Wütend und frustriert über diese Situation sprang ich auf, nahm mir den nächstbesten Stock und prügle auf die Bäume ein… Nach einer Weile hatte ich mich dann wieder beruhigt und abgeregt.
„Okay, wir werden morgen weitersehen. Jetzt wische dir erstmal mit etwas Schnee den Eiter aus der Blase raus und wickle ein sauberes Tuch drum.“ riet ich Ben.
Als er viel zu zaghaft und wimmernd noch nicht einmal die Socken richtig auszog, wurde ich wieder ungeduldig. Aber es nutzte ja nichts. So kniete ich mich nieder und half ihm dabei.
„Lass deine Beine gestreckt!“
„Hör’ auf sie ständig wegzuziehen!“
„Wie sollen wir jemals fertig werden wenn du so zuckst?!“
Armer Ben, es tat ihm höllisch weh und er konnte sich nicht zusammenreißen um dem Reflex zu widerstehen. Also setzte ich mich kurzerhand mit dem Rücken zu ihm auf seine Beine, hielt das Schienenbein mit der einen Hand fest und machte mich an die Arbeit während er sich hinter mir vor Schmerzen wie ein Aal wand… Die Füße waren bald wieder sauber und umwickelt, mein Rücken zerkratzt und mit blauen Flecken übersät. Ben’s Wangen waren nass vor Tränen und rotglühend.
„Tut mir leid, Kumpel. Mensch, ich hätte nicht gedacht, dass du das so tapfer aushältst! Ehrlich.“ versuchte ich zu trösten. „Hey, du bist doch mein starker kleiner Bruder.“
Ben schniefte und nickte mir halb lächelnd zu - das heißt beim ihm so viel wie: „Ja, Danke.“ Erschöpft legte er sich hin und schlief bald ein während ich noch eine Weile an meinem Tagebuch weiter schrieb.
10. Tag
Es war mitten in der Nacht und ich hatte keine Ahnung, ob schon der neue Tag begann. Mich hatte der unruhige Schlaf von Ben aufgeweckt. Er schien zwar nicht richtig wach zu sein, aber irgendetwas stimmte mit ihm nicht. Es waren einzelne Zuckungen, dann wieder ein hin und her wälzen von einer Seite zur anderen. Seine Lippen bewegten sich zwar, aber ohne ein Wort oder einen Laut von sich zu geben. Ich dachte dass dies wieder einer seiner Alpträume war. Um sicher zu gehen, fühlte ich seine Stirn. Sie war mit Schweißperlen benetzt, aber ich spürte keine erhöhte Temperatur. Wahrscheinlich muss er wieder alte Erinnerungen verarbeiten. Das passierte immer wenn er vorher großen Stress gehabt hatte. Ich hatte ihn schon oft gefragt ob er mir nicht etwas davon aufschreiben möchte. Er konnte es aber nicht. Da ist wohl eine echte Blockade. Nur sein Schlaf löst ein wenig diese undurchdringliche Hülle auf.
„Ben. Hörst du mich? Ich bin bei dir. Du bist hier in Sicherheit, niemand kann dir mehr etwas antun. Sie sind alle längst fort…“ Ich fasste ihn sanft aber bestimmt an den Schultern. Langsam wurde er ruhiger. Morgen früh wird er sich an nichts mehr erinnern können.
-
Der neue Tag kam wunderbar sonnig über den Horizont der Hügel hervor. Der Schnee war so ziemlich überall geschmolzen. Zumindest dort wo die wärmenden Sonnenstrahlen hinkamen. Warme Frühlingsluft erfüllte die Natur. Eigentlich ein prima Tag zum Wandern!
Nur leider war erstmal Zwangspause angesagt. Die Wunde an Ben’s Füßen sah richtig hässlich und geschwollen aus. Nachdem ich das verklebte Tuch vorsichtig abgewickelt hatte konnte man das ganze Ausmaß deutlich sehen. Ich ließ die Stelle erstmal offen damit Luft dran kam.
„Nach dem Frühstück schaue ich mich um, wo ich hier in der Nähe Desinfektionsmittel her bekomme.“ versprach ich Ben.
Ich hatte Glück - am anderen Ende vom Wald fand ich einen Bauernhof. Ich beobachtete ihn erst mal eine gute Stunde bevor ich mich näher heran wagte. Durch das Fernglas hatte ich schon einiges an Verwüstung erkennen können, aber als ich im Hof stand, war es noch viel schlimmer! Mit Gewalt musste dieser Hof auf der Suche nach Lebensmitteln geplündert worden sein. Überall Einschusslöcher und geborstene Scheiben. Barrikaden waren errichtet gewesen aus allem Möglichen. Entsprechend sah es dann auch drinnen aus. Im Obergeschoss hatte es sogar gebrannt. Das konnte man aber erst von der Rückseite des Gebäudes aus erkennen. Ich hätte mir die Mühe also sparen können…
So ging ich die Zufahrt hinunter zur Straße, auf der Suche nach Schildern mit Ortsnamen und Kilometerangaben. Nach gut drei Kilometern kam ich an den nächsten Ort. Dieses Mal hatte ich mehr Glück! Erfolgreich konnte ich nachmittags dann zu Ben zurückkehren.
„Schau mal - Desinfektionsmittel für dich. Gerade mal ein Jahr abgelaufen. Haben wir ein Glück.“ rief ich ihm zu.
Gleichmäßig verteilte ich die Tinktur auf die Wunden und offenen Stellen. Danach machte ich eine Kompresse mit einem Verband drum, die ich beide aus einem Erste-Hilfe-Kasten aus einem Auto mitgenommen hatte.
„So - sieht doch ganz nett aus, oder?“ sagte ich aufmunternd.
„Morgen dasselbe noch mal und dann schauen wir ob es mit einem Pflaster und dicken Socken schon wieder geht.“
Ehrlich gesagt ging ich aber eher von einer Woche Krankenpause aus. Oder wir schaffen maximal fünf Kilometer am Tag, was sich echt nicht lohnen würde. Ben stöhnte nur entnervt. Für ihn war das den ganzen Tag nur herumsitzen einfach total ätzend.
11. Tag
Ein prima Morgen brach heute an! Klarer blauer Frühlingshimmel, dazu ein warmer Luftstrom und wieder das Gefühl, das die Natur aufbrechen will! So wie wir - eigentlich…
Nachdem ich Ben’s Verband erneuert hatte und die Wunde gut desinfiziert war, überlege ich, was ich sinnvolles erledigen könnte? Nun, am besten war es die Kleidung zu tauschen und zu waschen. Das musste auch hin und wieder mal sein. Wenn ich daran denke, dass ich früher jeden Tag geduscht hatte… Es hat lange gebraucht, bis ich mich an den natürlichen Körpergeruch gewöhnt hatte.
Trotzdem - Hygiene muss sein! So schaute ich mich bei dem geplünderten Bauernhof in der Nähe noch mal um. Trotz des ausgebrannten Wohnhauses fand ich in den Nebengebäuden alles, was man zum Kleiderwaschen benötigt: eine größere Plastikwanne, sogar Waschpulver und eine Wäscheleine. Leider stand mir kein warmes Wasser zur Verfügung. Aber das braucht man nicht unbedingt. So begab ich mich an den nächsten Bach und wusch wie in der guten alten Zeit unsere getragenen Sachen von Hand.
Nur einem Fehler darf man dabei nicht machen: das Seifenwasser einfach in den Bach wegschütten. Denn ein paar Kilometer weiter unterhalb könnte das jemandem auffallen… Somit entleerte ich die Wanne etwas weiter abseits auf der Wiese. Die Kleidungsstücke wurden im Wald zwischen den Bäumen zum Trocknen aufgehängt. Klar wäre es in der Sonne besser gewesen, aber dann könnte ich sie gleich an einen Fahnenmast hissen. Nicht die geringste Spur dürfen wir hier hinterlassen geschweige denn auffallen!
Gut gelaunt machte ich beim Mittagessen Ben den Vorschlag mal wieder zu baden. Er schüttelte sich am ganzen Körper - will sagen, dass es noch zu kalt dafür sei. Das stimmte ja auch. Ich hatte mir einmal mit kaltem Bachwasser die Haare gewaschen. Dabei hatte ich mir die Kopfhaut total verkühlt und den ganzen Tag danach Kopfschmerzen gehabt…
„Warts ab. Ich werde uns ein absolut klasse Dampfbad zaubern!“ versprach ich ein wenig prahlend.
Ben schaute ungläubig und ein wenig besorgt drein.
„Keine Sorge - ich hab auf dem Bauernhof was Interessantes entdeckt. Absolut sicher.“
Mit einen verschmitzten Grinsen ließ ich ihn zurück und begab mich an die Vorbereitungen: zunächst trieb ich einen großen Blechbottich auf - das sollte die Wanne werden. Nachdem ich ihn gereinigt hatte, wurde das Ding auf ein Untergestell aus Stahl aufgebockt. In der Scheune fand ich einen kleinen fensterlosen Nebenraum. Ideal für ein Badezimmer.
Wahrscheinlich fragst du dich, wie ich nun die Wärme erzeugen wollte und das ganz ohne verräterischen Qualm? In der Garage hatte ich zwei Heizstrahler mit noch fast vollen Gasflaschen gesehen. Damit brachte ich das Wasser in der Wanne auf Temperatur und heizte nebenbei noch den Raum mit auf. Nachdem ich die Heizstrahler unter die mit Wasser