ein schiefes Lächeln über die Worte, die gesprochen wurden, über die
Papiere und Aufzeichnungen. Für Sekunden, auf dem Treppenabsatz,
in der Kantine, überzog ein Verlangen wie Ameisen die Haut,
sich fallen zu lassen, in einen Moment hinein, der nicht verlischt.
Es ist die kleine Kapsel Ewigkeit, die man schlucken möchte in gewissen
Augenblicken, die nicht schön sein müssen – nur anwesend sein,
als starke Wahrnehmung, als ein Sein, tiefes Sein, so spricht es aus
dem Herzen, einem verwandelten Herzen, als reine Poesie.
Wem dies zu viel Gefühl ist, der mag unbeteiligt bleiben, für die anderen aber
schreibt die Poetin noch, ebenso aus der Zeit gefallen, wie der zerlegte Nussbaum
im Garten.
Inmitten der Handgriffe – Töne, die wecken und Fragen stellen, auf die
keine Antworten folgen. Jemand sagt, und ich kenne ihn recht gut, dass es unsinnig sei,
zu fragen, wenn es keine Erklärungen gibt. Weise ist er, wie ein alter Schuster,
denn ich will keine Antworten. Solch ein Stück Gescheitheit, mit gelben Rändern
und einem faserigen Mund aus Exaktheit. Lasst die Fragen
sich lieber aus Holzkisten und Transistoren befreien – unsere verschmitzte Sturheit
und von mir aus das Geplapper. Seitdem ich keine Antworten mehr kenne,
denke ich mehr als je zuvor.
In einem Garten trug ich die Schleppen der Mädchen, das sind die Augenblicke,
die wiederkommen, immer bin ich in einem Garten, wie Eva, immer in Versuchung,
den Löwen zu befreien, hochmütig und mit einer Prise Arsen im Schoß.
Doch manchmal ist mir einsam, und die Poetin schwitzt in ihren prächtigen
Zimmern, denn sie ist reich, ja was denkt ihr denn? Sie hat Kleider, das Gesicht eines
blauen Engels und thront auf ihren Versen und Gedanken. Sie ist die Königin
des ungeschriebenen Gedichts, die Päpstin aller verloren gegangenen Romane,
und sie rollt das r wie eine Spanierin. Und schön ist sie, wie ein eingefallenes Dach.
Aber genug von ihr und ihrem geflochtenen Haar. Wollt ihr sie kennenlernen, dann
müsst ihr eure Augen schließen.
Abspaltung
Die Irreführung des Gehirns geschah schon gegen Mittag.
Eine Realität wie eine Betäubung kannte die Enttäuschungen und Fehlgeburten,
kannte auch den Halbschlaf nach der Gewalt – kannte uns.
Am Nachmittag zeigten sich erstmals die fremden Zonen, eine Bewölkung
trat ein, darauf ein Dunst, und es verschwanden die fühlbaren Dinge,
deine Hand und selbst dein unverwüstlicher Verstand. War etwas
zum Vorschein gekommen, eine dritte Person, an Hälsen würgend?
Als Verwundete blieb ich zurück, noch Körper, noch in einer Wahrnehmung,
unwirklich war das Ausmaß mit knapper Luft,
und
ein Wille war da, nicht ganz wegzutreiben von der Körperfülle
und den zähen Füßen. Aber was nützt es, zu halten, was nicht mehr zum
Menschen gehören will?
Nicht länger ein geräuschloses Ertragen und die schäbige Demut, irgendwie.
Es kann eine Auslöschung sein, die erfolgt ist, ein ganzer Mensch leuchtete
kurz und verglühte, weil die Anstrengung nur noch ein Zerreißen mit sich
brachte und die Verschleuderung des eigenen Körpers. Ja, ein Augenblick
war es nur, als die Trennlinie durchbrochen wurde, an der man schon lange stand,
während die Bisse tiefer wurden.
Wenn eine Beschreibung erfolgen könnte, wie es abseits
der Klarheit aussieht, von einer Verzerrung erschüttert, die nicht einmal
der Schmerz kennt – dann wären da Splitter und Gekritzel!
Splitter und Gekritzel wären da bald, und ein armer Junge mit
feuchten Tüchern um den Hals und empfindlichen Ohren.
Ein tobsüchtiger Wahn ist es nur, wie man ihn kennt,
sobald es zu viele Tote gibt und nur Räderwerk bleibt, sagt ein Mensch,
der ungerührt schauen kann. Diese Furchtlosigkeit sollte erhalten bleiben,
voll an Welt, einem starken Schädel ähnlich – doch zu kalt.
Sich das Leben zu erhalten ist eine Weisheit, wenn nicht das Hirn sich
verschleißt, beharrlich vor den Menschen fliehend.
Hoher Ton
Eine altbekannte Stimmung lärmt hinterdrein. Man möchte sie einmal zurücklassen
und ihren üblen Geruch in den verwahrlosten Baracken ablegen. Doch sie
schwillt auf Rosenblättern an und ist treu, wie eine Hündin. Keine Verbitterung.
Nicht solche Wörter. Nicht weiter beschrieben die frevelhaften Taten und Träume
voller Unglück.
Hier bittet ein Mensch, nicht Abschied nehmen zu müssen von den Stauden und Nelken,
vom Tag, an dem noch manches zu bewundern ist, seine Farben und sein Schimmer.
Wie er existiert, ungebrochen das Meer bescheinend, taugt er als Möglichkeit,
sich weiter zu erhalten, die Früchte zu kosten, das alles in naher Zukunft,
im Frühling, wo ein weiteres Jahr die Bäume belebt.
Ward geboren, neugeboren, weil noch immer etwas auf den Tischen liegt,
für die Kranken und Stummen. Ist auch das ein Klagelied? Ein Jammern
über das verwelkte Veilchen? Ist auch das ein Traum, sich zu erheben und
die Trauervögel zu verscheuchen? Ich lebe, anschwellend auf das eine Blatt hoffend,
schweigsam, wie eine heisere Sängerin, wie eine herabgefallene Kirsche,
und doch erfüllt von der Maßlosigkeit des frühen Morgens und zutiefst entschlossen,
an die verzweifelten Trennungen nicht mehr zu denken; ausgedehnt, glühend
höre ich einen bestimmten Wellenschlag, dann ein Rauschen: Es sind die Töne,
die mich binden, an eine grundlose Freude, an eine Zeit voll
stürmischer Zeichen, sich einzulassen auf die unvollkommenen Gedanken und
immerfort den Flüchen zu begegnen, verjüngt als Mitfühlende und beständig
vor den Trugbildern fliehend.
Anbrechende Zeit einer neuen Schönheit, ich habe geschafft, dass von mir
etwas übrig blieb, trotz der Bedrohungen überall,