Die Stadt des Kaisers. Alfred Stabel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alfred Stabel
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742781260
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sein, der erste Sonntag nach der verlorenen Schlacht am Kahlenberg. Die Türken hatten morgens ein großes Loch in die Schottenbastei gesprengt. Aufs Minieren verstanden sie sich und diesmal kam zum Geschick auch Glück. Ziegel und Erde rutschten gerade so in den Graben, dass sie eine formidable Rampe zur Bresche bildeten. Viermal warfen wir die Janitscharen zurück. Gegen Abend durchbrachen sie unsere Barrikade aus Holzbohlen und spanischen Reitern und pflanzten eine rote Fahne auf die Mauer. Zu diesem Zeitpunkt hatten viele die Stadt bereits verloren geglaubt. Doch in einem letzten verzweifelten Anlauf vertrieben wir sie und verschlossen die Lücke mit Sandsäcken und Steinen. In diesem heroischen Gefecht ist Euer werter Bruder draufgegangen." Es war eine knappe Darstellung, die vieles aussparte. Den Kampflärm, diese infernalische Mischung aus Geschützdonner, Gewehrfeuer, Wut- und Schmerzgeschrei, die gellende Musik der Janitscharenkapellen, die während des Gefechts spielten, das Glockengeläute, das wiederum den Verteidigern Mut machen sollte und natürlich die Angst, die ihnen anhaftete wie das schweißnasse Hemd.

      "Dank Euch! sagte Busbeque. "Mein Bruder schrieb uns von Euch mit den besten Worten.“

      „War ein feiner und mutiger Kerl und eine Zierde unseres Regiments.“ Verlegen brach Breitenbrunn ab, weil dem jungen Mann die Tränen in die Augen schossen. „Dank Euch nochmals, Herr Obrist! Ich werde Eure Worte an meine Eltern weitergeben.“

      „Tut das, Leutnant, und drückt mein tiefstes Bedauern aus, weil jedes Wort wahr ist.“

      Busbeque füllte die Gläser und sie tranken sich zu. Nach einer respektvollen Pause sagte Busbeque: "Der Lothringer hat die Schlacht verloren und der Starhemberg danach nicht kapituliert. Wäre es vom Herrn Obrist zu viel verlangt, wenn er, der an allem Teil hatte, uns einen wahrhaften Bericht über die Ereignisse in Wien von Juli bis August gibt?"

      Breitenbrunn begann zu erzählen. Zunächst auf das Wesentliche beschränkt und ohne die eigene Person in den Vordergrund zu stellen. Auf den Tisch kamen getrüffelte Pasteten, Omeletten aus Wachteleiern, geschmorte Ente mit Wurzelgemüse und Tartüffel, Schinken, Würste, Käse, als Nachspeise ein Apfelstrudel und dazu ein spritziger Weißer aus der Wachau. Breitenbrunns Zunge löste sich. Seine Schilderungen der wahren Geschehnisse gerieten immer anschaulicher, der Obrist Breitenbrunn kam immer öfter vor und der Kreis der Zuhörer wuchs, bis schließlich der ganze Gasthof seiner Kommandostimme lauschte. Dass er nun vor allem über sich sprach, schien den Zuhörern besonders zu gefallen. Nachdem er vom gescheiterten Versuch, gemeinsam mit der Liebsten und dem besten Freund der Gefangenschaft zu entgehen, erzählt hatte - „Herrjeh, er verblutete in meinen Armen" – schloss ihm eine ältere Dame weinend in die Arme. "Mein armer tapferer Junge, was Ihr alles habt erleiden müssen!" Nun war die Geschichte vom Fall Wiens aus seiner Sicht mit der erlittenen schweren Verletzung zu Ende erzählt. Dass ihn sein Bruder nach zwanzig Jahren wieder erkannt und gerettet hatte, war sicher eine tolle Geschichte, aber nichts für die Ohren der Zuhörer.

      "Ihre Aufmerksamkeit war sehr schmeichelhaft, aber ich geh jetzt ins Kloster schlafen." "Nein, mein tapferer Herr" rief die Alte, "ich bitte Euch, erzählt uns noch wie Ihr den schrecklichen Türken entkommen seid!" "Ja, erzählt, erzählt" wurde gerufen und die zwei halbwüchsigen Enkeltöchter der Alten schmiegten sich an ihn wie junge Kätzchen. "Erzähl der Herr Offizier, oder wir werden auf ewig unglücklich sein!"

      Geschmeichelt setzte sich Breitenbrunn wieder. Auch die Umstände seiner Flucht waren nichts für fremde Ohren, aber zur Erheiterung der guten Leute ließ sich ein Schwank wie ein Schrank zusammen zimmern. Er nahm einen tiefen Schluck aus dem Weinglas. "Also meinetwegen. Ich war Gefangener vom Ali Pascha, einem finsteren Obertürken aus den asiatischen Steppen.“ Eine Geschichte erzählte sich wie von selbst, sobald ein guter Anfang gemacht war. „Für drei Beutel Gold hatte mich der Pascha den grimmigen Soldaten Tökölys, die mich wie ein Schwein gestochen hatten, abgekauft, sein Leibarzt meine Wunden zusammengeflickt. Anfangs bekam ich gutes Essen und Ali erkundigte sich häufig nach mir. Als ihm zu Ohren kam, dass der Kaiser keine Gefangenen auslösen würde, geriet er in Zorn. „Was mache ich jetzt mit dem Unnützen?“ fragte er seine Berater. "Die Kuh hat mich drei Beutel Gold gekostet und jetzt gibt sie keine Milch!" „Verkauf ihn als Sklaven, Herr“ schlug einer vor, „damit dein Verlust nicht so hoch ist!“ „Erziehe ihn zum wahren Glauben!“ ein anderer. "So soll es sein" entschied Ali. "Die Liste meiner Sünden ist lang. Ein gottesfürchtiges Werk tut Not. Gelobt sei Allah, der Herrscher der Welt, er soll Muselmann werden, für mein teures Geld" Und weil gelacht wurde, dichtete Breitenbrunn weiter: "Bei Muhammed, dem Propheten, er soll lernen das Beten. Darum studiere er fleißig fortan, die dreitausend Suren des Koran!"

      "Und habt Ihr sie studiert" fragte kichernd eine Dame. "Mitnichten! Ich weigerte mich, so dass ich keinen Reis mehr bekam und hungern musste. Am vierten Tag erschien der Imam mit zwei riesigen Kerlen und einem Dolmetsch. ´Lerne täglich einen Absatz aus dem heiligen Buch, oder die Pforten der Hölle werden sich vor dir auftun!´ Ich versprach es. Der Imam begann mit der ersten Sure. Immer wieder sprach er sie mir vor. Ich sprach sie ihm willig nach, aber wenn er mich aufforderte, das Gehörte am Ende wiederzugeben, blieb ich stumm. Schließlich gab er auf. ´Ali Pascha, das Gehirn eines Giauren ist zu klein, um die Worte unsres Propheten zu erfassen!`“ „Was ist ein Giaur?“ wollten die Zuhörer wissen. „Ein Ungläubiger. Der Pascha verdonnerte mich zum Schafe hüten. Mit gefesselten Füßen hoppelte ich hinter den Schafen und Lämmern her, hielt sie zusammen, lernte aus den Zitzen der Muttertiere trinken und spürte meine Kraft zurückkommen. Dem Pascha gelüstete es, mich zu demütigen. Wenn er Gäste bewirtete, wurde ich zum Singen geholt. Die brachen in schallendes Gelächter aus, oder hielten sich die Ohren zu, weil ihr Geschmack in der Musik nicht dem unsren gleicht, was Ali wohl wusste, aber leugnete. Zur Strafe für mein schlechtes Singen erhielt ich kein Essen und keine Decke für die Nacht. Ich war die sechste Woche bei ihm, als er mich in sein Zelt rufen ließ. Bei ihm saßen der Dolmetsch und ein junges Weib." An dieser Stelle kamen Breitenbrunn Bedenken wegen der jungen Zuhörerinnen. Er fühlte mit beiden Händen in das Fleisch der beiden Mädchen, die frech seine Sitznachbarn weg gedrängt hatten, um nah bei ihm zu sitzen. Sie fühlten sich beinahe erwachsen an und kicherten, anstatt von ihm wegzurücken. "Ein schönes Weib war das“ fuhr er fort. „Unter dem dünnen seidenen Kleid schimmerte ein pechschwarzer biegsamer Körper. ´Dies ist Asballa, meine neue jungfräuliche Sklavin`, ließ mir Ali sagen. ´Ihr Schoß verheißt die Wonnen des Paradieses. Jedoch verhindern meine Leibesfülle` - Ali war rund wie ein Fass - ´und ein Nachlassen der Steifigkeit, dass ich ihr Löchlein öffne. Deshalb befehle ich dir, es für mich zu tun!´ ´Sehr gerne, verehrter Pascha` antwortete ich und warf mich dankbar vor ihm auf den Boden. ´Zu früh gefreut´ grinste Ali. ´Ich werde mit heruntergelassenen Hosen über dir stehen und dich anpissen, wenn du nach getaner Arbeit nicht sogleich von ihr runter steigst! Perforieren sollst du sie, nicht ficken!`

      Fieberhaft sann ich nach, wie ich auf meine Rechnung kommen konnte, ohne nass zu werden. Ich behauptete, sie nicht durchbohren zu können, ohne sie angefasst zu haben und verlangte nach einer Decke gegen meine Scham. Ali bedeutete sein Einverständnis und die Decke wurde über uns gelegt. Auch durfte ich ihre Brüste anfassen, was nebenbei gesagt, gar nicht nötig gewesen wäre. Auf Asballa wäre auch der Heilige Hieronymus spitz geworden. Mühelos drang ich in sie, Asballa stöhnte auf und ich schrie ´Es will mir nicht gelingen, es will mir nicht gelingen!` und bearbeitete sie mit sanften Stößen. Was weiter geschah, liegt auf der Hand."

      "Angepisst wurdet Ihr!" riefen die Zuhörer vergnügt.

      "Weil es Ali zu lange dauerte, zog er die Decke weg und dann rauschte es im Zelt wie am Wasserfall. ´Niemals so gut gepisst` sagte Ali und lachte bis ihm die Luft wegblieb. Hernach wurde mir ein eiserner Ring mit einer Kette um den Hals gelegt. ´Fortan lebst du als Schwein! Wenn ein Muselmann vorbeikommt, musste du auf allen Vieren laufen und grunzen!` Ahmed, mein Aufpasser, schlug mich mehrmals am Tag mit dem Stock. Den Reis bekam ich in einem Fressnapf, trinken musste ich aus dem Pferdeeimer. Meine Lage dauerte den Dolmetsch. ´Es ist nicht recht, wie sie dich behandeln. Gerne würde ich dir helfen, wenn ich nur wüsste wie!` `Du kannst mir helfen, guter Mann`, antwortete ich. ´Lehre mich in deiner Sprache den Satz ´Ahmed, schließ sofort die Ketten auf!`. Den Satz übte ich hunderte Male mit des Paschas quäkender Stimme. Es konnte klappen, denn Ahmed war dumm wie Bohnenstroh. Am Abend kam er mit einem Krug Schnaps ins Zelt. ´Hehehe!` lachte er beim Trinken, ´hehe!` und spielte