Final - Tanz. Jürgen Ruhr. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jürgen Ruhr
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742703828
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roten Flecken darauf, dass er zuvor Ketchup nachgefüllt hatte. In Kürze würden die Mittagsgäste den Laden füllen und Erwin sorgte dafür, dass sich in den Gefäßen genügend frische Soßen befanden.

      Lächelnd trat er um die Theke herum, nahm mich in den Arm und drückte mich fest an sich, so wie er es immer tat. Dann wieselte er wieder an seinen Arbeitsplatz zurück und schaufelte weiter Mayonnaise in den Behälter.

      „Ich habe mir einen neuen Wagen gekauft“, berichtete ich nicht ohne Stolz. Erwin, der gerade mit beiden Händen in dem Eimer nach dem Löffel suchte, der ihm entglitten war, blickte mich staunend an.

      „Einen neuen Wagen? War dein alter nicht mehr gut genug?“

      „Der Motor war kaputt und dann ist er auch noch abgebrannt“, erzählte ich ihm mein Abenteuer. „Erst ging er aus und ich schaffte es gerade noch, den Wagen auf den Gehweg zu lenken. Das war vielleicht knapp! Der ganze Motor stank furchtbar nach Benzin und ein Kabel löste sich, als ich daran zog. Ein merkwürdiges Kabel mit einer silbernen Metallkappe. Da ich nicht wusste, wo es hingehörte, habe ich es auf den Motor gelegt. Und als ich den Wagen dann anlassen wollte, fing er plötzlich an zu brennen.“

      Erwin hatte den Löffel inzwischen gefunden. Er betrachtete seine Hände und Unterarme, die voller Mayonnaise waren. Dann wischte er, so gut es ging, die Mayo von Hand und Arm zurück in den Eimer. „Das war bestimmt das Zündkabel“, meinte er sachkundig. „War da am Kabelende so ein länglicher Stecker, der nach vorne hin breiter wurde?“

      „Ja, das kann sein, jetzt da du es sagst ...“

      Erwin nickte und wischte mit der Hand einen großen Mayoklecks von der Anrichte. „Das war der Zündstecker, der gehört auf die Zündkerze. Und wenn alles nach Benzin stank, war vielleicht die Pumpe defekt. Die Benzinpumpe. Und du hast das Kabel einfach so auf den Motor gelegt und dann versucht den Wagen anzulassen?“

      „Genau, irgendetwas musste ich ja tun.“ Erwin wurde mir langsam unheimlich. Was der für ein Wissen besaß!

      „Dann hast du vermutlich durch den Stromstoß im Zündstecker deinen Wagen angezündet“, resümierte er und sah mich ernst an. „Was kann ich dir zu essen machen, Jonathan? Du bist doch nicht nur zum Quatschen hier.“

      Da sich noch keine Gäste in seinem Lokal befanden, war die Gelegenheit günstig und ich bot ihm an: „Willst du mal meinen neuen Wagen sehen? Ich habe ihn extra vor der Tür geparkt.“

      „Der gelbe da draußen?“ Erwin wischte sich die Finger erneut an der Schürze ab, doch die war mittlerweile dermaßen voll von der weißen Pampe, dass er alles nur noch verrieb. Er kam erneut um die Theke herum. „Jonathan Lärpers, natürlich möchte ich deinen neuen Wagen sehen. Wie kannst du nur fragen?“ Erwin öffnete die Tür und Spuren von Mayo blieben an dem Griff zurück. Ich folgte ihm schnell und beobachtete, wie mein Freund mit Kennerblick um das Fahrzeug herumging. „Ist das ein Kia Venga? Schön. Wirklich schön. Auch die Farbe. Ich liebe kräftige Farben und dieses Gelb, das ist so ... so ...“ Er suchte das richtige Wort und ich war gespannt, wie mein fachkundiger Freund die Farbe bezeichnen würde. „So postalisch“, stieß er schließlich triumphierend aus. „Du weißt aber wohl, dass du hier im Halteverbot stehst?“

      „Klar“, winkte ich grinsend ab. Aber um diese Zeit machen die Ordnungshüter alle Mittagspause. Wir haben nichts zu befürchten.“

      „Kann ich mich mal reinsetzen?“

      „Selbstverständlich mein Freund. Ich entriegelte die Fahrertür und hielt sie ihm auf. Erwin ließ sich seufzend hinter das Steuer fallen.

      „Es ist lange her, dass ich in solch einem Wagen gesessen habe“, grinste er dann und umfasste das Lenkrad mit beiden Händen. Gelbliche Mayonnaise verteilte sich darauf, doch die ließ sich später mit einem Lappen leicht wieder abwischen. „Schade, dass wir keine Probefahrt machen können“, gab Erwin traurig von sich. „Aber gleich kommen die Gäste und ich kann mein Geschäft ja nicht alleine lassen.“

      „Vielleicht ein andermal, Erwin. Ich habe ja selbst nicht so viel Zeit, ich muss gleich wieder ins Büro zurück.“ Geheimnisvoll fügte ich hinzu: „Ein neuer Auftrag.“

      „Und essen musst du ja auch noch etwas“, merkte mein Freund richtig an und quälte sich mühsam zurück auf die Straße. Seine Schürze blieb an der Innenseite der Tür hängen und ein lustiges Muster aus Mayonnaise verteilte sich darauf. Aber auch das ließ sich abwischen. Erwins fachliche Meinung war mir - ehrlich gesagt - wichtiger.

      „Weißt du, Jonathan. So ein Wagen“, er tätschelte den Kotflügel und auch hier blieben Mayoflecken zurück, „hat noch etwas archaisches. Schlicht und einfach, wenn du weißt, was ich meine. Nicht so hochgezüchtet und voller Technik wie mein R 190.“

      „Du fährst einen Renault?“, staunte ich.

      Erwin lachte: „Nein, nein. Mercedes AMG Roadster R 190. Aber du glaubst nicht, was da an verwirrender Technik drinsteckt. Da kannste nicht mal selbst mehr die Lampen wechseln ...“

      Ich wusste gar nicht, dass Erwin solch einen Wagen fuhr, doch mir blieb jetzt keine Zeit, darüber nachzudenken. Mein Freund schob mich zurück in den Imbiss.

      „Also, was darf ich dir zaubern? Weißt du was?“

      „Nein, was?“

      „Zur Feier des Tages geht die Mayonnaise auf mich. Warte, ich mache dir ein Spezialmenü, das der Situation angemessen ist. Geh schon mal an den Tisch dort hinten, ich werde dich bedienen. Ein Bier dazu?“

      „Lieber eine Cola, ich muss ja noch fahren.“ Hochzufrieden stellte ich mich mit der kleinen Flasche an den Stehtisch. Erwin wusste seine Gäste zu verwöhnen und ich war gespannt, was er mir diesmal auftischen würde.

      Mehrere Männer in orangefarbenen Overalls betraten den Imbiss und berieten sich lautstark, was sie bestellen sollten, als Erwin eine hochgefüllte Pappschale vor mich hinstellte. Ich konnte nicht erkennen, was sich darin befand, denn ein riesiger Berg an Mayonnaise verhüllte alles. Erwin grinste: „Mein neuestes Rezept: Curryhähnchenflügel. So etwas Leckeres hast du bestimmt noch nie gegessen! Guten Appetit, lieber Jonathan.“

      „Die Gabel, Erwin. Da fehlt noch die Gabel.“ Er hatte mir lediglich eine Serviette hingelegt und wollte sich schon seinen anderen Gästen zuwenden.

      Erwin wandte sich lächelnd um und schüttelte den Kopf: „Jonathan! Wo bleibt der Gourmet in dir? Hähnchen isst man mit den Fingern, auch in der Öffentlichkeit. Ich dachte, du weißt das.“

      Vorsichtig schob ich die Mayonnaise zur Seite, wobei ein Teil auf den Tisch schwappte, und fand darunter eine Schicht matschiger Pommes Frites, die in roter Soße schwammen. Als ich weiter suchte, entdeckte ich schließlich am Boden der Schale zwei Hähnchenflügel. Ich musste Erwin recht geben: Das war einmal etwas anderes, als die profane Currywurst.

      Ich knabberte gerade an dem zweiten Flügel, als einer der Arbeiter seinen Kumpel anstieß und grinste: „Schau mal, Hannes, da wird gerade wieder einer abgeschleppt.“ Die Männer lachten böse und mir rutschte das Herz in die Hose. Rasch wischte ich meine Hände an der Serviette ab und eilte zur Tür.

      „Jonathan, du musst noch bezahlen!“, rief Erwin hinter mir her, doch ich hatte jetzt anderes im Sinn. Fluchend blickte ich dem Abschleppwagen mit dem postgelben Auto auf der Ladefläche hinterher.

      Das Taxi hielt genau vor der Eingangstür zu dem Gebäude im Gewerbegebiet Güdderath, in dem sich Bernd Heisters Detektei ‚Argus‘ befand. Das Gebäude befand sich zwei Straßen von dem Krav Maga Studio entfernt und Bernd hatte es vor einigen Jahren günstig kaufen können, als eine Firma, die irgendwelche Dokumente digitalisierte, Konkurs anmelden musste. Jetzt befanden sich hier die Büros von Christine, Birgit und mir. Eine gute Lösung, denn zum Krav Maga Studio war es nicht weit, so dass man auch zu Fuß gehen konnte. Außerdem gab es hier einen Schulungsraum, den wir mittlerweile unseren ‚Planungsraum‘ nannten und in dem wir alle wichtigen Meetings abhielten.

      Bernd kam mir schon an der Türe entgegen und sah mich fragend an: „Mit dem Taxi, Jonathan? Ist