Rentadep. Jens Otto Holländer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jens Otto Holländer
Издательство: Bookwire
Серия: Jo Volland
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742743282
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drauf stand in geschwungener roter Schrift:

      Sie wollen:

      …jemand der Ihnen im Haushalt hilft.

      …nur Sie betreut.

      …ein Führungszeugnis vorlegt.

      …sie in ihrem Wagen chauffiert.

      …garantiert frei von ansteckenden Krankheiten ist.

      …auf Wunsch bei Ihnen wohnt.

      …keinen Kündigungsschutz hat.

      Sie bieten:

      …einen freien Tag pro Woche.

      … kein Einsatz in gewerblicher Tätigkeit.

      …Fürsorge, die sexuelle Kontakte ausschließt.

      Rufen Sie noch heute an. Unsere Hotline verbindet Sie mit der nächsten Rentadep Niederlassung. Phone: 07110/ 60606060-1

      mail: [email protected]

      Sylvia schaute von der Broschüre hoch, sah Dieter an, winkte mit ihrem zügig geleerten Glas und fragte:

      „Sollen wir?“

      Tote

      Nachdem die Mutter drei Tage nichts von Ihrer Tochter gehört hatte, nervte sie den Hausmeister so lange, bis er bereit war, ihr die Wohnung im Stuttgarter Westen, zu öffnen. Auf dem Tisch voller leerer Bierdosen, Zeitschriften und einem Teller mit Resten von Reis, lag eine E-Zigarette, oder etwas, das so aussah.

      Karin, die Tochter der besorgten Mutter, lag tot auf dem Bett im Zimmer neben an. Es waren keine Spuren von Gewalt an Ihr zu erkennen. Die weinende Mutter und die eiligst dazu gerufene Polizei standen betroffen herum. Karin war 42 Jahre alt. Sie hatte ein hartes Leben hinter sich. Trotzdem fiel auf, dass sie eher aussah wie 60.

       .

      Markus, stolze 1,94 groß, einst gutaussehend, mit Lachfalten und blonden Haaren, lag zusammengesunken, halb sitzend, halb liegend in einer öffentlichen Toilette in Bremen Gröpeling. Er sah aus wie 65, obwohl er zum Zeitpunkt seines Todes erst 40 Jahre alt war. Es gab keine Spuren von Gewalt oder Drogeneinwirkung. Er war seit 2 Stunden tot, wie der Gerichtsmediziner feststellte. Außer Geldbörse, Schlüssel und E-Zigarette hatte er nichts bei sich.

       .

      Margot wurde, in der Nähe von Frankfurt, am Ufer des Mains liegend, leblos aufgefunden. Es gab keine Spuren eines Verbrechens. Da sie schon um die 70 Jahre alt schien, dachte man zuerst an Herzversagen. Umso erstaunter war man, dass sie laut Ausweis erst 37 Jahre alt war. Ein findiger Kripobeamter erkannte in der Habe der Toten, die E-Zigarette, als Euphorin Verdampfer, der Firma Rentadep, die diese ihren Programmteilnehmern zur Verfügung stellten, damit diese dreimal täglich ihre Dosis Euphorin inhalieren konnten. Die Rücksprache mit Rentadep ergab, dass Margot seit 15 Jahren am Programm von Rentadep teilnahm. Auf eigenen Wunsch war ihre Dosis zum letzten Mal vor 17 Tagen erhöht worden. Sie hatte heute ihren freien Tag gehabt.

      In Bremen und Stuttgart kam man schließlich auch auf Rentadep. Dort erfuhr man, dass sowohl Markus, als auch Karin schon seit über einem Jahr nicht mehr am Programm teilnahmen, da sie das Programm erfolgreich beendet hatten. Gemäß den vertraglichen Vereinbarungen erhielten beide einmal wöchentlich einen neuen Tank mit Euphorin für ihren Verdampfer.

      Manny

      Mönchengladbach und Rheydt sind zwei nebeneinander liegende mittelgroße Städte. Sie wurden schon so oft zusammengelegt und wieder getrennt, dass nur erfahrene Historiker durchblicken. Klumpfuß Göring, der sich, gemäß seiner Lehre, eigentlich selber als minderwertig hätte aussortieren müssen, war ein Sohn der Stadt Rheydt gewesen, worauf gewisse Leute bis heute stolz sind. Errare human est. Das Ergebnis sind nun zwei verkehrsberuhigte Fußgängerzonen, zwei Zentren, Bahnhöfe usw. Und zwei Drogenszenen. Alter Markt in Gladbach und Marktplatz Rheydt. Was die Drogenszene angeht, so ist die von Rheydt größer und liegt am Marktplatz, schöner, neben einer Kirche. Der dort zuständige Priester machte aus der Not eine Tugend, indem er einem der dort täglich sitzenden, älteren Junkies Besen, Schaufel, Eimer usw. bereitstellte, damit der morgens den Platz säuberte, Glasscherben, Dreck, ab und an eine Spritze, einsammelte, wegkehrte, einfach sauber hielt. Der Betreffende bekam dafür etwas zu seinem Unterhalt beigesteuert und er hatte die Achtung von den meisten der anderen, die auch lieber einen aufgeräumten Platz hatten, als im Müll und Dreck zu ersticken. Dort bekam man von morgens um sechs bis abends um acht, im Sommerhalbjahr auch länger, Heroin und anderes. Da Holland um die Ecke liegt, erhält man ein Gramm Heroingemisch für 30 EU$. Allerdings ist die Qualität des Zeugs mehr schlecht als recht. Eine Drogenszene ist der ideale Ort, um Nachrichten zu verbreiten. Hier sitzen den ganzen Tag Dealer, Kunden, Substituierte, denen langweilig ist und sonstige Abhängige oder Menschen bei einem Bier und tratschen oder sitzen nur herum, trinken, tun nichts oder beides. An Orten wie diesem wurde viel über Euphorin „gefachsimpelt“. Bezeichnenderweise von Menschen, die es gar nicht nahmen. Die meisten Argumente gegen Euphorin wurden von Leuten vorgebracht, die es gar nicht kannten. Das ist ja oft so. Als die E-Zigarette als Tabakersatzmittel ihre Verbreitung fand, kamen die größten Widerstände nicht von Nichtrauchern, die sich vom Dampf gestört fühlten, sondern von Rauchern, die laut, mit einer Zigarette in Hand oder Mund, darüber wetterten, wie schädlich das Dampfen wäre. So sind die Menschen und Menschen auf Drogenszenen unterscheiden sich in diesem Punkt nicht von anderen. Wenn Manny mal auf die Schnelle etwas brauchte, deckte er sich am Marktplatz ein. Heroin nahm er nicht mehr oft, aber kiffen tat er doch ganz gerne. Er war seit einigen Wochen, im Grunde ständig über die Frage am Grübeln, ob er umsteigen sollte oder nicht. Zwei Wochen nach dem er den Verdampfer in der Apotheke abgegeben hatte, rief er Sabine an.

      Sie trafen sich in der Altstadt von Möchengladbach bei ein paar Gläsern Altbier und waren sich sichtlich sympathisch. Es hatte eindeutig gefunkt und so war es nur logisch, dass eine angeheiterte, verliebte Sabine einem ebenfalls angesäuselten Manny, in ihrer Altbauwohnung, aus den Klamotten half. Sie liebten sich stürmisch und lagen dann erschöpft und glücklich rauchend im Bett.

      Um kurz nach elf abends leuchtete der Verdampfer und gab grünes Licht. Sabine inhalierte zweimal tief und hielt Manny den Verdampfer hin, so dass er das letzte Drittel ihrer Nachtdosis bekam.

      „Ist das eine Rentadep Methode Neukunden zu werben?“ fragte Manny scherzhaft und bekam als Belohnung einen derben Stoß in die Seite.

      „Du Schuft. Ist das eine Methode Dankbarkeit zu zeigen?“

      Von den Hormonen und dem Euphorin beseelt, schmusten die beiden im dunklen Zimmer. Sabine hatte etliche uralte CDs. Simply Red lief leise im Hintergrund.

      „Wie bist Du zu Rentadep gekommen? Wie lange arbeitest du schon für die?“

      „Bist du neugierig auf meine Lebensgeschichte? das dauert.“. Als keine Antwort kam erzählte sie weiter.

      „Ich bin Vollwaise. Mit 17 abgerutscht. Hatte eine unglückliche Liebe und fing an zu trinken. Erst heimlich, Flachmänner immer in der Tasche. Das wurde immer schlimmer. Ich ging entgiften und wurde direkt wieder rückfällig. Nach der zweiten Entgiftung sollte das anders laufen, dachte ich. Trotzdem kaufte ich direkt vor der Klinik am Kiosk einen Jägermeister. Nur einen. Zum Aufhören. Mit Drogen hatte ich keinen Kontakt. Ich stürzte direkt wieder ab, schlimmer als je zuvor. Ich schaffte locker zwei große Flaschen Wodka, Bier gar nicht gezählt. Therapie wollte ich jedoch nicht. Dann lernte ich eine Frau kennen und die gab mir meinen ersten Euphorin Schnief. So wie du eben von mir. Ich war so gut drauf, hatte keinerlei Verlangen angetörnt. Dann machte in Rheydt der Rentadep Laden auf, hinterm Marktplatz, wo es jetzt zu McDonald geht. Kennst du doch. Da bin ich dann zum Beratungsgespräch und die haben mir gesagt, sie seien für suchtkranke Opiat Abhängige da. Aber es hätte sich auch gezeigt, dass Alkoholismus mit Euphorin durchaus zu bekämpfen wäre. Ich bettelte förmlich darum, ins Programm aufgenommen zu werden."

      „Sag mal, willst du sagen, du