Desiderius nickte. Er ignorierte, dass der König skeptisch wurde, und erklärte eilig: »Wenn Ihr weiterhin Kriege verhindern wollt, werdet Ihr zukünftig mehr solcher Aufträge zu vergeben haben. Aufträge, für die Ihr Assassinen anheuern müsstet, denen Ihr nicht vertrauen könnt. Aufträge, für die Ihr erfahrene Bogenschützen braucht, oder Hundeführer. Jäger, die ihr nicht unter Rittern oder Soldaten findet. Männer, die spezielle Fähigkeiten haben.«
»Männer, die im Verborgenen arbeiten«, begriff Bellzazar. Er wandte sich an den König und erklärte ihm: »Wir sprechen hier von Männern, die so einzigartig sind wie der junge M’Shier selbst. Es wäre eine Bereicherung, wenn sie für die Krone arbeiten würden, statt von ihr verfolgt zu werden.«
Der König warf kopfschüttelnd ein: »Verbrecher und Mörder werde ich nicht zu meinen Verbündeten machen.«
»Verzeiht, Eure Majestät, aber dann müsstet Ihr auch meine Dienste ablehnen«, sagte Desiderius und versuchte, sich seinen Ärger nicht anmerken zu lassen.
Bellzazar sprach auf den König ein: »Gesetzlose sind nicht unbedingt gesetzlos, weil sie gegen die Krone aufbegehren, im Gegenteil, die meisten lieben dich als König. Aber Name, Herkunft oder Äußerlichkeiten verhindern ihnen ein ehrenhaftes Leben, weil sie ausgestoßen werden. Nicht alle von ihnen sind Mörder, mein König, die meisten haben mehr Ehre als ich und Desiderius zusammen.«
»Ich versichere Euch, Majestät, dass ich jeden dieser Männer, die ich dafür vorsehe, kenne und ihnen vertraue«, versprach Desiderius.
Der König atmete einlenkend aus, wollte jedoch wissen: »Und was wäre das dann? Ein Ritterorden?«
»Nein, Ritter sind ehrenhafte Männer«, warf Desiderius ein. »Aber die Männer, die ich für Euch gewinnen kann, kämpfen nicht um die Ehre willen.«
»Genau das, was wir gut gebrauchen können«, beschloss Bellzazar.
»Ein Orden aus Meuchelmördern? Assassinen?«, fragte der König immer noch skeptisch. »Wer soll diese Personen kontrollieren?«
»Keine Assassinen, sondern nur Männer mit gewissen, fragwürdigen Fähigkeiten«, korrigierte Desiderius. »Fast wie Assassinen, aber im offenen Kampf viel effektiver.«
»Und Ihr könnt sie anführen?«, fragte der König. »Sie kontrollieren?«
Desiderius nickte, obwohl er sich nicht vollkommen sicher sein konnte. Aber er war zuversichtlich, dass die, die er für jene Aufgabe vorsah, ihm folgen würden. Alle waren einst irgendwann einmal alte und treue Gefährten von ihm gewesen. Mit manchen hatte er mehrere Jahre Seite an Seite geschlafen, gegessen und gekämpft.
»Sie würden nicht nur für Euch kämpfen und Aufträge erfüllen«, sprach Desiderius weiter auf den König ein. »Wir wären stets hier und würden auch für Eure Sicherheit sorgen.« Er warf einen Blick auf Bellzazar, als er hinzufügte: »Und wenn Ihr und Bellzazar einst diese Welt verlasst, werden wir den nächsten König beschützen.«
»Wir versuchen es«, entschied Bellzazar über den König hinweg.
König Wexmell bedachte ihn mit einem tadelnden Blick.
»Bedenke doch, wie bereichernd es wäre, einen solchen Orden zu gründen«, redete Bellzazar auf König Wexmell ein. »Diese jungen Männer würden dir allein unterstehen und verstärken zudem noch die Sicherheit in diesem Palast. Außerdem erhöhen sie deine Unantastbarkeit in den Augen der Völker. Deine Feinde würden sich vorsehen. Dieser Orden verstärkt deine Macht, Wexmell!«
Der König wandte sich ab und stellte sich an ein schmales Fenster. Er blickte grübelnd durch das getönte Buntglas hinaus in den Garten. Lange schwieg er.
Nach einer gefühlten Ewigkeit wandte er sich schließlich zu Desiderius um und beschloss mit ernster Miene: »Also gut! Aber ich verlasse mich auf Euer Wort, dass wir diesen Männern vertrauen können. Die Verantwortung liegt bei Euch, und geht etwas schief, werdet Ihr dafür zur Rechenschaft gezogen.«
»Das bedeutet, Ihr haltet den Kopf hin, wenn einer Eurer Männer Schwierigkeiten macht«, erklärte Bellzazar unnötigerweise.
Das war Desiderius bewusst und er ging das Risiko mit Freuden ein.
»Ihr werdet es nicht bereuen«, versicherte Desiderius an den König gewandt. Er musste einen erfreuten Aufschrei unterdrücken, weil er nicht glauben konnte, dass der König ihm sein Vertrauen schenkte.
»Geht«, trug der König ihm auf, »bereitet alles vor und gebt mir Informationen über diese Männer, die Ihr im Sinn habt. Ich werde unsere finanziellen Mittel überprüfen und den Sold für diese Männer ausrechnen.«
»Glaubt mir, Eure Majestät, diese Männer geben sich mit einer geringen Summe Taler zufrieden, solange sie stets ein Dach über dem Kopf, ein Bett, Wein und etwas Warmes zu essen zur freien Verfügung haben. Es handelt sich um Gesetzlose ohne Mittel, mein König, sie werden nicht einmal halb so viel verlangen, wie einer Eurer Ritter.«
Betroffen blickte der König ihn an, ihm war wohl nicht bewusst gewesen, unter welchen Umständen Mittellose leben mussten, dass Essen und ein Bett schon einen Luxus für sie darstellten. Er nickte nur noch, sagte aber nichts mehr.
Desiderius wandte sich ab und verließ das Arbeitszimmer mit einem seltsam erleichterten Gang. Alles in einem war er nun froh, bleiben zu können. Obwohl er das Leben auf der Straße vermissen würde, hatte er nun das Gefühl, einem Weg zu folgen, der für ihn bestimmt war.
Es fühlte sich gut an, eine Aufgabe zu haben.
***
Am Abend saß Desiderius an einem kleinen Tisch in seinen Gemächern und schrieb bei Kerzenschein eine Bitte an einen alten Freund auf einen kleinen Zettel, den er noch in der gleichen Nacht mit einem Botenvogel fortschicken würde.
Es würde Monate dauern, jeden einzelnen Mann, den er für den Orden vorgesehen hatte, ausfindig zu machen, zumal einige von ihnen nicht einmal lesen konnten. Desiderius musste bald wieder abreisen, um sie alle einzeln aufzusuchen. Aber erst einmal musste er herausfinden, wo sie sich gerade befanden, weshalb er Cliff, dem Bordellbesitzer an der Küste, eine Nachricht zukommen ließ. Cliff bekam mehr mit als jeder andere und er hatte bestimmt Gerüchte gehört, die Desiderius weiterhelfen konnten.
Am Nachmittag hatte Desiderius eine Liste mit Namen und Informationen über diese Männer erstellt, die er dem König und Bellzazar ausgehändigt hatte. Gemeinsam haben sie alles durchdacht und genau geplant, es stand ihm nichts mehr im Wege.
So richtig glauben konnte er es aber noch immer nicht. Er, im Dienste der Krone? Er, das Oberhaupt eines Ordens, der nur dem König unterstellt war? Er, der dem König einen feierlichen Schwur geleistet und der Krone die Treue geschworen hatte?
Vor einem Jahr hätte er laut gelacht.
Er musste sich nicht fragen, was sich oder seine Einstellung geändert hatte. Es war nicht das Angebot seines Vaters gewesen oder das offensichtliche Interesse des Königs an seiner Person. Nein, der Grund war wesentlich gefährlicher und trug blond gelocktes Haar.
Desiderius hatte sich von ihm fernhalten wollen, aber in der Nacht, als er Seite an Seite mit Bellzazar unter dem Felsvorsprung gesessen und auf den Morgen gewartet hatte, war ihm nicht nur die Idee mit dem Orden gekommen. Er hatte über den Schutz der Königsfamilie nachgedacht und was er dazu beitragen konnte, als ihm bewusstwurde, dass ihm vor allem die Sicherheit des jüngsten Prinzen wichtig war.
Und diese war durch Arerius gefährdet, der zu viel wusste und bereits mit einer öffentlichen Bekanntmachung über ihr Geheimnis gedroht hatte. Desiderius machte sich plötzlich mehr Sorgen um den jungen Prinzen als um sich selbst, das war Neuland für ihn, aber diesem Drang hatte er nicht widerstehen können.
Er würde sich von Wexmell fernhalten, aber er würde dennoch alles Mögliche tun, um ihn zu schützen. Deshalb war er hier und deshalb brachte er die besten Kämpfer, die er kannte, in diesen Palast. Selbst wenn Arerius etwas ausplaudern würde, wäre Desiderius in der Lage, den Prinzen