Es wäre doch gelacht, wenn sie dem alten Herren nicht zu einem ordentlichen Schuss Lebensfreude verhelfen könnte, die er sich schon irgendwie würde leisten können.
Der erste Versuchsballon mit der Kindfrau Marja, die im letzten Jahr als Pflege Azubi ihr praktisches Jahr absolvierte, war ein durchschlagender Erfolg, was das Entspannungsbedürfnis der sexuell noch aktiven Herrschaften in der Pflegeoase anbelangte.
Als nächsten Schritt hatte sie sich vorgenommen, einen Mädels-Pool aufzubauen, der sich zu einer Goldgrube entwickeln könnte. So ein Pool passte perfekt in das neue Geschäftsmodell, welches sich Maxim zusammen mit Oliver Wolff ausgedacht hatte, seit die Coronaeinschränkungen die Kosten des Heims hochtrieben und die monatliche Überweisung an die Zentrale schrumpfte. Oliver hatte einen Kanal für die Beschaffung von jungem ‚Pflegepersonal‘ osteuropäischer Provenienz aufgetan, und seit sie genügend Nachwuchs hatte, lief das Geschäft mit dem Spezialservice prima an. Außerdem ließ er sich problemlos über das Heim hinaus erweitern. Sogar Hausbesuche waren vorstellbar, und die Mädels würden ja begleitet, wenn sie ihre Kunden abklapperten. Mit dem Heilwasser aus dem Heilbrünnlein, das nach der Legende wie ein Aphrodisiakum wirken sollte, warb die Seniorenoase schon lange, auch wenn sie bei den Patienten, die das Wirkmittel dann tatsächlich zweckgebunden benutzten, ab und zu mit kleinen Drogendosen nachhalfen.
Sie hatten erst vor fünf Jahren den Wellnessflügel zur Seniorenoase fertiggestellt, der ausschließlich der Erweiterung der erotischen Geschäftsmodelle diente. Das ging vom blauen Wohlfühlbereich und den solehaltigen Thermal-Entspannungsbädern für Senioren bis zum dahinterliegenden Neubau der rosaroten WELLNESS Oase, einem öffentlichen Edel-Puff, der auch Nicht-Heimbewohnern offenstand. Das galt natürlich für Normalzeiten, aber nicht während einer Corona Pandemie, wenn praktisch das ganze Haus je nach Inzidenzgrad des Landkreises unter Quarantäne in verschiedenen Härtestufen stand. Die WELLNESS Oase war jedoch komplett geschlossen (außer für Stammkunden, die sich separat anmelden konnten).
Nastasia wusste zu gut, dass ein unzufriedener Anführer nichts war, was man sich als gut bezahltes Mitglied der ‚Gesellschaft‘ wünschte. Und aktuell war der Boss nicht gut drauf, und vor allem nicht gut auf das Heim und die Heimleitung zu sprechen. Vitali war innerhalb der Organisation seit je her für drakonische Strafen bekannt, mit denen er seine Leute disziplinierte. Und zwar unabhängig davon, wie nahe sie ihm standen, abgesehen von einer Ausnahme, und das war wieder diese Schlampe Alina.
Und sie wollte nicht darauf wetten, dass er ihretwegen die Regeln der ‚Bratwa‘ aussetzen würde.
Sie kämpfte seit Beginn der Corona Krise damit, die monatlichen Gewinnvorgaben zu erfüllen, welche ihr kaufmännischer Partner in der Heimleitung dann entweder in Übersee Steueroasen auf die diversen Konten der ‚Bratwa‘ oder auf die Treuhandkonten der Stiftung verschob.
Die Heimleitung der Senioren- und Pflegeoase „Jungbrunnen“ hatte seit langem alle Aktivitäten des Heims auf massiven Leistungsbetrug zur Gewinnmaximierung umgestellt, die teilweise sehr deutlich außerhalb der Legalität lagen. Die Pflegefälle waren, soweit es sich irgendwie darstellen ließ, in höherpreisige Pflegegrade gegenüber dem Kriterienkatalog des Bundesgesetzes für Pflegeoase hochgestuft worden.
Bisher war es ihr und ihrem Kollegen auch nahezu perfekt gelungen, alle Überprüfungsversuche der Heimaufsicht zur Situation im Heim abzuwenden. Leider hatte es in der jüngeren Vergangenheit diverse Anzeigen gegen das Heim gegeben, und mit regelmäßiger Schönheit erschienen Presseberichte im „Odenwälder Boten“ mit Negativschlagzeilen ihr Heim betreffend, welche sie rasend machten. Und obwohl Maxim ihr versprochen hatte, den Autor dieses Geschreibsels zu stoppen, war nach dem vorletzten Artikel Mitte August, gestern schon wieder einer erschienen, der nochmal mehr auf ihrer Pflegeleistung herumhackte. Maxim musste endlich etwas tun, so ging das nicht mehr weiter.
Aufgeschreckt durch die Negativschlagzeilen der Presse hatte die Heimaufsicht aus Darmstadt vor einem halben Jahr nachgefragt und einen Inspektionstermin vereinbaren wollen. Durch Vorlage gefälschter interner Auditberichte und natürlich auch durch ein paar nette Schmiergeld Zahlungen an die richtigen Adressen waren bisher alle Versuche im Sande verlaufen. Und jetzt, in diesen herrlichen Coronazeiten hätte man sich entspannt zurücklehnen können, weil die überforderten Behörden andere Sorgen hatten.
Sollte man meinen.
Exakt in diese Zeit platzte die Fortsetzung dieser unverschämten Artikelserie, die sich vor allem auf die Aussagen der Tochter des sexhungrigen Othmar, dieser Krawallschachtel[Fußnote 7], stützte. Einige renitente Heimbewohner, die sich regelmäßig über ungenießbares Essen, kleine Portionen und den Mangel an qualifizierter Pflege ihrer so pflegebedürftigen Angehörigen beschwerten. Der Autor der Artikel, der sich Investigativjournalist schimpfte, behauptete sogar, dass man in der Einrichtung überhaupt nicht von Pflege sprechen konnte. Was dieses Personal praktizierte, das verdiente den Begriff Pflege nicht, außerdem sprachen die meisten sogenannten Pflegerinnen kaum Deutsch und rumänisch verstünden die Heimbewohner nicht.
Dafür wuchsen die Mehrausgaben zur Einhaltung der Corona Beschränkungen im Heim täglich, und in der Tat hatte die Heimleitung alle Möglichkeiten, die Ausgabenseite zu entspannen, schon ausgeschöpft. Das monatliche Pflegegeld für alle Heimbewohner lag schon so weit über dem Kostendeckungsbetrag, dass eine weitere Steigerung über die jährliche Inflationsanpassung hinaus nicht mehr durchsetzbar war. Verpflegung und Betreuung waren auf ein seniorengerechtes Minimum und darunter reduziert worden, und zur Pflege hatte man ausschließlich osteuropäisches Saisonpersonal engagiert, das weit unter dem hiesigen Mindestlohn tätig war. Doch diese Maßnahmen waren ausgereizt, und die Zahl der zahlungskräftigen Pflegeoase-Insassen schwand nicht zuletzt durch einen unvorhergesehenen Coronaausbruch im April dieses Jahres. Das hatte zwar den Umsatz des örtlichen Bestatters gesteigert, aber dem Heim mehr als finanziell geschadet.
Seit Anfang Juni waren die Einschränkungen wegen Corona Schritt für Schritt gelockert worden, und so kam der Heimleitung der potenzielle Einsatz des jüngeren weiblichen Pflegepersonals für die Entspannung der männlichen Kundschaft gerade recht und rechtzeitig.
Während das alles Nastasia Korolja durch den Kopf ging, wartete sie geduldig auf Othmars Zustimmung. Und siehe da, nach einer längeren Pause, in der er die ersehnten Wohlfühleffekte gegen mögliche Risiken und Konflikte mit seiner Tochter abgewogen hatte, war er bereit, eine Probebehandlung „Kuschelsex mit junger Haut“ gegen Cash zu buchen.
Nastasia war zufrieden und kündigte an, mal zu schauen, was sie ihm in nächster Zeit so anbieten könnte. Es gäbe da ein paar junge Damen, die sich ganz besonders liebevoll um ihn kümmern würden.
Othmar nickte erfreut, wobei ihm leichte Zweifel bezüglich seiner Leistungsfähigkeit erst in den Sinn kamen, als Nastasia Korolja schon das Zimmer verlassen hatte. Eine Stunde später hatte er seine Bedenken wieder vergessen.
Kapitel 10
Steffi Schwaiger, geboren 20.6.1986 in Erbach, ledig, flippig und selbstbewusst, Hundenärrin mit Wolfsspitz Django. Abitur in Michelstadt, Ausbildung zur kaufmännischen Angestellten im Gesundheitswesen, Sachbearbeiterin im Gesundheitsamt Michelstadt, beherrscht alle IT-Anwendungen und ihren Computer perfekt, wenig Glück mit Männern, aber unverzagte Optimistin.
Erbach, Donnerstag, 27.8.2020, 17:30 Uhr
Steffi winkte überrascht vom Balkon aus Hans und Emma zu. Sie war dabei, die Geranien in ihren Blumenkästen zu gießen, als sie die beiden in dem neu erworbenen Cabriolet vorfahren sah. Freudig bellend stürzte ihr Wolfsspitz ‚Django‘ aus dem Haus und begrüßte ebenfalls schwanzwedelnd die Ankömmlinge.
In Zeichen des Klimaschutzes war es zwar völlig uncool und out ein Cabrio mit Dieselmotor zu fahren, aber E-Cabrios gab es bei ‚Schrotti‘ nicht. Oliver Wolff, der prollige Autohändler, vertrieb