„Aber unter welchem Vorwande?“ frug Kurt.
„Hm,“ meinte Alfred, aber doch nicht ganz mit sich einig, „ich – kann Dich ja vielleicht nur begleiten – wir haben uns hier zufällig getroffen – oder auf meine Bekanntschaft aus Ludwigsroda hin. Das geht ja doch, daß ich mich nach dem Befinden der jungen Dame erkundige – ist wenigstens sehr natürlich.“
„Das allerdings,“ lachte Kurt; „nun, auf Deine Verantwortung, denn tiefen Eindruck kannst Du auf die Dame Deines Herzens, wie mir fast scheinen will, nicht gemacht haben, oder sie würde Dich unter jeder Verkleidung selbst wieder erkannt haben.“
„Es war ja nur ein Moment, daß ich sie sah,“ entschuldigte sie Alfred, „aber wann gehen wir?“
„Wenn es Dir recht ist, diniren wir hier oben zusammen. Der alte Herr wird jedenfalls sein Nachmittagsschläfchen halten, und wir treffen ihn nachher bei seiner langen Pfeife und einer Tasse Kaffee in bester Laune.“
„Abgemacht!“ rief Alfred erfreut aus, und die beiden jungen Leute, die bis dahin unter den Bäumen auf und ab gegangen waren, traten jetzt in die Restauration.
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„Denke Dir nur, Hulda,“ rief Paula, als sie nach Hause kam und lachend auf die Schwester zueilte, „als ich vorhin /104/ mit Elsa von Bülow über die Promenade ging, redete mich ganz vertraulich ein fremder Officier an. Ich erschrak natürlich nicht schlecht, habe ihn aber auch wahrhaftig kurz genug abgefertigt.“
„Wer war es denn?“ frug Hulda neugierig.
„Ja, wie soll ich das wissen!“
„Und was wollte er?“
„Jedenfalls eine Unterhaltung mit mir anknüpfen – ich weiß nicht einmal mehr die Worte, aber wenn ich nicht irre, sagte er mir, er würde glücklich sein, meine Bekanntschaft zu machen, oder etwas Aehnliches.“
„Aber eine solche Unverschämtheit!“ rief Hulda erzürnt. „War es denn noch ein junger Mann?“
„Blutjung – er sah wie ein Cadett aus.“
„Dann war’s auch vielleicht einer,“ lachte Hulda; „aber willst Du denn nicht ablegen? Wir essen gleich.“
„Nein, ich bin nur hergekommen, um Mama zu fragen, ob sie mir erlaubt, heute Mittag bei Bülows zu essen; Elise hat mich so darum gebeten, und ich habe es ihr auch schon halb und halb zugesagt. Du solltest auch mitkommen, aber Großpapa ist immer verdrießlich, wenn wir Beide weglaufen. Wo ist Mama?“
„Ich glaube, in ihrem Zimmer – und gehst Du dann gleich?“
„Gewiß – adieu, Herz,“ und die Schwester umarmend und abküssend, eilte das junge fröhliche Kind hinaus.
Das Mittagessen war verzehrt; nachher hielt der alte Oberforstmeister in seinem Lehnstuhl gewöhnlich eine kurze Siesta, und dann trank die kleine Familie zusammen Kaffee, wobei er seine Pfeife Knaster rauchte. Er war einmal daran gewöhnt und nahm deshalb auch nur höchst selten und mit Widerwillen eine Einladung zu einem Diner an, weil er dort seine Bequemlichkeit nicht so haben konnte.
Die Kölnische Zeitung vor sich, saß er da, las bald einmal und horchte dann wieder dem freundlichen Plaudern Hulda’s, die noch immer viel von ihrer „Reise“ zu erzählen hatte, als der Bursche hereinkam und dem Oberforstmeister eine Karte brachte.
/105/ „Zwei Herren wünschen dem Herrn Oberforstmeister ihre Aufwartung zu machen,“ meldete er.
Der alte Herr nahm kopfschüttelnd die Karte – er wäre am liebsten ungestört geblieben, hatte aber kaum einen Blick darauf geworfen, als er in seinem Stuhl emporfuhr und dem Diener zurief:
„Ist das ein alter Herr, der Dir die Karte gegeben hat?“
„Nein, Herr Oberforstmeister, noch ein junger Herr.“
„Dann vielleicht der Sohn,“ rief der alte Oberforstmeister lebendig. „Herein mit ihm, herein; der darf mir nicht so lange vor der Thür stehen. Denk’ Dir, Paula,“ rief er seiner Schwiegertochter, Hulda’s Mutter, zu, „Kurt von Sternbach, erinnerst Du Dich noch auf meinen alten Freund Sternbach, der damals eine Zeit lang bei uns wohnte? Alle Wetter! Das freut mich, wieder einmal von ihm zu hören.“
Es blieb ihm keine Zeit, weiter etwas zu sagen, denn in dem Moment öffnete sich die Thür, und Kurt, dem Alfred schüchtern folgte, betrat das kleine freundliche Gemach, wo ihm der Oberforstmeister schon mit beiden ausgestreckten Händen entgegenkam.
„Sind Sie ein Sohn meines alten Kurt, des Landjägermeisters von Sternbach?“
„Der Sie durch mich tausendmal grüßen läßt, verehrter Herr.“
„Dann seien Sie mir herzlich und wieder und wieder willkommen, mein junger Freund,“ rief der Oberforstmeister, indem er ihn ohne Weiteres in die Arme nahm und ihm einen derben Kuß auf die Wange drückte. „Hier, Paula,“ rief er dabei seiner Tochter zu, „der Sohn meines liebsten und besten Freundes, den ich auf der Welt kenne, wenn wir uns auch fast ein paar Jahrzehnte nicht um einander bekümmert haben, Hulda, meine Enkelin, lieber Kurt – seien Sie mir nicht böse, daß ich Sie Kurt nenne, aber ein anderer Name will mir nicht über die Lippen. Hulda’s Schwester, Paula, lieber Kurt, ist gerade heute nicht zu Hause.“
Kurt von Sternbach wechselte die Begrüßungen.
/106/ „Mein gnädiges Fräulein,“ sagte er dabei, „ich glaube, nein, ich bin fest überzeugt, daß ich schon kürzlich in Ludwigsroda das Vergnügen hatte, Ihnen zu begegnen, mit keiner Ahnung freilich, wer Sie wären, und hier mein Freund Alfred von Bersting war, wie ich weiß, ebenfalls so glücklich, dort Ihre Bekanntschaft zu machen. Mein lieber Herr Oberforstmeister, darf ich Sie bekannt machen?“
Hulda hatte merkwürdiger Weise bei der Anrede einen dicken rothen Kopf bekommen und sich schon verlegen gegen den sie stumm, aber ehrfurchtsvoll begrüßenden jungen Officier verneigt. Der Oberforstmeister aber, dem dies vollständig entging, empfing den jungen Officier ebenfalls in seiner jovialen gemüthlichen Weise. Hulda’s Mutter beorderte gleich frischen Kaffee für die Herren, und kaum zehn Minuten später saßen Alle plaudernd und erzählend so gemüthlich um den großen runden Tisch, als ob sie seit Jahren bekannt gewesen wären und sich nicht erst seit wenigen Minuten gefunden hätten.
Und Alfred schwelgte in Seligkeit. Hulda war allerdings anfangs etwas befangen gewesen, aber das verlor sich bald wieder. Als Kurt nun sogar dem alten Waidmann in humoristischer Weise erzählte, wie und wo er seinen Freund Alfred zum ersten Mal wieder getroffen, und in welcher Art ihm dieser auf der Jagd gedient, wollte sich der alte Herr vor Lachen ausschütten, und schon dadurch war ein heiterer, ungezwungener Ton in das Ganze gekommen. Die Zeit verging ihnen auch so rasch, daß es sechs Uhr wurde, ehe sie an den Aufbruch dachten, und Alfred befand sich gerade noch in eifrigem Gespräch mit Hulda, welcher er einige von Ludwigsroda mitgebrachte Photographien gezeigt.
„Ach, da hab’ ich noch hübschere!“ rief Hulda lebhaft, „das hier sind nur Bilder von Gebäuden und Anlagen, wir haben aber einige reizende Waldlandschaften mitgebracht, die den richtigen Charakter der dortigen herrlichen Berge wiedergeben.“
Damit huschte sie zur Thür hinaus, um die Photographien zu suchen. Kurt aber, der indeß schon Abschied von dem alten Herrn genommen und ihm versprochen hatte, seinen Besuch recht bald zu wiederholen, drängte zum Abschied, und Alfred, /107/ der gern noch länger geblieben wäre, konnte dafür keine Entschuldigung finden.
Draußen, als Hulda eben in ihr eigenes Zimmer hinübereilte, kam ihr gerade Paula entgegen, die dort ihren Hut und Shawl abgelegt und in das Wohnzimmer hinüber wollte.
„Wir haben Besuch, Paula,“ rief sie der Schwester zu, „bitte, gehe hinein, ich komme gleich nach.“
„Besuch? wen?
„Den Sohn eines Jugendfreundes von Großpapa, geh’ nur hinein, er wird Dir schon gefallen.“
Als