Kleine Erzählungen und Nachgelassene Schriften 1. Gerstäcker Friedrich. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gerstäcker Friedrich
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754955482
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wenn sie nur interessante Persönlichkeiten betreffen. Doch der Anzug /83/ war auch das Wenigste, und ich weiß wahrlich nicht, wie ich Dir die wirklich ätherische Gestalt des jungen bildschönen Mädchens so schildern soll, um Dir wenigstens einen auch nur annähernden Begriff von ihren Reizen zu geben. Denke Dir ein Wesen, das, als sie am Ufer dahin schritt, kaum den Boden zu berühren schien und, als sie sich mir zuwandte, mich an jene Feen erinnerte, die früher unsere Wälder belebt und Sterbliche zuweilen mit ihrer Erscheinung beglückt haben sollen. Sie hatte hellblondes lockiges Haar.“

      „Himmelblaue Augen,“ warf Kurt ein.

      „Das schönste Himmelblau, das sich auf der Welt nur denken läßt,“ rief Alfred in wahrer Verzückung. „Ihr Teint war dabei von einer durchsichtigen Zartheit – der Mund klein und zierlich, von zwei Reihen Perlen geschmückt, zwei Grübchen in den Wangen und eins im Kinn, und das Lächeln, als sie endlich sprach – nein, Kurt, und wenn ich Methusalems Alter erreichte, ich würde das nicht vergessen.“

      Kurt lächelte. „Du bist wirklich, wie ich sehe,“ sagte er endlich, „bis über die Ohren verliebt, und in Deinem Alter läßt sich annehmen, daß diese Liebe wenigstens bis zu Weihnachten anhält.“

      „Kurt!“ rief Alfred fast außer sich, „wenn ich je wieder von dem Mädchen lasse, so –“

      „Bst,“ unterbrach ihn der ältere Freund, „keine unnöthigen Schwüre jetzt, beschreibe mir vor allen Dingen Eure romantische erste Zusammenkunft im Waldesgrün und an dem murmelnden Bach, denn ich fange doch an, Interesse daran zu nehmen.“

      „Ein Eisklumpen müßte das!“ rief Alfred erregt und halb beleidigt über die kalte Aufnahme seiner Schilderung aus, „aber wie soll ich Dir das beschreiben – ich fürchte, ich habe mich bei dieser ersten Begegnung eher etwas zu blöde und albern gezeigt, denn ich konnte mir nicht helfen, es war mir fortwährend, als ob ich einer höhern Erscheinung gegenüber stände.“

      „Läßt sich denken,“ nickte Kurt vor sich hin, „und sie hat Dich jedenfalls deshalb im Stillen ausgelacht.“

      „Glaube das nicht, Kurt,“ rief Alfred rasch, „sie war die Liebe und Güte selber, und so freundlich und nachsichtig –“

      /84/“Und wovon habt Ihr gesprochen?“

      „Gesprochen? Von was Anderem als dem rauschenden Bach, den duftenden Blüthen, den flatternden Schmetterlingen und Gottes schöner, herrlicher Welt!“

      „Und verschwand sie, wie es Feen sonst gewöhnlich thaten?“

      „Nein – ich begleitete sie nachher in’s Dorf hinunter, wo sie mit einer kranken Tante, die sie jetzt pflegt, wohnte.“

      „Und Ihr saht Euch wieder?“

      „Ach gewiß,“ rief Alfred, „noch verschiedene Male und immer an der nämlichen Stelle, denn die alte Dame war zu leidend, und ich habe sie nur ein paar Mal auf der Promenade gesehen.“

      „Und sie um ihre Einwilligung gebeten –“

      „Du spottest, Kurt,“ rief Alfred gekränkt, „aber ich gebe Dir mein Wort, daß jenes holde Frauenbild mein ganzes Herz erfüllt, und nicht allein mit grenzenloser Liebe, sondern auch maßloser Seligkeit.“

      „Alfred, Alfred!“ sagte Kurt, indem er neben dem Freunde hinschritt und leicht mit dem Kopfe schüttelte. „Du bist stets etwas leidenschaftlicher Natur gewesen, jetzt ist Alles „grenzen-“ und „maßlos“. Du übertreibst fabelhaft, und wie Du das mir gegenüber thust, so fürchte ich, behandelst Du Dich selber in der nämlichen Weise.“

      „Aber wie kann man etwas übertreiben, wenn man es genau so schildert, als man es selber fühlt?“

      „Man kann sich eben selber täuschen, und das führt dann nicht selten zu unangenehmen Konsequenzen.“

      „Kurt, wenn Du sie selber kenntest, wenn Du nur ein einzig Mal in die blauen Sterne hättest schauen dürfen...“

      Kurt lachte. „Es ist nun einmal mit Dir kein vernünftiges Wort zu reden, also führe mich zu Deiner Heldin, und ich kann mich dann viel leichter selber überzeugen, inwieweit Deine Begeisterung auch Berechtigung hat. Ich glaube, ich habe die junge Dame schon gesehen.“

      „Aber sie ist heute Morgen um drei Uhr mit der Post abgereist.“

      „Und deshalb warst Du so vergnügt?“ lachte Kurt.

      /85/ „Weil ich unmittelbar hinter ihr herreisen werde,“ erwiderte eifrig der junge Mann; „ich erfuhr ihre Abreise zu spät und konnte nicht so rasch fertig werden, sonst hätte ich sie jedenfalls begleitet.“

      „Wo wohnen sie?“

      „In Dresden.“

      „Und was für einen Rang bekleidet ihr Vater oder welchem Stande gehört er an?“

      „Ja, wie soll ich das wissen!“ rief Alfred: „glaubst Du, daß ich in ihrer Nähe an Familienverhältnisse gedacht habe?“

      „Ich war der Meinung, Du hättest dabei an nichts Anderes gedacht,“ erwiderte Kurt, „die Frage wäre jedenfalls sehr natürlich und sogar gerechtfertigt gewesen. Jetzt weißt Du nicht einmal ihre Adresse.“

      „Sie heißt Hulda.“

      „Hulda, allerdings ein hübscher Name, der etwas Duftiges hat, und wenn die junge Dame dem entsprechend aussieht, so kann ich mir Dein Entzücken wohl erklären. Also wirst Du im Adreßkalender den Namen Hulda suchen müssen.“

      „Es ist die Huldgöttin, auf die Erde herabgestiegen.“

      „Wie alt etwa?“

      „Höchstens siebzehn Jahre!“ rief Alfred begeistert.

      „Höchstens?“ lächelte Kurt. „Da trägt sie wohl noch kurze Kleidchen?“

      „Du bist ein Spötter,“ sagte Alfred halb beleidigt, „aber ich weiß, daß Du mir Abbitte thun wirst, sobald Du sie nur siehst.“

      „Lieber Alfred,“ sagte Kurt viel ernster als vorher, indem er seinen Arm in den des Freundes schob, „sieh, an Deinem guten Geschmack zweifle ich keinen Augenblick, aber willst Du von mir einmal ein vernünftiges Wort hören?“

      Alfred lächelte.

      „Es hat sich gegen Liebe die Vernunft ermannt,

      Und als Empörungsfahne Weisheit aufgesteckt.

      Die Liebe hat zum Angriff einen Hauch gesandt,

      Und die Vernunft hat zitternd das Gewehr gestreckt.“6

      „Du scheinst ziemlich bewandert in den Klassikern zu sein,“ sagte Kurt, „und ich kann Dir augenblicklich auf dieses Gebiet /86/ nicht folgen, erlaube mir deshalb in einfacher Prosa zu Dir zu reden, und der Gegenstand, den ich berühren will, ist auch prosaischer Natur, wenigstens wirst Du ihn dafür halten.“

      „Du holst weit aus.“

      „Und will mich doch sehr kurz fassen. Sagtest Du nicht, daß Du einundzwanzig Jahre alt wärest? ich glaube noch nicht einmal, denn Du siehst wenigstens viel jugendlicher aus.“

      „Ich werde im December einundzwanzig Jahre.“

      „Also zwanzig und ein halb; Hulda, wie die Himmlische heißt, ist höchstens siebzehn, wie Du selber sagst, was kann sich ein vernünftiger Mensch von einer solchen Liebe versprechen?“

      „Und weißt Du nicht, daß wahre Liebe ewig ist?“ rief Alfred begeistert aus.

      „Ewig ist ein wunderschönes Wort,“ nickte Kurt still vor sich hin, „man ist damit gleich fertig. ‚Das dauert ewig‘, sagt man im Theater, wenn der Zwischenact ein wenig zu lang ausgedehnt wird, ‚ewiger Regen‘ heißt es bei etwas nasser Witterung, ‚ewige Liebe‘, wenn sich ein junger Mensch zum ersten Mal in ein glattes Gesicht vergafft hat und seine Gefühle dann höchst unbefangen mit einem endlosen Zeitmaß mißt.“

      „Du