Charlotte hatte Heroin probiert, davon wurde ihr übel, Oxycodon, lange beliebt bei Süchtigen mit Geld, war schon besser. Aber der ultimative Hochbringer, absolut zuverlässig und gut dosierbar, war Euphorin. Willensstark wie sie war, begnügte sie sich mit einer kleinen Dosis, alle zwei, drei Wochen, doch wenn sie dann ihre Dosis sprayte, dann fiel sie in ein tiefes warmes Bad voller befriedigenden Emotionen. Wenn Koks ein Gefühl von Stärke, Schnelligkeit, Lust und der Gier auf Mehr, ein flüchtiger Betrug war, dann glich Euphorin dem Om… Oder kurz: Kokain war der schnelle Schwindel, Euphorin gelassene Wahrheit. Alles was der Tag aus dem Gleichgewicht gebracht hatte, alles was innerlich zwickte oder gar schmerzte, jetzt war es vorbei. Alle Puzzlestücke wurden magisch an ihren bestimmten Ort verschoben. Sie war stets erstaunte Zeugin einer scheinbaren inneren Gesundung. Einer Art seelischer Regeneration. Und das einzige was Konsumenten dabei tun mussten, war es zuzulassen.
Und das tat sie, seit über 7 Jahren. Genaugenommen seit 2685 Tagen. Da Charlotte ihre gelegentliche Schwäche mit Unternehmerischen Geist verband, bestand nun der zweite Teil ihrer Firma High Society, aus High Heels, einem hochpreisigen Escort Service. Dieser bot Begleitservice und mehr an, im hochpreisigen Niveau. Die angestellten Modelle waren gebildet, kultiviert, sexy und fast alle voll auf Euphorin. Sie bekamen einen Anstellungsvertrag, High Heels zahlte die Freistellungsbeträge und nun scheffelten sie Geld für Charlotte und sich selbst. Die Frauen warfen sich in die Waagschale, Charlotte ihre guten Verbindungen und noch nie, kam eine der High Heels Angestellten auf den abwegigen Gedanken zu kündigen. Die Mädchen liebten Charlotte und sie hatten großen Respekt vor ihr, denn sie konnte sehr energisch auftreten, wenn sie etwas durchsetzen wollte. Es war eine win win Situation aus dem Lehrbuch. Es gab nur einen, der mit diesem Arrangement nicht zufrieden war.
Rentadep.
Und es gab nur einen Menschen, der sie hasste,
Gregor Kowalski.
Manny
Manny war 34, schlank, hageres Gesicht, aber stark. Er schien nur aus Sehnen, Flechsen und Muskeln zu bestehen. Und er war seit 18 Jahren Heroinabhängig. Grüne Augen blitzten aus einem hageren Gesicht, Seit einigen Jahren war er im Methadon Programm. Seine eigentliche Leidenschaft galt den Benzos. Benzodiazepine, Beruhigungs- oder auch Schlafmittel, berühmtester Vertreter Valium mit seinem Wirkstoff Diazepam. Er hatte vier verschiedene Ärzte, die ihm das Zeug verschrieben.
Aber er war trotzdem unzufrieden mit seinem Leben und überlegte was er ändern könnte. Mittlerweile gab es seiner Meinung nach an jeder Ecke einen Laden von Rentadep. Auf der Szene in Rheydt und Mönchengladbach wurde viel über Rentadep und Euphorin geredet. Wie so oft fachsimpelten Menschen über etwas, dass sie selbst gar nicht kannten, geschweige denn nahmen. Es gab eine deutliche Trennung zwischen den gewöhnlichen Methadon/Polamidon Patienten und den Euphorin Empfängern, „Substies“ genannt. Die Euphorin Substies waren verpönt und galten als noch abhängiger. Streng genommen war das Quatsch, denn abhängig war abhängig, aber das sah man nicht so eng.
Die Substies hielten sich kaum noch auf der öffentlichen Szene auf, denn sie hatten tatsächlich viel weniger Beikonsum, als Substituierte mit den herkömmlichen Substanzen und sie waren, das musste man einfach anerkennen, in der Regel besser in die Gesellschaft integriert, dadurch dass sie gezwungen wurden tätig zu sein und sich von Rentadep für irgendetwas nicht gewerbliches vermitteln zu lassen. Den Rentadep Substituierten haftete daher das unverdiente Prädikat der Hochnäsigkeit an. Edelsubsties, wurde sarkastisch gesagt oder noch härter gehirngewaschene Fremdgesteuerte. Eigentlich sollte es so sein, dass Menschen, die ein Suchtproblem haben, mehr Verständnis für andere in gleicher Lage, haben sollten, doch dem war nicht so. Oft sind solcher Art belastete, unbarmherzig in der Beurteilung ihrer Leidensgenossen. Aber nicht immer. Es gibt immer Ausnahmen. Und eine solche Ausnahme war Sabine, die Leiterin der Beratungsstelle von Rentadep in Rheydt.
Manny hatte sich nie für das Rentadep Programm erwärmen können, das es nun schon 17 Jahre gab. Die ersten waren schon „in Rente“. Doch mit 35 Jahren hatte man die Altersgrenze erreicht, die für Neuaufnahmen galt und so war Manny nach etlichem Hin und Her Überlegen vor drei Wochen in eine Beratungsstelle in der Rheydter Straße gegangen.
Innen sah es aus, wie in jeder Beratungsstelle. Ein Wartezimmer, Toilette, drei oder vier Büros mit Beratern. Er wurde in ein Büro gebeten und nahm neben dem Schreibtisch, hinter dem Sabine, eine Rentadep Beraterin saß.
Sie lächelte ihn freundlich an.
„Hallo, ich bin Sabine, bin seit 14 Jahren dabei, nehme selbst Euphorin, was kann ich für Dich tun?“
„Hallo. Ich heiße Manny. Bin seit vielen Jahren drupp. Pillen und Schore(Heroin), das heißt ich bekomme seit paar Jahren Methadon. Ich überlege, ob ich nicht doch noch wechseln soll, bevor es zu spät ist.
Aber erstens bin ich gegenüber dem neuen Zeug misstrauisch und dann stößt mich die Zwangsarbeit ab.“
„OK. Vielleicht erzähle ich dir erst einmal etwas über Rentadep und dann kannst du in Ruhe weiter überlegen. Vielleicht hast du dann mehr Informationen, die dir eine Entscheidung leichter machen. Egal für was.-
Vor zwanzig Jahren kam eine Gruppe von fünf Freunden auf die Idee, die in ihren Augen mangelhafte Substitutionsmethode zu revolutionieren. Sie waren der Ansicht, dass erstens Methadon/Polamidon nur einen schlechten Ersatz für Heroin darstellen, was sich an dem massiven Beikonsum von allen möglichen Drogen, Substanzen und Alkohol, zeigt, den fast alle Substituierten haben und den starken Nebenwirkungen, die diese Mittel haben und zweitens wollten sie den Substituierten einen besseren sozialen Status in der Gesellschaft verschaffen. Raus aus der Ecke der nur ungern geduldeten. Dazu wurde dann Euphorin entwickelt, damit die Abhängigen wirklich einen echten Ersatz für Heroin haben, ohne große Nebenwirkungen und mit dem Kick, den viele von uns brauchen und zweitens durch die Vermittlung in Familien, oder auch zu Einzelpersonen, wollten sie den Substituierten eine Lebensgelegenheit bieten, in der sie bestätigt werden, sich auf Wunsch fortbilden können und nach Ablauf der vereinbarten Zeit zwei Prämien erhalten, um Altersarmut vorzubeugen. Diese Prämien werden nicht auf den Bezug von Sozialleistungen angerechnet.
Hast Du das verstanden? Gibt es Fragen?“
„Bist du mit Euphorin zufrieden?“
„In jedem Fall Manny, ich weiß, dass es blöde klingt, aber ich war vom ersten Moment an von Euphorin begeistert. Ich habe übelst gesoffen und kam da nicht von los und dann nahm ich Euphorin und es gelang mir. Ich bin seit 16 Jahren so gut wie trocken und ich bin vom krankhaften Trinken vollständig weg.“
„Was sind die Nachteile von Euphorin?“
„Hmmm. Wenn man aufhören will geht das nur im Krankenhaus. Ein ambulanter Entzug, mal so eben, ist nicht drin. Vielleicht die Tatsache, dass man kein anderes Opiat mehr will. Aber ist das ein Nachteil?“
„Wenn ich jetzt umsteigen wollte, wie würde das gehen?“
„Du müsstest hier zu einem unserer Ärzte zum Checkup. Dann wird ein Tag festgelegt. 24 Stunden nach der letzten Methadon Dosis bekommst du deine erste Dosis.“
„ Wie geht das? zeig mal.“
„Jeder Substie bekommt so ein Teil. Sieht aus wie eine E-Zigarette. Darauf ist der Kolben mit dem Euphorin Gas, zu Flüssigkeit komprimiert. Dreimal am Tag leuchtet ein grüner Punkt auf. Dann hast du 15 Minuten Zeit dir das Röhrchen in die Nase zu stecken, wie einen Nasenspray und tief zu inhalieren. Drei, viermal dann kommt nichts mehr. Dann dauert es acht Stunden bis zum nächsten.“
„ Schade dass man es nicht testen kann, denn ich bin unsicher.“
„Kein Problem. Du machst den Checkup, dein Arzt wird informiert und dann kannst du fünf Tage lang Euphorin probieren. Darf ich