Für Freiheit, Lincoln und Lee. Michael Schenk. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Schenk
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738064353
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noch kräftig genug, um zu singen. Aber der Kapitän wird rasch für Ruhe sorgen.“

      Sie hörten einen vereinzelten Schuss und nach einer Weile kam der Kapitän wieder heraus. Einer seiner Begleiter lud dessen Pistole nach. De Croisseux trat zu seinem Maat. Rasch wechselten sie mehrere Sätze.

      Nur Bernd Kahlmann konnte das schnelle Französisch verstehen. Er übersetzte es für seine Freunde. „Sie haben ein paar der Schwarzen die Kehlen durchgeschnitten. Denen, die wohl doch zu schwach für die Überfahrt sind. Der Kapitän meinte, Kugeln solle man da nicht verschwenden. Aber einer der schwarzen Affen habe nach ihm getreten und so habe er ihm den Schädel zersprengt. Jetzt sollen wir die Leute rasch aufs Schiff bringen. Massoud hat ihm zum Abschied gesagt, ein englisches Kriegsschiff patrouilliere in den Gewässern vor Beni-Saf.“

      Rasche Befehle des Maats trieben sie auseinander und wenig später schob sich eine lange Reihe gefesselter Männer und Frauen auf den Steg und von diesem in das Unterdeck der Marbelle. Nun wurde den Deutschen auch klar, warum es dort so entsetzlich stank. Es war unfasslich, dass all diese Menschen dort unten hinein passen sollten. Die Matrosen der Marbelle schlugen und fluchten und trieben ihre Opfer in das Dunkel des Unterwasserschiffes hinein. Schließlich schlugen die Luken zum Unterdeck zu und Friedrich fröstelte es, als ihm klar wurde, dass er unmittelbar über den elenden Gestalten schlafen würde.

      Ein paar der Frauen wurden aus der Reihe gezerrt und die Brüder und ihr Freund konnten sich denken, welchem Zweck sie dienen sollten. Während die Besatzung das Schiff zum Ablegen vorbereitete, wurden den Hilflosen immer wieder gierige Blicke und Obszönitäten zugerufen.

      „Sie sind so... so... nackt“, stammelte Hans verwirrt. Der 15-jährige war wohl der einzige von ihnen, der noch nie ein entkleidetes Weib gesehen hatte. So viel entblößter Weiblichkeit ausgesetzt zu sein, verwirrte ihn. „Sind sie... äh, anders?“

      „Anders?“ Friedrich sah die ängstlichen Frauen an. Die Haut war anders. Die Gesichter mit den vollen Lippen und den breiten Nasen unterschieden sich von denen europäischer Frauen, und es gab auch Unterschiede zwischen den Individuen. Das Haar war merkwürdig kraus. Ein um die Hüften geschlungenes Tuch bildete die einzige Bekleidung, obwohl man einigen der Frauen die Tücher bereits genommen hatte. Die Frauen wirkten auf Friedrich wie ihre Männer. Schlank und doch muskulös. Auf seltsame Weise erinnerten sie an Raubtiere. An die natürliche Anmut von Wölfen.

      „Sie sehen aus wie Tiere“, knurrte Karl. „Ihre Gesichter sind hässlich.“

      Bernd lächelte ironisch. „Es gibt genug Dinge an ihnen, die sind ganz ansehnlich.“ Er sah Hans an. „Offen gesagt, ich glaube es gibt eine ganze Menge Ähnlichkeiten zu weißen Frauen.“

      „Gott“, Karl sah ihn betroffen an. „Das kannst du doch nicht miteinander vergleichen.“

      Bernd Kahlmann wies auf die übrigen Mannschaftsmitglieder. „Die da sind wohl zufrieden mit der Ähnlichkeit.“

      Etliche Männer standen um die kleine Gruppe Frauen herum, als die Stimme von Kapitän de Croisseux dazwischen fuhr. Ohne die Frauen weiter zu beachten, eilte die Crew auf die Manöverstationen. Ein zum Mastkorb aufgeenterter Matrose rief etwas nach unten und de Croisseux stieß einen Fluch aus.

      Pierre Lerousse trat an die Reling und feuerte die Männer an, die Leinen klar zu machen. „Verdammt, eine Rauchfahne über der Kimm. Vielleicht nur ein Postdampfer. Aber wir müssen verschwinden.“ Er musterte die Brüder. „Na los, packt an.“

      Sie sahen Männer zu den Rahen aufentern. Die Segel entfalteten sich.

      Karl sah die anderen fragend an. „Warum wirft er nicht die Maschine an?“

      Lerousse warf ihm einen grimmigen Blick zu. „Weil sie nicht unter Dampf geblieben ist. Das Sicherheitsventil ist alt und wenn der Maschinist eingeschlafen wäre... ihr versteht schon, bumm, oui? Der Kessel wird jetzt zwar hochgefahren, aber es wird eine Weile dauern, bis wir genug Druck haben.“

      Erneut bewies de Croisseux seine seemännischen Fertigkeiten, denn er kreuzte die Marbelle scheinbar mühelos, wenn auch von Flüchen begleitet, aus der Bucht. Inzwischen war die dünne Rauchfahne am Horizont deutlicher geworden und die Männer glaubten unter dem Rauch etwas schimmern zu sehen. Der Kapitän stand am Heck und hatte sein Fernglas auf die Rauchsäule gerichtet. Mit einem Fluch schob er es zusammen.

      „Zu schnell für ein Postschiff. Ich wette, es ist ein Kriegsschiff“, rief er Lerousse zu. „Wahrscheinlich ein verdammter Engländer.“

      Die Marbelle legte sich unter Segeldruck leicht über, als sie auf neuen Kurs ging. Lerousse schrie ins Zwischendeck hinunter, man solle sich gefälligst beeilen, genug Dampf zu machen. Sie sahen nach hinten zum Heck, hinter dem die Rauchsäule stand und langsam größer wurde. Doch dies geschah unglaublich langsam. Erst fünf Stunden später konnte man mit bloßem Auge einen schwarzen Rumpf mit weißen Decksaufbauten erkennen. Die Nationalität konnte nur der Kapitän mit seinem Fernglas feststellen und er blickte immer wieder nervös hindurch, bevor er bestätigend nickte. „Ja, ein Johnny English, ein verfluchter Engländer.“

      Diese Gewissheit schien den Kapitän jedoch zu beruhigen, denn er wandte dem Heck den Rücken und blickte in Fahrtrichtung voraus. Unter ihnen begann es zu rumoren und zu stampfen und de Croisseux rief triumphierend einen Befehl zur Maschine. Die großen, fast sechs Meter durchmessenden Schaufelräder begannen sich nun unter dem Dampfdruck zu drehen. Zuvor waren sie ausgekuppelt gewesen und nur der Wasserdruck der Fahrgeschwindigkeit hatte sie bewegt. Nun aber peitschten sie zunehmend in das Wasser, spritzten es auf und die Geschwindigkeit der Marbelle steigerte sich.

      Dennoch kam der Engländer langsam näher und die Deutschen begannen sich zu fragen, wie ihr weiteres Schicksal aussehen mochte, wenn die Royal Navy das Sklavenschiff enterte. Die Teerjacken der königlichen Marine würden wohl keinen Unterschied zwischen der eigentlichen Besatzung der Marbelle und den Deutschen machen. Hinter ihnen ertönte ein dumpfer Knall und als sie erneut zu dem englischen Kriegsschiff zurückblickten, stieg dort am Vorderdeck eine braunschwarze Wolke in die Luft. Weit hinter der Marbelle stiegen Gischt und eine Wassersäule auf.

      „Zu kurz“, erläuterte Lerousse grinsend. „Dauert noch zwei oder drei Stunden, bevor sie wirklich ernsthaft auf uns schießen können. Die machen nur ihrem Ärger Luft und wollen uns zeigen, dass sie kommen.“

      „Gott im Himmel“, brach es aus Friedrich hervor, „habt Ihr denn keine Furcht, die Engländer bringen die Marbelle auf und hängen uns alle an die Rahen?“

      „Ihr werdet schon sehen, dass sie das nicht wagen“, sagte Lerousse selbstsicher. „Wir haben noch eine Trumpfkarte, denn sie müssen uns beweisen, dass wir Sklaven an Bord haben. Wisst ihr, diese Briten haben... oh, holla, das war es dann wohl.“

      Der Maat grinste den Kapitän an und dieser rief der begeistert aufschreienden Mannschaft etwas zu. Er sah die fragenden Mienen der Deutschen. „Sie fallen ab. Ziemlich plötzlich. Seht ihr? Sie liegen schon quer zum Wind. Denen ist wohl die Welle gebrochen.“

      Tatsächlich verlor der Engländer schlagartig an Fahrt und ein trotziger Pfiff aus seiner Dampfpfeife ertönte, als das schnittige Schiff zur Seite trieb. Nun wurde auch die Fahrt der Marbelle ein wenig gedrosselt, um die Maschine zu schonen, und nach einigen Stunden war das Kriegsschiff hinter dem Horizont verschwunden.

      Wenig später passierten sie Beni-Saf und fuhren auf die Meerenge von Gibraltar zu. Der Felsen von Gibraltar war in britischem Besitz. Eine Festung, welche die Meerenge beherrschte. Sie war nie erobert worden und ihre Geschütze boten Schutz für eine Reihe von Fregatten und Linienschiffen, die unter ihr ankerten. Dazu gehörte ein Tross kleinerer Schiffe und Versorgungsboote.

      De Croisseux schien von der Festung keineswegs beunruhigt. Es war bewundernswert, wie er die Nacht abpasste und dann, dank der dunklen Segel und des wolkenverhangenen Nachthimmels, unbemerkt unter den Batterien Gibraltars hindurchfuhr. Zwar wurde ein Vorpostenboot auf sie aufmerksam, doch de Croisseux ließ geistesgegenwärtig die französische Flagge, am Heck der Marbelle, grüßend dippen. Im internationalen Gruß wurde sie kurz gesenkt und wieder