Später, während einer Tour durch Amerika, ergab es sich für die Beatles, dass sie einen ganz anderen Weggefährten treffen sollten. Einen, den sie zwar seit vielen Jahren gut kannten, den sie aber nie persönlich kennen gelernt hatten. Sie machten sich auf, um Elvis zu treffen. Wie es sich wohl anfühlt, auf dem Weg zu seinem Idol zu sein, während man gerade selbst zu einem Idol geworden ist? Zu dem damaligen Zeitpunkt vielleicht ein viel größeres als es der King of Rock & Roll noch war. Elvis sah die Beatles als Konkurrenten an und hatte Angst vor ihrem Erfolg. Der Besuch war ein Flop. Vielleicht wäre es besser gewesen, diese Idee nicht weiter verfolgt zu haben, aber das konnte man ja vorher nicht wissen. Die Beatles waren immerhin die erste Band, die in einem Stadion spielen musste, weil so viele Menschen sie sehen wollten. Das hatte Elvis bis dahin nicht geschafft. Ein Jahr nach dem Besuch, 1966, überholten die Beatles Elvis in den USA mit ihrer 21. goldenen Schallplatte, die sie für das Lied yellow submarine erhielten, und zu diesem Zeitpunkt stand die wahre musikalische Revolution, die die Beatles hervorbringen sollten, erst noch bevor. Interessanterweise haben die Beatles, trotz ihrer weiterhin bestehenden musikalischen Verehrung für Elvis, nicht ein einziges Lied des Kings auf einer ihrer Platten veröffentlicht.
John war temperamentvoll. Er hat den Erfolg schon als kleiner Junge gewollt. Er war entschlossen, alles zu tun, um erfolgreich zu sein und er hatte das künstlerische und intellektuelle Potential, das man dafür brauchte. Er war der freche Junge, der mit freiem Oberkörper auf dem Fahrrad durch die Straßen der Liverpooler Vorstadt fuhr und ab und zu einen herablassenden Spruch auf vorbeigehende Passanten ablud, nur um seinen Freunden später bei einer Tüte Fish & Chips und einem Bier von deren empörten Reaktionen zu berichten. Diese Menschen sahen in John nur einen Störenfried, einen rüpelhaften, ungezogenen Jungen. Wie sollten sie auch anders empfinden, denn er hatte sich ihnen ja von dieser Seite gezeigt. Von seiner neuen Seite, die Welt verbessern zu wollen und zu können, die er jedem von sich zeigen konnte, als er später berühmt war, hat er höchstens etwas geahnt. Die Kraft, den Erfolg zu wollen, hatte er schon. Das zeigt sich allein darin, dass er beschloss, für eine längere Zeit nach Hamburg zu gehen. Es war ihm mit der Musik wirklich ernst. Er war nicht derjenige, der im letzten Moment kniff und doch nicht ging. Er tat es. Und die anderen waren mit dabei. In einem kurzen Lebenslauf, den er in Hamburg 1961 für einen deutschen Journalisten verfasste, schloss er mit dem Satz, dass er und seine Band die Ambitionen hätten, reich zu werden. Und das taten sie auch, und zwar wie.
John war später nie so wie Elvis seinerzeit. Er hatte nie Angst vor einem potentiellen Rivalen, ob neu oder alt, und war grundsätzlich aufgeschlossen und interessiert an allem Neuen, auch neuen Künstlern gegenüber, die gerade am Anfang ihrer Karriere standen. Es kam zwar bedauerlicherweise vor, dass der unreife John sich anfänglich aufgrund seines chauvinistischen Charakters, einer rücksichtslosen Selbstverherrlichung und der damit einhergehenden Tatsache, dass er sich überhaupt keine Gedanken über die Konsequenzen dessen machte, was er sagte, auch abfällig gegenüber Musikerkollegen äußerte. Das hat zum Beispiel Ray Davis von den Kinks noch in Erinnerung, als diese 1964 im Vorprogramm für die Beatles spielten. Ein überheblicher John teilte der unerfahrenen Band mit, dass sie die Menge eh nur für die Beatles warm machen würden und ob sie ihnen ihre Programmliste borgen könnten, denn sie hätten die eigene verlegt. Die Kinks kamen allerdings beim Publikum gerade mit Songs wie you really got me, die sich deutlich von denen der Beatles abhoben, so gut an, dass der vorherigen Einschüchterung durch John eine gut tuende Selbstbestätigung folgte. Wenn man berücksichtigt, dass John später in seinem Lied god, in dem er aufzählt, an was er alles nicht mehr glaubt, auch die Kinks erwähnt, ist das ein Beweis dafür, dass er sie zumindest vor 1971 sehr geschätzt hat. Unbelegten Quellen zufolge war er ein großer Fan der Kinks-Single wonderboy und soll sich bei einer Feier einmal dafür eingesetzt haben, dass dieses Lied wieder und wieder gespielt wurde. Nachdem John seine frühe Überheblichkeit überwunden hatte, wollte er genauso wie die anderen Beatles der Nährboden für neue Kunst sein. Das war der Grund, warum die Beatles später ihr eigenes Unternehmen gründeten. Doch um dafür bereit zu sein, mussten sie zuerst den Gipfel erklimmen und die Beatlemania über sich ergehen lassen.
Die Beatlemania war der Zustand, in dem John, als sie ihre eigenen Instrumente bei den Konzerten vor lauter Kreischen der Fans nicht mehr hören konnten, Obszönitäten ins Mikrofon brüllte und niemand etwas davon mitbekam. Gleichzeitig trieb es einem wegen des beißenden Geruchs von Harnsäure die Tränen in die Augen, der durch die vielen Rinnsale des, sich den Weg entlang der Besucherränge nach unten bahnenden Urins Tausender größtenteils weiblichen Fans verursacht wurde, weil sie vor Aufregung das Wasser nicht zurückhalten konnten. Die Wege vom Konzert zum Hotel oder Flughafen auf einer mehrjährigen, unendlich erscheinenden Tournee, die sich mehrfach um die ganze Welt erstreckte, glich einem Spießrutenlauf, einem Wettrennen und Versteckspiel mit liebestollen Fans, die nicht auf die Idee zu kommen schienen, damit aufhören zu wollen. Sie ertranken im jubelnden Meer ihrer vor Ekstase kreischenden Verehrer und Verehrerinnen, und jeder Einzelne wollte ein Stück von ihnen abhaben. Wo sie auch auftauchten, stürzten sich die Menschen wie ein Mob auf sie, und Reporter bedrängten sie zu jeder möglichen Gelegenheit mit unsinnigen Fragen nach Hobbys, Lieblingsessen und Haarfrisuren, wobei die Beatles dort, wo man noch hören konnte, was sie sagten, immer überwiegend höflich, spontan und lustig blieben.
Es war für John, Paul, George und Ringo eine Zeit, in der alles zu Gold wurde, was sie anfassten. Sie veröffentlichten in sieben Jahren allein in England elf Nummer-eins Alben und 17 Nummer-eins Singles. In den USA waren es neun Alben und 20 Singles, die den höchstmöglichen Platz in den Billboard-Charts erreichten, und auch in Deutschland waren sie nicht viel weniger erfolgreich. Um Zeit zu sparen, würde es mehr Sinn ergeben, die wenigen Singles und Alben aufzuzählen, die es nicht auf den ersten Platz geschafft haben. Es hat bis zum heutigen Tag nur wenige andere Menschen gegeben, die im Hinblick auf die Auswirkungen auf ihr Leben und ihre Zukunft eine Erfahrung aufweisen können, die nur annähernd derjenigen ähnelt, die diese Jungs gemacht haben. Sie waren dauerhaft unterwegs und schrieben am laufenden Band neue Hits. Im Hotelzimmer, im Flugzeug, im Tourbus und vielleicht auch hinter der Bühne, während sie auf einen Auftritt warteten. Ihre Alben spielten sie während kurzer Aufnahmesessions ein, die in London dazwischen geschoben wurden und die nicht länger als zwei Tage am Stück dauerten. Während allem was sie taten waren ihnen Fans auf den Fersen und versuchten sie zu umzingeln. Natürlich waren John und seine Mitstreiter begeistert von dem Erfolg, der dazu beitrug, dass ihr Selbstbewusstsein stieg und sie sich Dinge leisten konnten, von denen sie vorher nicht zu träumen gewagt hatten. Neben den störenden Situationen, in denen ihnen Fans den Weg versperrten und ihnen die Kleider vom Leibe rissen, gab es die sich häufenden Momente, in denen sie umgarnt und verführt wurden. Begehrenswerte Menschen und ihre Vertrauten sind gerne unter sich, und die Beatles wurden als Neulinge in diesen Kreisen aufgenommen und sollten von den Annehmlichkeiten kosten, die dieses Leben mit sich bringt. Um den körperlichen Anstrengungen der Strapazen auf der Straße Herr zu werden, wurden ihnen alte Bekannte aus Hamburger Zeiten angepriesen: Drogen und Aufputschmittel, mit deren Hilfe es sich auch nach der Flucht vor den Fans, die sie vom Stadion bis zum Hotel verfolgt hatten, noch ausgiebig feiern ließ. Der einzige Unterschied bestand darin, dass sie sich ihre Dosis nicht bei der Toilettenfrau besorgen mussten und dass es feines Kokain und Opium statt gestrecktem Preludin gab. Die Beatles waren auch in der gehobenen Partyszene sehr beliebt, und besonders Johns Sarkasmus fand viele ehrfürchtige Jünger, denn sie waren schlagfertig und draufgängerisch, aber