Автор: | Jess Pedrielli |
Издательство: | Bookwire |
Серия: | |
Жанр произведения: | Языкознание |
Год издания: | 0 |
isbn: | 9783847612537 |
sehr steinig sein, aber was die Krisen unterwegs deinem Wesen wiederum an Wachstum bringen, wirst du in vollem Ausmaß spätestens dann begreifen, wenn du die menschliche Perspektive aufgegeben hast.“ Das Krokodil fuhr sich mit der flachen Pranke am Hals entlang. Oder zumindest an jenem Teil, den es noch am ehesten für seinen Hals hielt. Es war mit seiner Anatomie offenbar nicht so recht vertraut. Um sicherzugehen, dass Mingus ihn verstanden hatte, ließ es sich mit einem Röcheln zu Boden fallen, bäumte sich kurz theatralisch auf und blieb dann totenstill liegen. Mingus besah sich das Spektakel mit stoischem Blick. „Schon klar, wir kapieren beim Krepieren“, sagte er. Das Krokodil kicherte. „Treffender hätte ich es selbst nicht formulieren können. Vielleicht sollten wir die Rollen tauschen?“ Mingus gab keine Antwort. Die Welt und das Leben in ihr schienen ein erstrebenswerter Ort zu sein, wenn man sie mit den Augen des Krokodils betrachtete. Er mochte das. Nachdenklich saß er auf seinem Stein. Er begriff, was ihm das Krokodil zu sagen versuchte. Es waren nicht allein die Worte, die zu ihm vordrangen. Es gab in den Worten etwas, das in seinem Inneren auf einen Widerhall traf. Es war nichts Neues, sondern etwas sehr Altes, das das Gesagte in ihm wachrief. Die Worte des Krokodils drangen ungehindert in seine Seele ein und keinerlei Widerstand hielt sie auf ihrem Weg dorthin auf. Im Gegenteil, sein Inneres hob sich ihnen wie von selbst entgegen, empfing sie wie etwas Vertrautes. Er hatte den Eindruck, er könne plötzlich tiefer und freier atmen als je zuvor. Als hätte jemand einen verklebten Teil seiner Lungen aufgestochen. Er wusste es noch nicht, doch eben dieses spezielle Gefühl würde ihn sein Leben lang begleiten und ihm als emotionaler Detektor dabei helfen, Wahrheit von Täuschung, inklusive Selbsttäuschung, unterscheiden zu lernen. Er sann darüber nach, was wohl sein eigenes, einzigartiges Talent sein konnte? Doch er fand keine Antwort. „Ich glaube, ich bin noch zu klein, um zu wissen, was meine Begabungen sind“, seufzte er auf. Das Krokodil legte den Kopf in den Nacken und lachte schallend. Was war daran so witzig?, dachte Mingus irritiert. „Es ist ungemein witzig", beantwortete sein Besucher Mingus` unausgesprochene Frage, der sich ihm verdutzt zugewandt hatte. Das Krokodil winkte lässig ab. „Natürlich kenne ich deine Gedanken. Wie sollte ich nicht? Ich bin schließlich selbst Teil davon. Du träumst mich doch, hm?! Und um auf die Frage nach deiner ganz persönlichen, besonderen Begabung zurückzukommen – ist die nicht offensichtlich?" Mit amüsiertem Blick machte das Krokodil eine ausladende Bewegung in den leeren Raum hinein. Mingus runzelte die Stirn. „Hm, doch nicht so schlau wie ich dachte", sagte das Krokodil und setzte sich auf. „Deine Neugier aufs Leben ist dein Motor! Du willst wissen, wie seine Gesetzmäßigkeiten funktionieren“, rief es und schlug die Pranken zusammen, als hätte es der Welt größten Trottel vor sich. Fragend sah Mingus zu ihm auf. „Das soll mein höchstes Potenzial sein? Und was soll ich damit bitte in der Welt anfangen? Das ist doch keine Begabung. Und erst recht kein Beruf?!“ Das Krokodil verdrehte die Augen. „Es ist viel mehr als das. Es ist eine Berufung. Was du damit in der Welt anfangen wirst, liegt ganz bei dir.“ „Hm.“ Mingus` Begeisterung hielt sich in Grenzen. Er zog die Nase kraus. Es klang nicht so, als ob man damit viel Geld verdienen würde. Dabei mochte er Geld sehr. Nicht primär, um es zu besitzen oder Dinge damit zu kaufen, sondern weil er verstanden hatte, dass Geldhaben echte Freiheit bedeutete. Man konnte damit die Sachen erleben, die man gern erleben wollte. Er hatte allerdings auch beobachtet, dass es Leute gab, die nicht ihr Geld besaßen, sondern das Geld besaß sie. Sie hatten ihre Träume aufgegeben und lebten nur noch dafür, ihren Besitz zu behalten und zu vermehren. Das war natürlich nicht so frei und musste um jeden Preis vermieden werden, hatte MIngus für sich entschieden. „So ist das Leben auch gemeint - genieße seine Schönheiten, aber verkaufe nicht deine Seele dafür", kommentierte das Krokodil erneut Mingus` stille Gedanken. „Mach dir keine Sorgen, dass du kein Geld haben wirst, wenn du deiner Berufung folgst. Das Problem existiert in Wahrheit nur in deinem Kopf. Wenn du kein Geld hast, dann weil du die Dynamik dahinter noch nicht richtig verstanden hast und bis dahin mag es Phasen geben, in denen du dich vom Geldfluss abgeschnitten fühlst. Oder du hast gerade andere Prioritäten im Leben, die du verfolgst. Du kannst immer haben, was du brauchst. Und so viel davon, wie du zu empfangen bereit bist. Das Leben folgt seiner eigenen Weisheit und will für dich sorgen, wenn du es lässt. Im Gegenzug gibst du ihm dafür, das Beste von dir zurück, was du zu bieten hast.“ „Und dieses Beste in mir, was zum Teufel soll das sein?“, hakte Mingus ungeduldig nach. Das Krokodil gab einen leisen Seufzer von sich. „Herrje, findest du gar nichts Außergewöhnliches daran, in einem Traum auf ein Krokodil zu treffen und dabei ein in sich logisches Gespräch zu führen?! Statt von chaotischen, abgebrochenen Traumfetzen zu träumen, die völlig zusammenhangslos erscheinen und sich wahllos aneinanderreihen, wie gewöhnliche Träume eben häufig so ablaufen? Und dies alles in vollem Bewusstsein darüber, dass du eigentlich gerade schläfst und dich in deinem eigenen Traum befindest?“ Das Krokodil starrte ihn herausfordernd an. „Ich habe zwar nichts anderes von dir erwartet, aber hast du nicht auch den Verdacht, dass mit dir etwas Fundamentales nicht stimmt? An deiner Stelle ginge ich mal zum Neurologen!" „Im Ernst, bin ich etwa krank?“, fragte Mingus erschrocken. „Borderline-wahnsinnig befürchte ich“, lachte das Reptil und amüsierte sich köstlich. Dann wurde es ernst. „Nein, natürlich nicht. Du bist nur nicht normal, was auch immer das heißen mag. Also pass auf, wenn du in der Lage bist, dein Bewusstsein im Traum so stark aufrecht zu erhalten, wie du es gerade tust, sodass du den Traum nicht mehr unbewusst, sondern bewusst erschaffst, ist das ein ganz entscheidender Unterschied! Es ist ein Übergang zu einer neuen Bewusstseinsstufe." Es warf ihm einen vielsagenden Blick zu. „Es bedeutet, dass du fähig bist, die Schleier zwischen den Welten zu teilen. Damit stehst du auf der Schwelle zwischen beiden Welten: der sichtbaren und der unsichtbaren, derjenigen der Körper und Formen und derjenigen aus Energie und Gedanken. Du bist in der Lage, diesen Vorhang zwischen den verschiedenen Daseinsebenen zu lüften, der ansonsten die eine Ebene vor der anderen verbirgt. Diese Fähigkeit zu besitzen bedeutet, dass das Bewusstsein eine bestimmte innere Barriere überwunden hat. Es begibt sich auf die Suche nach der nächsten Stufe. Diesen Zustand nennt man l u z i d e oder auch erwachten Zustand beziehungsweise den ´zweiten Zustand`.“ „Ich bin wach, obwohl ich schlafe?“, forschte Mingus nach. Das Krokodil nickte. „Dein Bewusstsein ist nun nicht mehr länger nur auf der ersten Ebene, der des Wachzustands im physischen Leben, sondern auch im Schlaf voll aktiv und ´wach`. Das heißt, dein Bewusstsein ist sich seiner selbst auch auf der Ebene des Schlafes bewusst darüber, dass es sich in einer Schlafphase befindet. Es driftet nicht ab ins Unbewusste. Das ist ein Durchbruch und eine Erweiterung deines Lebens um eine zusätzliche Dimension, mein Lieber. Definitiv ein Schritt in ein größeres, umfassenderes Leben. Dein Bewusstsein operiert nun auf zwei und nicht mehr nur auf einer Ebene. Verstehst du das?“, fragte das Krokodil mit durchdringendem Blick. „Mhm“, murmelte Mingus unbehaglich. Der Traum verkomplizierte die Dinge zunehmend. Kein Geld, dafür Schleier und zusätzliche Wachebenen. Großartig, exakt was er sich zum Geburtstag gewünscht hatte, grummelte er ungnädig. Das hatte er mit Sicherheit nicht bestellt! Entwurf hin oder her. „Wer sagte, es würde einfach? Ich habe dich gewarnt.“ Das Krokodil verschränkte die Pranken hinter dem Kopf und schloss für einen Moment entspannt seine Glupschaugen. Für Mingus stand jetzt endgültig fest, dass Gedanken in diesem, wie auch immer genannten Zustand, so transparent waren wie weiße Kleider nach einem Regenguss. Er fügte sich in sein Schicksal, in mentaler Nacktheit vor dem Krokodil zu sitzen. Immerhin erhielt er im Austausch dafür ganz erstaunliche Erklärungen auf dringlichste Fragen. Das Krokodil beendete seine Entspannungsübung und öffnete wieder die Augen. „Gut, kommen wir zu einem weiteren Geheimnis des Lebens. Damit du deine Lektion über den luziden Zustand und deine besondere Begabung besser verstehen kannst. Versuche dich zu erinnern“, bat es. „Ich weiß, es ist nicht leicht, aber du hast es selbst so früh für dich geplant. Ich erfülle dir nur deinen Wunsch." „Dabei siehst du gar nicht aus wie Aladin?! Kein Turban, keine Wunderlampe und ich bezweifle auch, dass du in eine hineinpassen würdest. Hast du das falsche Kostüm erwischt oder was war los?“, spottete Mingus. Das Krokodil grunzte gutmütig, ging jedoch nicht weiter darauf ein. „Nun denn! Jede Lebensform hat zwei Körper. Im Grunde steckt mehr dahinter als nur das, aber belassen wir es fürs Erste bei dieser vereinfachten Unterteilung in einen sichtbaren Körper aus Materie und einen unsichtbaren Körper aus Energie. Der unsichtbare Körper ist ein feinstoffliches Energiefeld und das optische Abbild des sichtbaren, materiellen Körpers – sozusagen die durchsichtigere Variante davon. Da Materie nichts anderes ist als Energie in verdichteter Form, hinkt diese Unterscheidung etwas, weil letzten Endes somit auch der materielle