Wir leben nicht von dem, was wir essen, sondern von dem, was wir verdauen, was wir assimilieren. Diese Erkenntnis ist sehr fortschrittlich, aber ich muss sie noch wesentlich ergänzen. Unsere Lebensfunktionen sind so lange intakt, gesund, als wir den Überfluss an Nahrung glatt auszustoßen vermögen; und so kann man sagen: wir leben eigentlich nur eine Zeitlang gesund, nicht weil wir gut verdauen, sondern weil wir Überflüssiges gut ausscheiden.
Das Reformlager hat diese Grundirrtümer auch noch nicht abgestreift; die vegetabilischen Eiweiß-Präparate haben nur die anorganischen der Medizin abgelöst.
Ich füge hier noch ein Wort bei zum Aus- und Inwendiglernen.
Die Hauptklippe, der wunde Punkt beim Fasten und bei der Heildiät ist die Tatsache, dass es Leute gibt, die durch Nichtessen oder durch Obstdiät kränker, schwächer werden, sogar daran sterben können, während bei vielen, besonders bei relativ Gesunden das Gegenteil der Fall ist. Bis jetzt sagte man im ersten Falle, schon kurzes Fasten oder Obst schwächt, genügt nicht, Obst wird schwerer als Kulturnahrung verdaut. Diese Tatsache ist nicht zu leugnen, aber ihre Erklärung ist falsch und irreführend. Die Schwäche tritt nicht durch das Obst ein, sondern durch die vorhandenen Schleimgifte der Kranken, die durch die Obstsäfte oder durch Fasten zu rasch gelöst, ins Blut mitgerissen werden und als Rückvergiftung die Schwäche erzeugen.
Es muss der Reinigungsprozess verlangsamt werden durch schleimarme Übergangskost, eventuell auch durch kleinere Kulturleckerbissen.
Aber man soll daraus nicht wieder den Schluss ziehen, Kulturnahrung sei für solche Individuen nahrhafter, leichter verdaulich als Produkte der Küche und Köchinnen.
Ist ein Individuum durch lebenslängliche „Eiweißfütterung“, durch Abstammung von einem Trinker oder aus einem sonstigen Grund erblich so verseucht, dass die Wissenschaft von Krebs, Tuberkulose usw. spricht, so geht er am Hebungsprozess seines eitrigen Schleimes auch bei diesem natürlichsten Heilen zu Grunde, niemals aber an Fasten oder Obstdiät.
Hier muss es dem individuellen Geschmack und der Selbstverantwortung des Einzelnen überlassen werden, entweder durch Weiterstopfen langsam zu ersticken oder mit einem letzten Versuch auf gut Glück das Ungewisse zu wagen. Auch für den medizierenden Arzt gibt es Unheilbare. Sonst läge Krankheit überhaupt nicht im Spielraum des Göttlichen. Ein vollkommen regenerierter Organismus stößt jede zeitweilig als Ausnahme zugeführte Kulturnahrung (Luxus- oder Gelegenheitsgelüste, niemals aber Nährbedürfnis) als völlig unverwertbar wieder aus, was die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Naturdiät erst recht beweist.
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