Ygrit. Nicolas Koop. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nicolas Koop
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738075137
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dort erfahren. Doch unsere Waffen werden wir euch nicht geben. Wir sind nicht eure Gefangenen, sondern eure Gäste.«

      »Und?«, fragte der Jäger, »werdet ihr euch dem Urteilsspruch des Königs unterwerfen?«

      »Das werden wir. Ich schwöre es bei meinem Namen«, antwortete Beowulf.

      »Dann glaube ich dir, Gautensohn. Ihr sollt eure Waffen behalten. Und auch um das Weib sollt ihr euch kümmern dürfen. Doch wir werden euch umzingeln und euch bewachen.«

      »So sollt ihr es dann tun«, erwiderte Beowulf gelassen.

      »Wir haben nichts dagegen.«

      ~~~002~~~

      Bevor sie gen Heorot aufbrachen, war Beowulf zu seinem Schiff zurückgekehrt. Er hatte Wiglaf befohlen, sie zu begleiten, und den Befehl über das Schiff hatte er dem Steuermann übergeben. Es war Beowulf wichtig, beide Freunde an seiner Seite zu haben.

      Dann hatten sie notdürftig einen Wagen gezimmert, auf den sie die verletzte Frau legten. Beowulf breitete seinen Mantel über der Frau aus als Decke und dann machten sie sich auf den Weg.

      Als sie eine Weile gegangen waren -die Küste war nicht mehr in Sicht-, bestand Beowulf auf einer Pause, denn er wollte nach der Wunde am Bein der Frau sehen. Den Jägern war es nicht recht. Doch als Wiglaf lächelte und mit den Fingern über die Schneide seiner Axt fuhr, erklärten sie sich dazu bereit. Beowulf kniete sich neben den Karren und nahm die zarte Hand der Frau in die seine.

      »Herr«, mit Mühe hob sie ihren Kopf, »du hast mich gerettet.«

      »Nur eine Selbstverständlichkeit«, Beowulf sah sie ernst an.

      »Geht es dir denn besser?«

      »Die Wunde am Bein schmerzt mich sehr. Wer hat sie verbunden?«

      »Das war ich«, erwiderte Beowulf.

      »Leider hatte ich keine Heilkräuter dabei. So wirst du wohl eine Entzündung bekommen.«

      »Das ist in Ordnung. In meiner Hütte könnte ich mich selbst versorgen. Doch hier geht es wohl nicht. Du wirst mich Hrothgar ausliefern. Und dieser wird … .«

      »Nichts wird der König der Dänen dir tun«, versprach Beowulf.

      »Du stehst unter meinem Schutz. Niemand wird dir auch nur ein Haar krümmen. Ich bitte dich, mir deinen Namen zu sagen.«

      »Mein Name ist nicht unbekannt in diesem Land«, erwiderte die Frau.

      »Ich heiße Ygrit. Und wie heißt du, stolzer Krieger?«

      »Mein Name ist Beowulf.«

      »Beowulf, der Bienenwolf«, lächelte Ygrit.

      »Du kommst nicht aus diesem Land, oder?«

      »Mein Vater war ein Freund und Waffengefährte von Hrothgar. Ich bin ein Sohn der Gauten und gekommen in dieses Land, um den Dänen beizustehen gegen die Riesen aus Jötunheimr.«

      »Jötunheimr«, hauchte Ygrit.

      »Wir haben viel zu reden, stolzer Krieger.«

      »Ja, das haben wir. Doch nicht hier. Erst wollen wir sehen, was in Heorot passiert. Doch noch einmal wiederhole ich mein Versprechen. Egal was geschieht und wenn ich mein Leben wagen müsste, dir wird nichts geschehen, Ygrit.«

      »Du bist edel, Bienenwolf. Ich glaube dir, was du sagst«, antwortete Ygrit müde.

      Dann sank ihr Kopf nach hinten und sie fiel in einen unruhigen Schlaf.

      Die Krieger setzten sich wieder in Marsch und Skeld gesellte sich zu Beowulf.

      »Beowulf, mein Prinz, ist dies klug?«

      »Klug, Skeld?«

      »Sich um dieses Weib zu kümmern! Sich vielleicht die Feindschaft Hrothgars zuzuzie- hen!«

      »Mein alter Freund, fürchtest du dich vor einem Waffengang?«

      »Nein, ich fürchte mich nicht. Doch es ist ein Unterschied zwischen Mut und Wagemut. Vor seinem Tod versprach ich deinem Vater, dass ich auf dich aufpassen werde, Beowulf. Ich habe vor, dieses Versprechen zu halten, mein Prinz.«

      »Dann halte es, Skeld. Stehe mir bei, was auch immer kommen wird. Willst du das tun?«

      »Immer, mein Prinz.«

      So schritten sie still weiter. Beowulf, Wiglaf, Skeld und elf weitere Krieger, umringt von beinahe dreißig Jägern. Zwei Krieger Beowulfs zogen den Karren, auf dem Ygrit lag, die noch immer schlief. Ab und an stöhnte sie auf. Jedes Mal, wenn dies geschah, war es Beowulf so, als wenn er einen Dolchstoß in sein Herz bekam. Er versuchte, diese Empfindung zu verdrängen, doch es wollte ihm nicht wirklich gelingen. So war er dann froh, als der große Holzwall von Heorot erschien. Die Jäger umschlossen sie noch enger, als sie die Stadt betreten hatten. Sie wurden die große Hauptstraße entlang geführt, an den Holzhütten vorbei, bis sie vor der großen Holzhalle, der Ehrenhalle Hrothgars, stehen blieben. Dann öffnete sich die große Flügeltür und ein Mann erschien. Neben ihm ging seine Frau. Beide, der Mann und die Frau, waren nicht mehr jung, aber großgewachsen und schlank. Das lange Haupthaar des Mannes war bereits grau, auch das Haar seines Schnurrbartes. Gekleidet war er in lederne Hosen und ein weißes Hemd aus reinem Leinen. Darüber trug er einen edel bestickten Mantel. Die Frau hatte langes blondes Haar und war mit einem einfachen dunkelblauen Kleid bekleidet.

      »Heil, König Hrothgar und Königin Wealhtheow!«, rief der Anführer der Jäger, der nun von seinem Pferd gestiegen war. Er verbeugte sich tief vor seinem König und dessen Frau.

      »Hier bringe ich Eindringlinge, die die Grenzen unseres Reiches ohne Erlaubnis betreten haben. Und sie haben der Verbrecherin geholfen, die wir in deinem Auftrag jagen und stellen sollten, mein König.«

      »Sigurd, du redest Unsinn«, donnerte der König.

      Dann ließ er seine Frau stehen, trat auf Beowulf zu und umarmte diesen wie einen Sohn.

      »Beowulf, Gautensohn, du bist mir willkommen. Hat mein Bote dich erreicht?«

      »Dein Bote hat mich erreicht in schwerer Stunde, König. Er traf ein am Tage des Todes meines Vaters, deines Freundes. Doch ich vernahm deinen Ruf, dass du meine Hilfe brauchst, denn deinem Reich droht eine tödliche Gefahr. Ich habe meine Krieger versammelt und wir haben unser Schiff bestiegen und sind an deine Küste geeilt.«

      »Froh bin ich, dass du nun bei uns bist. Denn wir wissen, dass nur du uns helfen kannst. Du wirst nicht ohne Grund der gewaltigste Krieger dieser Zeit genannt. Doch ich höre, dass dein Vater von uns gegangen ist. Und Trauer erfüllt mein Herz. Beowulf, du und deine Männer, ihr seid mir und Wealhtheow auf das herzlichste willkommen. Doch eines muss geklärt werden, bevor ich euch in die Halle von Heorot einlade. Es geht um das Weib.«

      »Um das Weib, welches unter meinem Schutz steht«, erwiderte Beowulf.

      »Was kann eine Frau dir getan haben, Hrothgar, dass du ihren Tod willst, dass du sie entgegen aller Ehre hetzen lässt wie ein Stück Vieh?«

      »Das Weib steht unter deinem Schutz? Das kann ich nicht gestatten, Beowulf. Denn sie ist eine Hexe!«

      »Du wirst es gestatten müssen, Hrothgar, König. Denn ich habe gesagt, dass es so ist«, antwortete Beowulf entschlossen.

      »Und eine Hexe soll sie sein? Du wirst genauso wie ich wissen, dass schon viele Frauen sterben mussten, weil man ihnen nachsagte, sie seien Hexen. Gibt es Beweise für diese deine Anschuldigung?«

      »Ja«, erwiderte Wealhtheow, anstelle des Königs, »es gibt diese Beweise, Gautensohn. Dieses Weib lebt nicht in Heorot, sondern in den Bergen. Sie kennt die Geheimnisse von allerlei Kräutern, wohinter gewiss Magie steckt. Und was noch viel schlimmer ist, sie kennt die Riesen von Jötunheimr. Und sie hat diese Monster zu uns geführt, auf dass diese uns vernichten.«

      »Ich danke dir für deine Ausführungen, Königin«, antwortete Beowulf freundlich.