Einmal und nie wieder. Anno Dazumal. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Anno Dazumal
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738010541
Скачать книгу
eine andere Sache, wenngleich die nur eine Nebenrolle spielt: So etwas könnte für das Opfer von Nachteil sein.“ „Und wenn schon? Der Klein wäre nicht der Erste, der nach einer Entführung umgepustet wird“, beschwichtigte Schulz. „Auch wieder wahr. So, Kunz, nachdem der Schulz unsere lieben Freunde von der Presse informiert hat, dürfen Sie mich informieren.“ „Wenn’s denn sein muß. Also, da hat uns eine total hysterische Frau angerufen, nämlich die Frau Klein, die war total aufgelöst und so.“ „Das kann ich verstehen. Wer wäre nicht völlig verzweifelt und am Boden zerstört, wenn er erfährt, daß sein Lebenspartner geraubt worden ist?“ sinnierte Meier nachdenklich. „Nein, das mit ihrem Mann hat sie erst später entdeckt und das belastet sie überhaupt nicht. Es war die kaputte Glastür, die sie in die Nähe eines Herzinfarkts gebracht hat.“ „Komisch. Es scheint, als hätten sich in diesem Land die Sitten geändert.“ „Als ob Sie das beurteilen könnten. Jedenfalls hat dann einer der Entführer angerufen und den Rest können Sie in der Zeitung nachlesen.“ „Eben nicht. Man darf sich doch als guter Polizist nicht auf die Medien verlassen“, widersprach Meier. „Immer noch eher als auf einen Polizisten“, entgegnete Kunz, ohne zu merken, daß er sich damit selbst in den Schmutz zog. „Was machen wir jetzt?“ wollte Schulz wissen. „Na ja, ein bißchen ermitteln und so Zeug halt. Bringt zwar eh nichts, aber es soll zumindest den Anschein haben, als ob wir uns der Sache annehmen“, erläuterte Meier. „Also mal wieder das Übliche: Wir gründen mit großem Tamtam eine Sonderkommision, die angeblich nur damit beschäftigt ist, die Täter zu suchen. Dann sind die Leute zufrieden und wir haben unsere Ruhe. So wie immer halt“, fügte er hinzu.

      „Der regt mich auf mit seinem Gebimmel“, bekannte Jörg, als er mal wieder von Klein gestört wurde. Also machte er sich auf den Weg zu dessen Zimmer. „Na endlich! Ich erwarte in Zukunft, daß ich nicht so lange klingeln muß“, stellte Klein klar. „Immer langsam reiten. Noch bin ich hier der Hausherr.“ „Aber ich bin hier das Opfer und ich bin viel mehr Geld wert als sie.“ „Richtig. Allerdings schweben Sie auch in viel größerer Gefahr. Was gibt es denn jetzt schon wieder?“ „Ich habe hier ein paar Briefe und die sollen Sie aufgeben.“ „Her damit! Geben Sie mir mal den Kugelschreiber da drüben, damit ich die Dinger gleich zensieren kann. Also, was haben wir denn da? Geschäftliches, das interessiert mich nicht, ein neues Testament, das interessiert mich auch nicht, da ich nicht annehme, daß Sie mich als Haupterben einsetzen werden.“ „Woher wollen Sie das wissen? Sie hätten immer noch größere Chancen als meine Frau.“ „Na immerhin. Ja was haben wir denn da? Einen Brief an Amnesty International. So haben wir aber nicht gewettet. Wieso wenden Sie sich an eine Menschenrechtsorganisation?“ „Ich habe nur meine Mitgliedschaft gekündigt. Ich habe gedacht, die würden sich um mich kümmern, wenn ich mal entführt werde. Obwohl, vielleicht wissen die noch gar nichts von meiner Entführung.“ „Das können Sie schwer vergessen. In allen Zeitungen wird bereits darüber berichtet und außerdem war es im Fernsehen auch schon zu sehen.“ „Und das stört Sie nicht? Ich meine, welcher Entführer hat schon ein Interesse, daß etwas von seiner Tat an die Presse gelangt?“ „Na ich natürlich. Ist doch toll, wenn man mal bekannt wird. Sie brauchen sich auch nicht beschweren. Schließlich stehen ja Sie im Mittelpunkt, sind sozusagen der Star.“ „Nicht schlecht. Damit kann ich mich anfreunden. Also schlage ich vor, daß ich noch ein bißchen länger bei Euch bleibe, damit ich Kultstatus erreiche.“ „Nein, Herr Klein, das würden unsere Nerven nicht mitmachen. Außerdem finde ich das ja toll, daß da alles in der Zeitung steht, weil ich dann genau weiß, was die Polizei vorhat.“ „Darauf kommt es doch gar nicht an. Nicht die Polizei ist Ihr Feind, sondern die Presse.“ „Unsinn! Die Presse ist lieb, die würde keinem Entführer was zuleide tun, weil der die Auflage steigert. Eins sag ich Ihnen: Es gibt sicher einige Schmierblätter, die sogar eine Entführung inszenieren würden, um damit Leser anzulocken.“ „Kann schon sein. Aber trotzdem verstehe ich Sie nicht.“ „Dann muß ich halt etwas lauter sprechen!“ rief Jörg. „Nein, das meinte ich nicht, mir platzt gleich das Zwerchfell. Ich verstehe nicht, warum Sie sich freuen, daß Sie in den Medien auftauchen.“ „Moment mal, soviel ich weiß, tauche ich darin noch nicht auf, das wäre schon etwas zu früh. Nein, die Presse macht vieles leichter. Angenommen wir würden verhaftet werden, was ich mir ja überhaupt nicht vorstellen kann, nachdem wir so hervorragend gearbeitet haben, dann könnten wir vor Gericht unser Leid klagen mit den vielen Schulden und eines steht fest: Danach würden uns viele Leute verstehen, denn in Deutschland gehört es anscheinend zur Pflicht, daß man Schulden hat, so daß möglicherweise auch der Richter Verständnis hätte und uns ein paar Jahre Knast ersparen würde.“ „Lächerlich, diese Vorstellung! Haben Sie eine Ahnung! Wenn Sie im Knast landen, dann kommen Sie die nächsten zehn Jahre nicht mehr raus.“ „Dazu muß es ja nicht kommen. Also, wir brauchen eigentlich nur noch das Geld und dann ist die Sache bereits erledigt. Ich habe da auch schon einen tollen Plan“, bemerkte Jörg, bevor er aufstand um zu gehen. „Bringen Sie mir bitte wenigstens ein paar Zeitungen und geben Sie die Briefe auf! Ach ja, ein Fenster hätte ich auch gern.“ „Das sind ja gleich drei Wünsche auf einmal. Frechheit, sind wir hier im Werbefernsehen, oder was? Seien Sie froh, daß Sie kein Fenster haben! So kommen Sie nicht in Versuchung zu fliehen. Ich werde mich jetzt um die Lösegeldübergabe kümmern und danach schau ich mal wieder bei Ihnen vorbei.“ „Aber daß mir Ihre Frau ja nicht das Mittagessen vergißt. Übrigens, das Frühstück war auch nicht das Wahre.“ „Na, Hauptsache es war was zu essen.“ „Da bin ich mir nicht sicher“, sagte Klein.

      „Hallo, Frau Klein. Ich bin es wieder, der nette Entführer von nebenan“, meldete sich Jörg fröhlich bei der Frau seines Opfers am Telefon. „Sind Sie wahnsinnig! Gerade haben Sie mir verraten wo Sie wohnen. Aber keine Sorge, ich habe nichts gehört. Schließlich will ich das auch gar nicht wissen“, zischte sie verärgert. „Ganz ruhig, Ihrem Mann wird nichts geschehen.“ „Das ist ja furchtbar. Wie können Sie das nur sagen? Hauen Sie ihm wenigstens ein paar über die Rübe, damit er mal merkt, was ihn Zuhause erwartet hätte.“ „Hey, jetzt bin ich mal dran! Es geht um die Lösegeldübergabe.“ „Wollen Sie nicht erst wissen, ob ich das Geld schon habe?“ „Wieso? Davon gehe ich aus.“ „Na gut, dann wird das nichts mit der Verzögerungstaktik. Ist ja auch egal. Wichtig für mich ist nur, daß Sie sich an die Bedingungen halten.“ „Schön langsam wird mir das zu blöd. Wer ist denn hier der Entführer?“ „Sie, glaube ich zumindest. Das müssen Sie doch wissen.“ „Mittlerweile bin ich mir nicht mehr ganz sicher.“ „Ihr Problem. Jedenfalls erwarte ich, daß ich, wenn ich schon soviel Geld bezahle, meinen Mann nie wieder zu Gesicht bekomme.“ „Ja, das werden wir schon irgendwie hinkriegen.“ „Falsche Grammatik. Das heißt: Den werden wir schon irgendwie hinkriegen.“ „Immer mit der Ruhe. Wer hätte denn gedacht, daß die Ehefrau des Entführten blutrünstiger ist als die Entführer?“ „Stellen Sie nicht so blöde Fragen! Was kann ich dafür, daß Ihr so Luschis seid, die nur Geld in den Händen, aber kein Blut an den Händen haben wollen.“ „Jetzt reicht’s! Ich möchte nun mit Ihnen die Lösegeldübergabe besprechen.“ „Sollte ich Sie da nicht lieber mit der Polizei oder mit der Presse verbinden? Ich glaube, die kennen sich damit besser aus. Wissen Sie, ich bin nicht so vom Fach.“ „Deshalb rede ich ja mit Ihnen. Ich hab doch auch keine Ahnung. Haben Sie denn wenigstens die Polizei mit in der Leitung?“ „Nein, eben nicht. Stellen Sie sich vor, die haben nicht mal eine Fangschaltung eingebaut.“ „Also das ist ja wirklich eine Unverschämtheit! Was erlauben sich diese Leute eigentlich? Einen Entführer dermaßen mit Nichtachtung zu strafen! Ich bin wirklich entsetzt!“ „Na ja, wenn Sie Glück haben, dann hat irgend so ein Presseheini die Leitung angezapft.“ „Der soll nicht ans Saufen denken, sondern lieber gut zuhören. Obwohl, die Presse halten wir lieber raus, das wäre mir doch ein bißchen zu ungefährlich. Kommen wir nun zur Sache!“ „Ach, war das erst das Vorspiel?“ „Hören Sie auf damit! Mir wird gleich schlecht. Sie nehmen den oder die Koffer mit dem Geld, äh, wieviel war das schnell wieder?“ „Das müssen Sie doch wissen. Also ich hab mir bei der Bank fünf Millionen Euro in kleinen Scheinen geben lassen.“ „Sie muß doch ein Affe gebissen haben! Soll ich etwa das Geld mit einem Lastwagen abholen? In kleinen Scheinen, das ist ja fürchterlich. Wie klein sind die denn?“ „Keine Ahnung, ich hab sie noch nicht gemessen. Außerdem bringe ich den Koffer nicht auf.“ „Gut für Sie, Sie könnten ja sonst etwas klauen. Aber ich warne Sie: Wenn irgend etwas an oder in dem Koffer ist, was die Polizei oder die Presse auf unsere Spur bringt,