Für Freiheit, Lincoln und Lee. Michael Schenk. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Schenk
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738064353
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sahen sie, dass die beiden Vierpfünder auf der dem Land zugewandten Seite aus den Pforten ragten. Erneut fragten sie sich, in was sie hier geraten sein mochten. Der Kapitän führte sie auf die vereinsamten Hütten zu. Friedrich warf einen Blick hinein, würgte kurz und übergab sich dann.

      Der Maat klopfte ihm gutmütig auf den Rücken. „Keine Angst, mein Freund, die tun dir nichts.“

      Nein, sicher nicht. Friedrich drehte sich der Magen und seinen Gefährten erging es nicht viel besser, als sie in die Hütte hinein sahen. Viel gab es nicht zu sehen, doch das wenige war bereits zu viel. Die Hütte war leer. Fast. An den Wänden waren eiserne Ringe angebracht und Handeisen lagen auf dem Hüttenboden verstreut An eine der Wände war ein Mensch gekettet worden. Vor langer Zeit, denn er war vollständig skelettiert und nur ein paar Stofffetzen lagen lose um die Knochen seiner Hüften.

      „Herr im Himmel“, stammelte Karl kreidebleich. „Was ist hier geschehen?“

      „Er war aufsässig“, sagte Lerousse lakonisch. „Ein gutes Exempel für andere.“

      „Andere?“ Friedrich sah ihn kopfschüttelnd an. Er wischte über den Mund und würgte erneut, aber sein Magen hatte sich geleert und er spürte nur ein unangenehmes Brennen in der Kehle. „Oh Gott, ihr... ihr seid Sklavenhändler.“

      „Das schwarze Gold“, sagte der Maat bestätigend. „Seht mich nicht so an. Diese Leute sind nicht mehr als Tiere, das werdet ihr rasch genug erkennen. Im Grunde tun wir ihnen einen Gefallen, denn wir verschaffen ihnen gute Arbeit und ein gesichertes Heim.“

      Friedrich kämpfte mit sich. Er war versucht, die Pistole zu ziehen und diesen grinsenden Franzosen einfach über den Haufen zu schießen. Sklaverei. Das widersprach allem, was er für seine Ideale hielt. Schon die Lakaien der Adligen waren für ihn kaum mehr als Sklaven. Und nun das hier.

      Der Maat spürte seine Unsicherheit. Die Augen des Mannes verengten sich. „Begehe keinen Fehler, mein Freund.“ Dann lachte er plötzlich. „Wir müssen gut aufeinander acht geben. Ah, da kommen unsere Freunde, oui?“

      Oben auf der flachen Hügelkette, welche die Bucht umgab, war ein Reiter aufgetaucht. Er trug ein lange wallendes Gewand und hatte ein Tuch um den Kopf geschlungen, dessen lange Enden im schwachen Wind flatterten. Der Mann saß auf einem Kamel und die Brüder starrten das Tier erstaunt an. Keiner von ihnen hatte je ein solches Tier zu Gesicht bekommen. Der Reiter trug eine der langen arabischen Flinten und hob sie über seinen Kopf. Dann belebte sich der Hügel mit einem mal. Unbewusst drängten sich die Deutschen zusammen, als nun eine Horde Bewaffneter den Hang herunter ritt. Zwischen ihnen bewegten sich Reihen von schwarzen Menschen, durch Ketten oder Stricke miteinander verbunden. Gelegentlich stolperte eine der langsam trottenden Gestalten. Wenn diese nicht von alleine auf die Füße kam, wurde sie einfach mitgezogen. Friedrich wurde von Grauen geschüttelt. Es war eine Karawane des Elends und er sah ausschließlich junge Frauen und Männer. Hin und wieder schlug einer der Reiter mit einer Peitsche nach den elenden Gestalten.

      Die Bewaffneten führten die Gruppe der Gefangenen auf den Platz zwischen den leeren Hütten und bildeten einen Ring. Einer der Reiter ritt auf de Croisseux zu und riss sein Pferd vor ihm hoch. Der Araber lächelte kaum merklich, als der Kapitän keine Miene verzog. Dann sprang er behände aus dem Sattel. Zwischen beiden Männern entspann sich ein intensives Gespräch.

      Pierre Lerousse begutachtete die aneinander gebundenen Männer und Frauen. „Keine schlechte Ausbeute. Unser Freund scheint ein ganzes Dorf erwischt zu haben.“ Er sah die Brüder und Kahlmann an, die blass hinter ihm standen und ihre Waffen nervös umklammerten. „Wisst ihr, diese schwarzen Tiere haben oft genug ihre kleinen Streitigkeiten. Nicht selten verrät da einer dieser Niggerhäuptlinge das Nachbardorf an unseren Freund Massoud. Wenn das Dorf zu klein ist, schnappt Massoud sich mitunter auch den Kral des Verräters.“ Lerousse lachte auf. „Natürlich sind wir nicht die einzigen Abnehmer.“

      „Ein ganzes Dorf.“ Karl musterte die Gefangenen. „Aber wo sind die Alten? Die Kinder?“

      „Für uns nicht verwertbar“, sagte der Maat trocken. „Zu schwach für die Überfahrt. Nein, wir achten darauf, nur die gesunden und kräftigen zu bekommen.“

      De Croisseux und dieser Massoud schienen sich geeinigt zu haben. Sie sahen, wie ein Beutel den Besitzer wechselte und der Berber gab seinen Männern einen barschen Befehl. Sie trieben die schwarzen Männer und Frauen in die Hütten hinein und die Deutschen hörten gelegentliche Schreie und das Klirren von Ketten.

      „Gut, meine Freunde“, sagte Lerousse. „Für die Nacht sind sie versorgt. Morgen bringen wir sie aufs Schiff.“

      „Warum erst morgen?“, fragte Friedrich wutentbrannt. „Gott, was seid ihr nur für Menschen?“

      Pierre Lerousse sah ihn nachdenklich an. „Halte deinen Zorn im Zaum, mein Freund. Wenn uns jemand angreift, so wird es keinen Unterschied machen, ob ihr dafür oder dagegen seid. Man würde euch ebenso niedermachen, wie den Kapitän und uns andere. Mitgegangen, mitgehangen, nicht wahr, meine Freunde? So oder so ist dies unsere Fracht und es ist diese Fracht, die euch nach Amerika bringen wird, oui?“

      Sollte dieses Elend der Preis für ihre Freiheit sein? Weiß Gott, so hatten sie sich dies nicht vorgestellt. Wie stolz waren sie gewesen, als die schwarz-rot-goldene Fahne der Freiheit erhoben wurde. Und jetzt machten sie sich zu Handlangern der schlimmsten Art von Menschen, die sie sich vorstellen konnten.

      Bernd Kahlmann stieß ein heiseres Knurren aus. „Er hat Recht. Es hat keinen Zweck uns gegenseitig die Köpfe einzuschlagen. Hauptsache, wir kommen nach Amerika.“

      Friedrich sah zu den Hütten hinüber. „Ja“, murmelte er angewidert. „Hauptsache, wir kommen nach Amerika.“

      Friedrich Baumgart glaubte nicht, dass in dieser Nacht einer von ihnen schlief. Die Nächte waren sehr kalt und er wunderte sich, dass ein Temperaturwechsel zwischen Tag und Nacht derart stark ausfallen konnte. Trotzdem brannte in der Nacht kein wärmendes Feuer. Im klaren Licht des Sternenhimmels konnte er Posten von Massouds Gruppe und solche der Marbelle erkennen, die sich gegenseitig beäugten und zugleich nach einem gemeinsamen Feind Ausschau hielten. Der 21-jährige nahm nicht an, dass die elenden Gestalten in den Hütten einer Wache bedurften. Selbst ohne Fesseln schienen sie kaum in der Lage, sich gegen ihre Peiniger zu erheben. Er fragte sich, was ihn hierher geführt hatte. In dieses öde Land zu diesen öden Gestalten. Angeblich sollte Afrika doch ein grünes und reiches Land sein, doch davon hatte er nichts gesehen. Nur weiße Augen, die ihn unnatürlich groß aus schwarzen Gesichtern anstarrten. Er dachte an die Männer um sich herum. Die Deutschen würden wohl mit diesen Wölfen heulen müssen. Er traute jedem aus der Mannschaft zu, ihn, seine Brüder und Bernd Kahlmann ohne Skrupel zu töten, wenn man befürchtete, diese würden den Sklavenhandel melden. Melden. Wo denn? Hier würde es wohl kaum eine Gendarmerie geben, die das Gesetz vertrat und wenn es sie gab, welche Gesetze mochten in einem Land herrschen, in dem so etwas geschehen konnte? Er und die seinen mussten einfach versuchen, mit heiler Haut aus dem Geschehen zu entkommen.

      Am frühen Morgen stieß einer der Berber einen leisen Ruf aus und Friedrich staunte, wie rasch sich alle erhoben. Hatten all diese Männer tatsächlich geschlafen oder die Nacht mit der Waffe in der Hand wach gelegen und auf jedes verdächtige Geräusch gelauscht? Ihm war es jedenfalls so ergangen und er fühlte sich zerschlagen. Er sah Massoud und de Croisseux miteinander sprechen, dann lachte der Berber auf und gab seinen Männern einen Wink. Zwei kleine Säcke wurden zum Schiff gebracht und die Deutschen erfuhren später, dass sie mit Früchten gefüllt waren. De Croisseux ließ zwei Kisten an den Berber aushändigen und instinktiv ahnten die Deutschen, dass sich darin Pulver und Blei für die Flinten der Sklavenjäger befanden. Offensichtlich war ihr Anführer zufrieden. Er verabschiedete sich mit Umarmungen und umfangreichen Worten von dem französischen Kapitän und gab seiner Horde ein Zeichen. So rasch wie die Gruppe aufgetaucht war, verschwand sie auch und ließ die Crew der Marbelle mit ihrer elenden Fracht zurück.

      Kapitän und Maat teilten die Besatzung in kleine Gruppen. Aus der Quelle der kleinen Oase wurden die Wasserfässer aufgefüllt. Der Kapitän und zwei andere Männer gingen nacheinander in die Hütten. Gelegentlich war leises Wehgeschrei zu