene und Gehörte zu reproduzieren versuchen.

      Ich sah aber sehr bald ein, daß weder meine Physiognomie noch meine Stimme für furchtbare Eindrücke geschaffen waren. Meine Stimme war zu sanft, meine Physiognomie zu zärtlich und zu jugendlich. Ich lachte über mich selbst, als ich sah, wie unmöglich es mir war, jene düstere Betonung und jene unwiderstehliche Versuchung nachzuahmen, welche Macbeth sagen läßt:

      ».....Bring forth men children only,

       For this undaunted mettle

       should compose Nothing but males.«

      (Bringe mir männliche Kinder zur Welt,

       denn dein unbesiegbares Herz

       darf nur Männer zeugen.)

      Wider Willen verfiel ich immer wieder in jene sanften, liebeskranken Biegungen der Stimme zurück, welche mich glauben ließen, daß ich in Julias Rolle neue und unbekannte Gefühle gefunden. Meine Physiognomie stimmte damals wunderbar mit dem harmonischen Wohllaut meiner Worte zusammen. Ich fühlte mit einem Wort, daß es mir unmöglich sein würde, irgendeinen Macbeth mit mir bis zum Throne zu erheben, welche Anstrengungen ich auch zu diesem Zwecke machte, während ich nur zu sprechen, anzublicken und zu lächeln brauchte, um den widerspenstigsten Romeo bis auf den tiefsten Grund meines Grabes hinabzulocken.

      Ich sah jetzt an meinem inneren Auge jene bezaubernde Ballszene vorübergehen, wo die beiden Liebenden, fast ohne zu sprechen, sich eines dem anderen widmen, so daß, als Romeo sich entfernt hatte, Julia, welche fühlte, daß der teure Unbekannte ihr Herz mit hinwegnimmt, ihre Amme ihm nachschickt und ausruft:

      »Geh', frage wie er heißt. Ist er vermählt,

       So ist das Grab zum Brautbett mir erwählt.«

      Ich deklamierte diese Worte, indem ich die ganze Seele und die ganze Leidenschaft hineinlegte, deren mein Herz fähig war, bis ich plötzlich im Garten am Fuße des Balkons mich nicht mit dem Namen Emma, sondern mit dem Namen Julia rufen zu hören glaubte. War es eine Verirrung meiner Einbildungskraft, eine Täuschung meiner Sinne? War ich in meinen Träumen so weit gekommen, daß sie sich gleichsam in Wirklichkeit verwandelten? Ich näherte mich leise dem Fenster, öffnete es und eine Stimme, so sanft wie ein Seufzer des Nachtwindes, rief abermals: »Julia! Julia!« Romeo war also gefunden. Romeo war am Fuße des Balkons, aber wer war er?

      11. Kapitel.

      Bei dieser Gewißheit, daß ein Unbekannter da war, hätte ich das Fenster wieder schließen, den Vorhang fallen lassen, in mein innerstes Zimmer fliehen und dasselbe verriegeln sollen. In jeder