Csárdás im Schlosshotel. Cornelia Rückriegel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Cornelia Rückriegel
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742704603
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Und mit schon fast andächtigen Staunen stellten sie fest, dass sie die gleichen Namen trugen: Ferenc und Erzsébet.

      Umdenken

      Levente stand am Fenster und schaute in die Nacht hinaus, sah auf die Lichter der schillernden Metropole. Über zwei Millionen Menschen lebten hier. Ein funkelndes Lichtermeer zeugte von ihrer Existenz. Doch er nahm den Lichtertraum nicht wirklich wahr. „Du willst mir jetzt wirklich sagen, dass all das, was du, was wir, in deine Ausbildung gesteckt haben, wofür vor allem du gekämpft hast, dass das alles perdü ist? Das willst du mir sagen? Ist das dein Ernst?“ Ferenc wand sich unbehaglich. Er hatte sich vor dem Gespräch mit seinem Vater gefürchtet. Wirklich und wahrhaftig gefürchtet. Aber es musste sein. Das Verhältnis zu seinem Vater war eigentlich relativ gut. Es war nicht immer so harmonisch, wie es sich der sensible Ferenc gewünscht hätte.

      Sein Vater war die leibhaftig gewordene Vorstellung des Self-made-man. Er stammte aus recht kleinen Verhältnissen, aber durch Fleiß, Zielstrebigkeit und harte Arbeit hatte er sich als einer der bekanntesten Architekten des Landes etablieren können. Es hatte seine Eltern manchen Verzicht gekostet den Sohn auf das Gymnasium zu schicken. Sie lebten ein einfaches Leben. Aber Levente stach schon in der Grundschule durch hervorragende Leistungen hervor, so dass der Dorfschullehrer persönlich bei seinen Eltern vorstellig wurde, um ihnen den Gedanken näher zu bringen, dem Sohn eine akademische Ausbildung angedeihen zu lassen. Leventes Eltern waren schier überwältigt. „Ihr Sohn ist ein heller Kopf“, hatte der Lehrer gesagt. „Es wäre eine Sünde, ihn hier in eine Lehre als Schuhmacher oder Bäcker zu schicken. Der Junge ist intelligent und wissbegierig. Versuchen Sie doch, ihm eine weiterführende Schulausbildung möglich zu machen.“ Und der Lehrer hatte auch gleich ein paar handfeste Vorschläge parat. So ermöglichte er dem jungen Levente den Besuch des Gymnasiums. Niemals hätten sich die kleinbäuerlichen Eltern erträumt, dass ihr Junge einmal das Gymnasium besuchen würde. Allein das Geld, das die Unterbringung im Wochentagsinternat, dem Kollegium, kostete, verlangte ihnen Mühen ab. Aber sie nahmen sie gern auf sich. Wenn das alles dazu dienen würde, ihrem Jungen eine bessere Zukunft zu ermöglichen - sei´s drum. Levente dankte es ihnen mit eifrigem Lernen und einem sehenswerten Abschluss, er machte sein Abitur mit Bestnoten. Schon auf dem Gymnasium fiel sein mathematisches Talent auf. Alles, was sich irgendwie berechnen und in Formeln pressen ließ, war seine Welt.

      Die zufällige Begegnung mit einem angehenden Architekten war zukunftsweisend. „Es gibt doch nichts Schöneres, als Häuser zu entwerfen. Du lernst die Menschen kennen, du erspürst, was sie für Vorstellungen haben, und dann planst du ihren Traum, lässt ihn durch deine Arbeit Wirklichkeit werden. Das ist doch phantastisch!“ Levente hatte gerade das Abitur in der Tasche. Dass er studieren würde stand fest. Die Fachrichtung war noch nicht so wirklich festgelegt.

      Angeregt durch die Begeisterung des Freundes begann er, sich für die Architektur zu interessieren. Und dann packte es ihn. Das, genau das war es, was er machen wollte. Innenarchitektur begeisterte ihn weniger. Aber Häuser bauen, Lebensraum schaffen, Träume in Stein und Mörtel wahr werden zu lassen, das faszinierte ihn. Er absolvierte sein Studium nicht in der kürzest möglichen Zeit. Das lag daran, dass er sich nicht ausschließlich auf seine Studien konzentrieren konnte, sondern nebenbei als Aushilfskellner, Fremdenführer und Taxichauffeur seinen Lebensunterhalt verdiente. Die Studiengebühren und das Leben in der Universitätsstadt waren teuer. Die Eltern konnten es alleine nicht aufbringen. Es war eine harte Zeit. Aber diese Zeit hatte ihn auch reifen lassen. Er wusste immer, was er wollte, verfolgte hartnäckig sein Ziel. Und er war gut. Er brauchte nur wenige Jahre, um sich nach dem bravourösen Abschluss seiner Studien einen Namen zu machen.

      Schon bald stieg er zu einem der gefragtesten Architekten des Landes auf. Das war in einer Zeit, zu der einer, der konnte und wollte, wirklich fast alles erreichen konnte. Fast märchenhafte Zustände. Allerdings war der Aufstieg von Einsatz und Zielstrebigkeit geprägt.

      Und nun stand er dort am Fenster, sah hinaus auf die prächtige Kulisse der glitzernd aufgezäumten Donaumetropole. Er sah weder sein Spiegelbild in der dunkel schimmernden Scheibe noch die lockenden Lichter der Millionenstadt. Er schaute auf die vergangenen Jahre seines Lebens. Sah den Kampf, sah den glücklich machenden Erfolg. Sah die Niederlagen, die sich zwangsläufig einstellen. Niemand hat pausenlos Erfolg. Er sah sich selbst an eben diesem Schreibtisch sitzen, hinter dem er jetzt am Fenster stand. Stundenlang, nächtelang, wenn andere Menschen schon fest schliefen. Oh, ja, er hatte Erfolg. Aber er hatte ihn hart verdient.

      Es war eine Überraschung für ihn, als sein Sohn mit dem Wunsch herausrückte, Schauspieler werden zu wollen. Sicher, Ferenc hatte sich schon als Kind für das Theater begeistert, angeregt und gefördert von seiner Mutter. Hannele hatte den Jungen schon früh zu Theateraufführungen mitgenommen, das Programm steigerte sich mit seinem Alter. Waren es zuerst Märchenspiele gewesen, so machte sie ihn im Laufe der Jahre mit den großen Dramen bekannt. Nicht nur die ungarischen Theaterstücke wie „Bank Ban“ besuchten sie gemeinsam, er lernte durch seine theaterbegeisterte Mutter auch die Dramen Shakespeares und anderer gottbegnadeter Dichter kennen. Seine Leidenschaft wurde entfacht. Irgendwann rückte er noch vor dem Abitur mit dem Berufswunsch heraus: Er wollte Schauspieler werden.

      Levente, durchaus kunstsinnig, aber leider beruflich zu sehr eingespannt, um aus dieser Neigung eine Leidenschaft werden zu lassen, hatte absolut Verständnis. So ermöglichte er gemeinsam mit seiner Frau, die für ihren Jungen auch das Unmöglichste möglich gemacht hätte, eine Schauspielausbildung für den Sohn. Mehrere Jahre hatte er studiert, sogar im Ausland. Die Kosten spielten keine Rolle, war er doch einer der angesehensten und besten Architekten des Landes. Was auch immer diese Schauspielausbildung kosten wolle, er würde es für seinen Sohn bezahlen.

      Und nun stand der Bengel vor ihm und erklärte in aller Seelenruhe, dass er die Schauspielerei an den Nagel zu hängen wünsche und stattdessen Hotelier werden möchte. Und dazu selbstverständlich Vaters Unterstützung benötigte. Levente starrte durch dunkle Scheiben auf das lichterglänzende Budapest. Er kaute schwer an diesem Brocken. Und wie immer in schweren Stunden war Hannele mal wieder nicht an seiner Seite, wie er verärgert feststellte. Doch gleich darauf rief er sich selbst zur Ordnung. Sie war sehr wohl immer da, wenn er sie brauchte. Dafür, dass der Junior gerade jetzt auftauchte mit seinen bizarren Vorstellungen, konnte sie schließlich nichts. Und die Kur in Heviz dauerte ja auch nur drei Wochen. Seit einiger Zeit plagten sie lästige Arthroseschmerzen. Eine Kur im berühmten Heilbad Heviz mit dem bekannten Thermalsee würde Wunder wirken, hatte der Arzt ihnen vorgeschwärmt. So unterzog sich Hannelore den therapeutischen Anwendungen und hoffte darauf, dass sie nach der Kur in Heviz gewissermaßen runderneuert in die heimische Gefilde zurückkehren würde. Doch indessen stand er, Levente, vor ungeahnten Aufgaben. „Da lässt sie sich nun Massagen und Heilbäder verpassen und ich muss mit dem renitenten Jüngling fertig werden“, dachte er verstimmt.

      Dabei – renitent war Ferenc eigentlich nicht. Er hatte nur sehr klar zum Ausdruck gebracht, dass er zwar als hoffnungsvoller Schauspielernachwuchs galt, dies jedoch nicht weiter auszubauen gedenke. „Ich kann dir gar nicht sagen, wie mich das anwidert.

      Wem du alles die Stiefel lecken musst, damit man überhaupt von dir Notiz nimmt. Manche wollen weitaus mehr als nur die Stiefel geleckt bekommen.“ Levente setzte eine indignierte Miene auf. „Ich glaube, ich verstehe das nicht…“ „Lass stecken, Papa, glaub mir einfach, wenn ich dir sage – es gibt Sachen, die ich nicht mal für die Hauptrolle in einem Jahrhundert-Filmevent machen würde.“ Levente nahm das schweigend hin. Ja, so einiges war ihm da auch schon zu Ohren gekommen. Weltfremd war er trotz seines beruflichen Engagements nicht. Aber dass der Bengel nun so mir nichts, dir nichts alles hinschmeißen wollte, wofür sie seit Jahren gemeinsam gekämpft hatten, wollte ihm nicht in den Kopf. „Daran ist nur dieses Mädel schuld“, mutmaßte er. „Sie hat dir diesen Floh ins Ohr gesetzt!“

      Schon vor Monaten hatte sich Ferenc seiner Mutter anvertraut und ihr zu verstehen gegeben, dass er sich schwer verliebt habe. Hannele hatte das lächelnd zur Kenntnis genommen. „Ist das ebenso ernst zu nehmen wie die Verlobung, die wir schon erlebt haben?“ Er wurde verlegen. „Naja, ich gebe zu, da war ich wirklich voreilig gewesen, und es war gut, dass ihr es nicht ernst genommen habt. Aber das mit Erzsi ist was anderes.“