Ein großer britischer Haferflockenhersteller feierte 2009 die größte Umsatzsteigerung in seiner fast 150-jährigen Geschichte und expandiert seitdem. In angesagten Cafés sieht man Promis, Anzugträger und Kreative einträchtig ihren Superbrei löffeln, der auf Wunsch auch mit fettarmer oder Sojamilch zubereitet wird. Und wer sich nun zuhause das erste Mal ans Haferschleimkochen wagt, aber dann doch nur eine gelatinöse Pampe hinbekommt, kann das Zeug immer noch 1 A als Gesichtsmaske recyceln – es soll nämlich auch Hautunreinheiten wegzaubern.
13 Turducken: Einer geht noch, einer geht noch rein
Name: Turducken, Yorkshire christmas pie, Rôti sans pareil
Region: USA
Verzehr: Gegrillt, gebraten oder frittiert
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Es ist das perfekte Feiertagsessen für Unentschlossene vom Stamme »Fleisch ist mein Gemüse«: Mit Turducken können sie Truthahn, Ente und Hühnchen auf den Tisch bringen, und zwar als ein einziges Hauptgericht. Wie das möglich ist? Nun, das jeweils kleinere Federvieh wird in die (zuvor ausgenommene) Bauchhöhle des nächst größeren Tieres gestopft. Damit es sich anschließend besser verputzen lässt, muss das Geflügel außerdem vorher entbeint werden. Ein bisschen rohe Gewalt und Erfahrung im Tetris spielen sind bei der Zubereitung hilfreich.
Jede Lücke, die nach dem Ineinanderrammen der drei noch bleibt, wird mit Füllung versiegelt. Zwischen Truthahn und Ente kommt eine salzige Mischung aus geräucherter Wurst, eingelegten Austern, einer gehackten Zwiebel, Pilzen und mediterranen Kräutern, während der Hohlraum zwischen Ente und Huhn mit einer Pampe aus Maisbrotkrümeln, gehackter Zwiebel und Sellerie, Nüssen und Rosinen, Ei und Hühnerbrühe zubetoniert wird. Für die Zubereitung sollte man zwei Tage rechnen und einen weiteren, um sich selbst und die Küche von den Spuren des Gemetzels zu befreien.
Turducken ist ein sogenanntes Kofferwort, bestehend aus Turkey (Truthahn), Duck (Ente) und Chicken (Huhn) und wurde sogar ins New Oxford Dictionary aufgenommen. Sollte jemand auf die Idee kommen, diese Völlerei eindeutschen zu wollen, könnte man sie Truthennte nennen. Oder, weil hierzulande Gans als Festtagsbraten beliebter ist, vielleicht auch: Gäntehuhn. Die vegetarische Variante heißt übrigens Tofucken. Wer den Namen lustig findet, sollte sich erst mal die Zubereitung vorstellen: Drei gigantische Sojastücke, die sich als »wie Fleisch« verkleidet haben, werden mühsam ineinander verschachtelt.
Wer nun Freude an diesem Fleischpuzzle gefunden hat, kann sich als nächstes an ein traditionell nordenglisches Gericht wagen: die Yorkshire Weihnachtspastete, beliebt besonders in wohlhabenden Haushalten des 18. Jahrhunderts. Hier geht es darum, ein Täubchen in eine Wachtel in ein Perlhuhn in eine Gans und zuletzt in einen Truthahn zu friemeln. Und wenn der Ehrgeiz dann richtig geweckt ist, geht es an Rôti Sans Pareil (Braten ohne Gleichen). Dieses französische Rezept sieht tatsächlich vor, zwölf Sorten Geflügel nach Art der russischen Matroschka-Holzpüppchen ineinander zu stecken. Passenderweise findet es sich im Anfang des 19. Jahrhunderts veröffentlichten L’Almanach des Gourmands. Nicht Gourmet, sondern Gourmand, auf Deutsch: Vielfraß.
14 Reis mit Tinte: Gericht für Schwarzmaler
Name: Arroz negro, Arròs negre
Region: Ostküste Spaniens
Verzehr: Aus der Pfanne
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Es heißt, den ersten Bissen nimmt man mit den Augen. Im diesem Fall schmeckt er nur irgendwie ... nach Asphalt. Denn was der Kellner an den Tisch bringt, erinnert an eine Paellapfanne, die ein Bauarbeiter mit Straßenbelag vollgeschaufelt hat. Die farbigen Akzente, die der Koch darauf mit ein paar Paprikastreifen gesetzt hat, wirken grell und wie ein misslungener Ablenkungsversuch.
Mit dem ersten Happs ist der Anblick jedoch vergessen. Arroz negro (schwarzer Reis) ist der beste Beweis dafür, dass Essen weder viele Zutaten braucht, noch fancy aussehen muss, um verdammt gut zu schmecken. In diesem Fall sind das: Reis – typischerweise Rundkornreis der Sorte Bomba aus der Region Valencia, der wegen seines geringen Stärkegehalts auch gegart körnig bleibt. Tintenfisch mitsamt Tinte – denn die ist es, die das Gericht rabenschwarz färbt und ihr das markante Meeresfrüchte-Aroma gibt. Außerdem: Fischfond, Zwiebel, Knoblauch, Tomate, Paprika, Salz, Pfeffer.
Heute bekommt man das schwarze Pfannengericht in ganz Spanien. Wo es jedoch seinen Ursprung hat, darüber ist man sich an der Ostküste des Landes uneins. Barcelona, glauben die Katalanen. Valencia, sind sich die Valencianer sicher. Schließlich wachse dort der beste Paellareis und wurde dort auch schon die Paella erfunden – von den Bauern der Region, die sich mittags, auf dem Feld, Reis, Gemüse und Fleischreste (manchmal auch Schnecken, wenn es nichts Besseres gab) in einer flachen Pfanne über dem offenen Feuer garten. Den Namen für die Pfanne schreiben sich wiederum die Katalanen auf die Fahne: abgeleitet vom Lateinischen patella wollen sie ihn Ende des 19. Jahrhunderts geprägt haben.
Arroz negro, oder wie die Katalanen sagen: Arròs negre, zählt allerdings gar nicht zu den Paella-Arten, zumindest nicht in Spanien. Es müssen Touristen gewesen sein, die dem Gericht den Namen Paella negra gaben, unter dem es heute in »authentisch spanischen« Restaurants in anderen Ländern auf der Karte steht.
Natürlich lässt sich der Schwarze Reis um weitere Meeresfrüchte oder Gemüse ergänzen. Dem Koch muss jedoch klar sein: Egal, was er an farbenfrohen Zutaten hineingibt, am Ende wird alles zu einer kohlrabenschwarzen Masse, die nur bei ganz genauem Hinschauen noch Umrisse erkennen lässt. Auch Zähne und Zunge bekommen beim Essen einen dunklen Anstrich. Noch schlimmer ist es allerdings, wenn nicht genügend Tinte verwendet wird. Dann ist das Gericht nämlich nur Grau – und die Pfanne erinnert an einen überdimensionalen, vollen Aschenbecher.
15 Biltong: Ordentlich was zu beißen
Name: Biltong, Charqui, Ch’arki, Jerky
Region: Südafrika, Südamerika, USA
Verzehr: Gepökelt
Biltong, das sind kleine, dicke Streifen gepökelten Fleisches, die in Südafrika etwa so beliebt sind wie Brezeln in Bayern. Es ist der perfekte Snack, vorausgesetzt man isst gerne viel Fleisch: platzsparend, leicht und praktisch unkaputtbar, dabei aber äußerst sättigend. Und vorausgesetzt, man erwartet nicht, dass das, was man isst, einen Schönheitspreis gewinnt. Die Rindfleischfetzen (manchmal ist es auch Antilope oder Strauß) werden nämlich in Essig eingelegt, dann gesalzen und gewürzt und schließlich für mehrere Tage oder Wochen zum Trocknen aufgehängt. Das Ergebnis: dunkelbraune, fast schwarze, faserige Brocken, die außen hart und krustig sind – eben wie etwas Totes, das lange Zeit in der Sonne lag. Tatsächlich beansprucht dieser Snack ordentlich die Kaumuskeln, ist aber innen trotzdem überraschend zart und, je nach Trocknungsgrad, sogar saftig. Geruch und Geschmack erinnern an luftgetrockneten Schinken, nur um einiges strenger und würziger.
Der Name stammt aus dem Niederländischen (bil für Pobacke und tong für Streifen) und bezeichnet die Stelle, aus der das Biltong meistens herausgeschnippelt wird. Als die weißen Kolonialisten in Südafrika siedelten, lange bevor es Kühlschränke gab, war Pökeln die beste Methode, um solch große Mengen Fleisch schnell und für eine lange Zeit haltbar zu machen. Und es war (und ist) der ideale Reisebegleiter in einem weiten, dünn besiedelten