Heinrich Töpfer und die Jubelkugel. Detlef Köhne. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Detlef Köhne
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742757166
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darauf geantwortet hat? – Dies sei doch schließlich eine Parodie, hat er gesagt, und ...«

      »Und abwarten ihr solltet, wer zu Besuch noch alles kommt«, vollendete eine röchelnde Stimme aus dem Nichts Schwurbelbarts Satz.

      »Sie sagen es, Professor Jota. So ungefähr waren seine Worte«, bestätigte der Direktor seufzend die körperlose Stimme, die ihren Quell eindeutig unter dem Kneipentisch hatte. Sodann schob sich eine zu der Stimme gehörende klauenartige grüne Hand auf den Tisch und tastete nach einem dickwandigen Glas, in dem dampfend eine glutrote, sämige Flüssigkeit schwappte. Die Klaue fand das Glas und zog es langsam über die Tischkante. Sie beförderte Schlucke der roten Flüssigkeit in einen viel zu großen grünen Kopf, von dem nur zwei fledermausartigen Ohren und ein Büschel Haare, dick wie die Fransen an einem Bucharateppich, über die Tischkante lugten. Nur wenn es sich auf die Zehenspitzen stellte, konnte das koboldhafte Kerlchen mit Müh und Not über die Tischkante blicken. Ab und zu war das nötig, denn der Direktor machte sich ständig einen Spaß daraus, das Glas mit der roten Flüssigkeit außer Reichweite zu schieben, wenn der kleine Professor danach tastete.

      McGummiball sah den Direktor dann jedes Mal missbilligend über die Brillengläser hinweg an. Schließlich winkte sie nach der Kellnerin. »Roswitha, können wir nicht einen Kinderstuhl für Professor Jota bekommen?«

      »Tut mir leid, Conserva, aber die sind leider alle am Stammtisch der Hobbels in Gebrauch.«

      »Es gut sein lass, Conserva«, ertönte Professor Jotas Stimme unter dem Tisch. »Schon geholfen mir wäre, wenn unter meiner Nase dieser stinkende Müllsack seine Füße nicht parken würde. Und interessieren mich würde, mehr zu erfahren über die besagten neun Übel.«

      Mit dem stinkenden Müllsack war Streichler gemeint, der an dieser Stelle plötzlich ein Geräusch wie eine Tankersirene machte und sich schlafend eine Haarsträhne aus dem Gesicht blies.

      Schwurbelbart rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her und räusperte sich. »Nun ja, seit der Sache mit dem Ring ist er ein wenig durch Wind. Aber er ist unser einziger Informant in diesem Fall, und was er über die neun Übel herausgefunden hat, ist für uns von existenzieller Bedeutung. Es sind die Naspuhl, die neun Ringgeister aus dem Lande Mordort, ehemals Könige der Menschen, die vom Dunklen Herrscher verraten wurden. ›Ein Strick, sie zu binden und nie mehr zu finden‹ und so weiter. Diese alte Geschichte mit dem Ring, ihr wisst schon, geschmiedet vom dunklen Herrscher Saujung in den Feuern des Trübsalberges, auf den Aufgusssteinen der Welt größten Dämonensauna. Ansonsten wissen wir nicht viel über sie. Es heißt, nach der Vertreibung aus Mordort hätten sie sich in eine andere Welt geflüchtet, eine Parallelwelt zu unserer, ähnlich der der Nupsis, nur heißer, und hätten dort eine neue Schreckensherrschaft etabliert.«

      »Heißer?«

      Schwurbelbart nickte. »Viel heißer. Man sagt, dort seien selbst die Bürostühle teflonbeschichtet, damit man seinen Hintern wieder davon losbekommt. Es ist eine Welt, die die Katholiken und wir am ehesten mit der Hölle vergleichen würden. Angeblich folgt selbst die Zeit dort anderen Gesetzmäßigkeiten und vergeht unendlich langsam. Aufgrund der immensen Zeitausdehnung sind die Naspuhl zu einer Art bürokratischen Sekte verkommen und verbringen die meiste Zeit damit, sich unsinnige Verwaltungsvorschriften auszudenken. Naja, man sagt ja immer, alles Übel ginge von den Behörden aus und die Zeit vergehe dort unglaublich langsam. An genauere Informationen zu kommen ist schwierig. Man kann nur in ihre Welt hinüberwechseln, wenn man einen Termin hat, und wer die Behörden kennt, weiß, dass das fast unmöglich ist. Unser Freund Streichler ist der Einzige, dem es gelingt, heimlich hinüberzugehen und für uns zu spionieren. Er ist einer der Dunnemals, einer Magiergilde, der die Fähigkeit verliehen ist, zwischen den Welten zu wandeln. Auch ihm ist dadurch ein unnatürlich langes Leben verliehen und er kennt Saujung und die Naspuhl noch aus früheren Tagen.«

      Beim Wort ›Saujung‹ fuhr Streichler erneut aus dem Schlaf auf. »Saujung!«, rief er schrill. »Es sind die ... Nasssuhl! Nein, Schlammpfuhl, so war 's. Die Schlammpfuhl! Einst waren Sie, ähm ... Sie waren ... Oger! Ja, genau, Oger. Einst waren sie Oger und heute sind sie ... kleine grüne Schlammwesen, die in unseren Kanalisationen herumwuseln und aus den Toiletten schmutzige Lieder singen, hlps, die kleinen Teufel.« Wieder kippte er vornüber und driftete hinüber in die Schattenwelt.

      »Die Wandelei zwischen den Welten scheint ganz schön aufs zentrale Nervensystem zu schlagen«, sagte McGummiball mit Blick auf den Waldläufer und rieb sich das Kinn.

      »Ja, speziell wenn das Wetter umschlägt. Wir sollten diese alte Geschichte mit Saujung besser nicht mehr erwähnen.«

      »Daran gelegen mir wäre«, rief Professor Jota unter dem Tisch hervor. »Beim letzten Anfall seinen versifften Stiefel in die Seite gerammt er mir hat.«

      »Nun ja, das Tröstliche ist, dass die Hölle auch für die Naspuhl eine Welt ohne Wiederkehr ist. Sie können aus ihr nicht entkommen.«

      »Aber wenn sie kaum etwas tun und nicht zu uns kommen können, wo liegt dann das Problem?«

      Schwurbelbart seufzte tief. »Ach, Conserva, wenn Sie wüssten ... Unter dem Gesichtspunkt nahezu unendlicher Zeitausdehnung sind sie leider alles andere als untätig. Angefangen bei der Vertreibung aus dem Paradies bis hin zum 5:1 der Engländer gegen Deutschland beim Länderspiel 2001 in München und dem Sieg von Lena Meyer-Landrut beim Eurovision Song Contest sind sie für nahezu alle Katastrophen verantwortlich, die wir aus der Geschichte kennen. Und genauso wie wir, können auch sie sich irdischer Helfer bedienen, um ihre Übel in die Welt hinauszusenden. Und gestern Abend, in einem seiner wacheren Momente«, er ruckte mit dem Kopf in Streichlers Richtung, »da hat er mir mitgeteilt ... hat mir mitgeteilt, dass ...«

      Alle am Tisch sahen Schwurbelbart erwartungsvoll an.

      »Und?«, fragte McGummiball, als er auch nach einer Minute nicht weitersprach und fortwährend aus dem blind gewordenen Kneipenfenster blickte. Jetzt zuckte er zusammen, als habe er die Anwesenheit der anderen zwischendurch völlig vergessen. Mit sorgenvoller Miene wandte er McGummiball das Gesicht zu. »Sie werden versuchen, den Unaussprechlichen zu rekrutieren.«

      Einer der beiden Anwesenden, die bisher im Dunkeln gesessen hatten, beugte sich überrascht ein wenig vor, bevor er, als sei er sich der plötzlichen Bewegung bewusst geworden, innehielt und sich rasch wieder ins Dunkel zurücksinken ließ. Nur kurz war im Licht der Petroleumdeckenlampe das sanfte Schimmern eines silbrigen Kopfschmucks sichtbar gewesen. »Faszinierend«, murmelte er interessiert.

      McGummiball hingegen war sichtlich erschrocken. »Ihn-dessen-Name-mir-gerade-nicht-einfällt? Ich dachte, er sei für immer aus unserer Welt getilgt.«

      »Leider nicht«, erwiderte Schwurbelbart. »Das ist nur, was ich die Presse damals glauben ließ.«

      »Das bedeutet ...«, begann McGummiball verstehend.

      »Ja, Conserva, ich fürchte, um damit fertig zu werden, werden wir ihn brauchen.« Schwurbelbart seufzte tief und ein wehmütiger Blick trat in seine Augen. »Wir brauchen den Jungen mit dem Blitz auf der Stirn.«

      4

      »Aber Ambos, sind Sie sicher, dass wir ausgerechnet ihn nehmen sollten?« Conserva McGummiball schien alles andere als begeistert von der Idee, einen minderjährigen Bengel mit der Errettung ihrer Welt zu betrauen.

      »Ich fürchte, uns bleibt keine andere Wahl, Conserva«, erwiderte Schwurbelbart. »Hochwärts steht vor gewaltigen Herausforderungen. Nicht nur die Akademie, nein, alles, was wir kennen, ist vom Untergang bedroht, falls wir nicht schleunigst etwas unternehmen. Und Streichlers Prophezeiung was den Jungen angeht, war unmissverständlich.«

      »Aber warum müssen wir uns um so etwas kümmern? Schließlich sind wir nur eine Schule, und wir haben ein Ministerium mit Hunderten Beamten. Warum hört man von denen nur, wenn es um Schülervergehen bei unerlaubter Zauberei geht?«

      »Weil es das Ministerium für gelegentliche unwichtige Nebenhandlungen ist und die Schule der Nabel der Welt.«

      »Aber