So oder so ist es Mord. Anja Gust. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Anja Gust
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753188300
Скачать книгу
Herausforderung an. Alles andere wäre lächerlich.

      „Ich will ja nicht indiskret sein, aber habe ich richtig gehört? Freifrau von …?“, fragte er jetzt mit schiefem Lächeln, ohne den Blick von der Fahrbahn zu nehmen.

      „Ganz recht“, entgegnete sie und rückte ihre Brille zurecht. „Charlotte, Clementine und so weiter Freiin von Hardenberg. Meine Familie stammt aus dem Rheinland und hat einen langen Stammbaum. Mein Rufname Katharina kommt übrigens erst an sechster Stelle.“

      „Wieso das?“

      „Weiß nicht. Ist nun mal so. Sie können aber gerne Kathi zu mir sagen. Auf die anderen Dinge lege ich keinen Wert.“

      „Aber warum so bescheiden? Als Aristokratin sind Sie doch, ich meine, bist du doch etwas Besonderes. So etwas hatten wir hier noch nie. Sind die Toilettenschüsseln zuhause tatsächlich vergoldet und die Klosettbürsten aus Straußenfedern, wie man hört?“

      ‚Blödian‘, dachte sie, ohne darauf etwas zu erwidern.

      „Wie dem auch sei.“ Alex lachte gequält. „Da kann ich mit einem Schuster als Vater und einer Hausfrau als Mutter nicht mithalten.“

      „Umso besser. Sonst kämen wir vor lauter Referenzen zu nichts anderem mehr.“

      „Wie du das sagst. Klingt irgendwie ulkig. Im Kommissariat gibt es keine Referenzen. Hier gibt es nur Ansagen, wenn du verstehst.“

      „Natürlich verstehe ich das. Warum fragen Sie mich eigentlich ständig, ob ich etwas verstehe?“

      „Tue ich das?“

      „Allerdings. Offenbar merken Sie das gar nicht.“

      „Ach, nun sei doch nicht gleich eingeschnappt. Das war nur ein Scherz. In diesem Geschäft braucht man ein dickes Fell. Das wirst du in den kommenden Wochen noch bekommen, verlass dich drauf. Gute Freunde nennen mich übrigens Alex. Klingt zwar nicht gerade aristokratisch, aber dafür ehrlich.“ Kumpelhaft streckte er ihr die Hand entgegen. Was blieb ihr, als sie zu ergreifen, obgleich sie Körperkontakte für gewöhnlich mied. „Okay Alex. Also wenn es erlaubt ist?“, sagte sie, zog die Hand aber gleich wieder zurück.

      ‚Kann ja heiter werden‘, fiel ihm spontan dazu ein, überspielte es aber mit einem bitteren Lächeln. „Tu’ mir bitte einen Gefallen, Kathi – frag‘ nie wieder, ob etwas erlaubt ist, sonst bekomme ich Komplexe … Mein Nachname lautet übrigens Knoblich und nicht Knoblauch. Ich sage das nur, weil das manche gern verwechseln.“

      „Kann ich mir denken.“

      „Nichts kannst du dir denken!“, fuhr er sie plötzlich ungewöhnlich scharf an. „Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie es ist, wegen seines Namens gefoppt zu werden. Als ob ich etwas dafür kann! Dabei waren die Knoblichs stets aufrechte Menschen. Zwar keine Adligen, dafür aber rechtschaffen und bestimmt keine Katzbuckel! Im Übrigen wird es in der Anstalt von Aristokraten nur so wimmeln. Da gibt es Fürsten und Könige. Mit ein bisschen Glück treffen wir sogar den Kaiser von China. Ist es dein erstes Praktikum im Bereich Gewaltdelikte?“

      „Ja.“

      „Dann sind deine Erwartungen sicher hoch“, bemerkte er mit hochgezogener Braue.

      „Ja.“

      „Dann wird es schwierig für mich.“ Alex schaltete runter und stoppte an einer roten Ampel.

      Seine Begleiterin rätselte, da er einerseits mit seiner Erfahrung protzte, andererseits grundlegende Dinge übersah. Von Resozialisierung schien er jedenfalls nicht viel zu halten und seinem Benehmen mangelte es an Takt. Offenbar erschöpfte sich sein Repertoire allein im ‚Sprücheklopfen‘ und zweifelhaftem Witzereißen.

      „Weiß nicht“, antwortete sie.

      „Herrgott, bist du immer so kurz angebunden?“

      „Nein … Ich meine, das kommt immer ganz auf die Sache an“, korrigierte sie sich schnell, um ihn nicht noch weiter zu verärgern. „Der Coach sollte im Fall einer Ausbildung einfach wie immer handeln. Der Praktikant wird dann schon das Beste für sich daraus extrahieren.“

      „Extra… was?“ Alex verschluckte sich und verpasste fast die Grünphase. Rasch drückte er aufs Gaspedal.

      „Ich meine … Ach, schon gut.“ Auch wenn es an seiner fachlichen Erfahrung nichts zu deuteln gab, fehlte zu einer wirklichen fruchtbaren Kommunikation oder gar Kameradschaft noch ein ganzes Stück.

      So blieb ihr nur zu hoffen, dass die nächsten Wochen möglichst schnell vergingen, ehe sie noch ernst zu nehmende Magenschmerzen bekam. „Wie oft warst du eigentlich schon bei diesem … Klienten?“, fragte sie plötzlich aus ihren Gedanken erwachend.

      „Patienten. Sag’ Patienten, das klingt besser“, korrigierte er sie sofort. „Ich bin sein Dauergast. Ehrlich gesagt, habe ich meine Besuche bei ihm nicht gezählt. Aber er hält uns mit seinen widersprüchlichen Aussagen ganz schön auf Trab.“

      „Wie soll ich das verstehen?“

      „Nun, er weiß genau, wie weit wir gehen dürfen. Manchmal macht er sich einen Spaß daraus, uns daran zu erinnern. Und wenn ihm etwas nicht passt, beschwert er sich sofort. Es ist also in jedem Fall Vorsicht geboten, besonders wenn er liebenswürdig wird.“

      „Klingt interessant.“

      „Aber auch gefährlich.“ Mahnend hob Alex den Finger. „Umgängliche Menschen sind mitunter die Listigsten. Sie bleiben unberechenbar. Hinzu kommt, dass sich unser Freund meist sehr höflich gibt und schwülstige Ausdrücke geradezu liebt. Manchmal sind diese so hochgestochen, dass man ihm kaum folgen kann. Aber ich glaube, dass er das auch gar nicht will. Wenn du mich fragst, genügt es ihm, wenn er Recht bekommt. Doch Obacht! Seine Stimmung kann schnell kippen. Dann fordert er meist eine übermäßige und völlig unangebrachte Ehrerbietung für seine Person und redet von oben herab. Spätestens dann sollte man das Gespräch beenden, nach der Devise: Du bist König, ich dein Knecht. Für den Fall eines echten Problems habe ich noch unseren kleinen Sensor in der Tasche, den ich im Bedarfsfall betätige. Dann kommen sofort die Betreuer und regeln die Sache nach ‚Hausmannsart‘.“

      „Hausmannsart?“

      „Nun, so nennt man das hier. Er wird dann ruhiggestellt.“

      „Schön umschrieben. Er ist also aggressiv.“ In der Miene von Kathi zeigte sich zu Alex‘ Überraschung nicht die geringste Regung.

      „Nur, wenn man ihn reizt. Aber das werden wir doch nicht, oder?“ Der Hauptkommissar strahlte jetzt eine große Ruhe aus, frei nach dem Motto: ‚Lass mal, ‚Babe‘, Papi wird’s schon machen‘.

      „Wie der Aktenlage zu entnehmen ist“, erwiderte Kathi, „soll er seine Frau nach einem Streit ermordet haben. Man sprach von einer regelrechten Schlachtung.“

      „Na ja, Schlachtung. Das ist eine Erfindung der Presse, um die Sache etwas anzudicken. So steigert man die Auflagenhöhe. In Wahrheit soll er sie erwürgt haben. Danach hängte er sie – wahrscheinlich aus Gründen der Verschleierung – mit einer Schlinge um den Hals ans Fensterkreuz. Allerdings gehen hier die Meinungen auseinander. Besonders sein Anwalt versuchte es mit der Suizidvariante. Es kam zu einem Indizienprozess, in dessen Folge er zu lebenslanger Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt wurde. Allerdings musste er nie in Haft, sondern kam gleich hierher, weil sein ‚Defekt‘“, Alex tippte sich an die Stirn, „wohl etwas größer als vermutet war.“

      „Sind denn jetzt neue Details bekannt geworden, die seine damalige Aussage in Zweifel ziehen könnten?“

      Der Hauptkommissar trommelte nervös mit den Fingern aufs Lenkrad und meinte beiläufig: „So in etwa könnte man das nennen.“

      Kathi sah ihn durchdringend von der Seite an. „Wieso in etwa?“

      Ihr unerwartet brüsker Ton ließ ihn stutzen. „Wie meinst du das?“

      „Na, deine Antwort lässt doch auch eine andere Option offen“,