Delikatessen weltweit: 99 Spezialitäten, die Sie (lieber nicht) probieren sollten. Julia Schoon. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Julia Schoon
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783742742544
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hier besser nicht ins Wasser. Außerdem sollte man nicht blutend oder in trüben Gewässern zwischen Essensresten schwimmen – zwei Vorsichtsmaßnahmen, die sicher keine allzu große Einschränkung bedeuten.

      Und schließlich lockt es die kleinen Monster an, wenn man beim Baden kreischend herumplantscht. Oft sind es deshalb Kinder, die von Piranhas verletzt werden. Diese Neugierde der Tiere kann man sich aber beim Angeln zunutze machen: Erst schlägt man mit einem Stock aufs Wasser, dann wirft man Haken aus, an die man saftige Rindfleischstücke hängt. Je nachdem wie ausgehungert die Fische sind, muss man allerdings sehr schnell reagieren – sonst ist der Köder abrasiert, bevor man den Fang eingeholt hat.

      Die größte Gefahr, zwischen die Zähne eines Piranhas zu geraten, besteht übrigens genau dann: Wenn man ihn vom Haken nimmt oder er mit geblecktem Gebiss und wild mit der Schwanzflosse schlagend im Boot herumhüpft. Man muss ihn aber gar nicht selbst fangen, um ihn probieren zu können: In vielen Restaurants entlang des Amazonas steht der schmackhafte Fisch, der je nach Art bis zu 40 Zentimeter groß werden kann, auf der Karte. Da er einen starken, würzigen Eigengeschmack hat, wird er oft nur mit Salz und Pfeffer abgeschmeckt. Meist wird er im Ganzen gebraten oder gegrillt und fletscht noch auf dem Teller sein imposantes Gebiss. Leider besitzt er unangenehm viele Gräten. Man sollte ihn daher schön vorsichtig essen, denn mit der Story, wie man einmal fast an Piranha-Gräten erstickt wäre, gewinnt man beim Party-Smalltalk keinen Blumentopf.

      2 Patatje Oorlog: Kriegserklärung an den Magen

       Name: Patatje oorlog, Friet oorlog

       Region: Niederlande

       Verzehr: Frisch aus der Fritteuse

       (c) www.snack-nieuws.nl unter CC Lizenz

      Blicken wir der traurigen Wahrheit ins Auge: Wir leben in einem Land der Fast-Food-Einfallslosigkeit. Offenbar setzt die Kreativität aus, wenn keine Schraube dran oder kein Motor drin ist. Pommes sind ein gutes Beispiel. Was könnte man mit diesen knusprig frittierten Kartoffelstangen, die sich nie mit zu viel Eigengeschmack in den Vordergrund drängen, alles anstellen! Stattdessen erleben wir: rot-weiße Tristesse. Oder in Jägersoße ertränkte Labberigkeit. Bestenfalls mal eine Prise Currypulver, aber auch nur als Dreingabe zur Currywurst.

      Dabei liegt die Inspiration gleich auf der anderen Seite der Grenze, in Belgien und den Niederlanden. Gut, man könnte jetzt einwenden: Das Leben besteht nicht nur aus Mahlzeiten beim Schnellimbiss. Es gibt aber im Leben eines jeden Menschen Momente, in denen nur eine Frittierbude sofortige Bedürfnisbefriedigung bieten kann. Nach einer Alkohol getränkten Nacht im Club, zum Beispiel, morgens, auf dem Heimweg. Wenn nach dem Coffeeshop-Besuch der Fressflash zuschlägt. Oder wenn Ballauf und Schenk mal wieder einen Fall gelöst haben.

      Unsere Nachbarn im Nordwesten haben in solchen Momenten die große Auswahl. Vielleicht liegt es daran, dass Pommes dort oft der Mittelpunkt einer Mahlzeit sind. Sie werden sogar derart geschätzt, dass viele Niederländer sie nicht sofort an der Snackbar herunterschlingen, sondern wie einen guten Freund zum Essen mit nach Hause nehmen. Das Geheimnis, wie man sie so lange knusprig hält, bis man am heimischen Esstisch angekommen ist, wurde dort allerdings auch noch nicht entdeckt.

      Bestellt man Patat (bzw. Friet) saté, manchmal heißen sie auch Patat pindasaus, dann bekommt man den Traum in Gold-Gelb mit süßlich-pikanter, heißer Erdnuss-Soße. Ein Souvenir aus jener Zeit, als Indonesien eine niederländische Kolonie war. Patat speciaal peppt die bei uns so beliebten Pommes Schranke mit Curryketchup und rohen, gehackten Zwiebeln auf. Und wer etwas wirklich Spezielles möchte, bestellt eine Kombination aus beiden. Die heißt dann Patat oorlog, was man am Tresen wie »Ohrloch« aussprechen sollte, und heißt übersetzt: Pommes Krieg.

      Warum, weiß keiner so genau. Nur, dass sich der Name in den 1980er Jahren schneller in Holland verbreitete als eine Magen-Darm-Infektion – trotz des Widerstandes, den einige Snackbar-Betreiber leisteten. Wer möchte schon ständig bei der Essensbestellung an Mord und Totschlag denken müssen? Ronald Consten, Inhaber der Frituur Reitz, dienstältester Frittiersalon der Niederlande, vermutet, der Name sei vom Aussehen der Spezialität inspiriert: »Alle Zutaten werden auf einen Haufen geschmissen – das sieht aus wie auf einem Schlachtfeld.« Vielleicht beschreibt »Pommes Krieg« aber auch das, was eine geballte Ladung Fett mit scharfer Soße und rohen Zwiebeln im Verdauungssystem anrichtet, wenn man es noch nicht auf Fast-Food-Diät umgestellt hat.

      In Holland hat noch eine weitere Schnellimbiss-Revolution ihren Anfang genommen, und zwar in Form von Automaten, die frisch frittierte Snacks verkaufen. Diese Automatieken verbinden wirklich das Beste aus allen Welten: Man sieht, was man bekommt, und zwar lebensechter als auf jeder bebilderten Speisekarte. Niemand muss anstehen und warten – man wirft einfach Geld ein, öffnet eine Klappe und zieht den gewünschten Snack heraus. Und das Allerbeste: Die schnelle Mahlzeit wurde nicht von einer Maschine zubereitet, sondern von einem Menschen, der an den Fritteusen im hinteren Teil des Imbisses hantiert. Genial. Oder auch völlig absurd und echt eklig – heißes, fettiges Essen aus dem Automaten?! In jedem Fall aber bieten die Automatieken das perfekte Preis-Kalorien-Verhältnis weit und breit. Auf Niederländisch sagt man dazu »eten uit de muur«: Essen aus der Mauer.

      Nicht irritieren lassen darf man sich, wenn die Patat plötzlich Patatje heißen. Der Holländer verniedlicht Namen eben gerne. Auf die Portionsgröße der »Pommes Krieg« hat das aber keinerlei Auswirkungen. Genau so wenig darauf, was nach dem Genuss der Mahlzeit möglicherweise in den Eingeweiden abgeht.

      3 Frittierte Butter: Fettiger wird’s nimmer

       Name: Deep-fried butter

       Region: USA

       Verzehr: Heiß und fettig

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       (c) David Nestor unter CC Lizenz

      Dass man so ziemlich alles Essbare (und noch so manches mehr) frittieren kann, ist nichts Neues. Es gibt Menschen, die sich der Illusion hingeben, etwas in kochendes Fett zu werfen sei dasselbe wie kochen, und daher dieses weite Feld für den Rest der Menschheit experimentell erforschen. Ihren großen Auftritt haben sie auf nordamerikanischen Jahrmärkten, dem Himmel für Junk-Food-Jünger. Frittiertes Snickers? Selbst hierzulande schon ein alter Hut – aber einst vermutlich irgendwo in Iowa uraufgeführt. Neuere Kreationen der Heiß-und-Fettig-Fraktion, die europäische Besucher noch überraschen könnten: Käsekuchen und Cola aus der Fritteuse.

      Wie um alles in der Welt frittiert man ein Getränk? Eigentlich egal. Die Frage müsste lauten: Warum?!

      Die Ernährungswissenschaftlerin Dr. Barbara J. Rolls von der Pennsylvania State University liefert nun eine überraschende Erklärung für das Essverhalten ihrer Landsleute: Sie seien alle unglaublich gestresst und wollten sich etwas gönnen, glaubt sie – erklärt jedoch nicht, warum gerade schlechtes Essen eine Belohnung darstellt. Das Zentrum im Gehirn, das bei zu viel Fett und Zucker Alarm schlägt, hat bei jenen Menschen vermutlich längst den Betrieb eingestellt. Derartige Reflexe in den Griff zu bekommen, sei schwierig, glaubt die Forscherin, denn heutzutage wüssten viele Menschen nicht, ob sie im nächsten Monat überhaupt noch einen Job haben. Da interessiere es natürlich weniger, ob das, was sie essen, für sie in fünf oder zehn Jahren schädlich sei.

      Abel Gonzales Jr. aus Dallas gebührt die Ehre, das wohl öligste, zuckrigste Essen auf diesem Planeten erfunden zu haben: Frittierte Butter. Fett, das man in flüssigem Fett erhitzt? Darauf muss man erst mal kommen. Natürlich wäre es echt eklig, einfach so in ein Stück Butter zu beißen. Daher spießt man einen 60-Gramm-Brocken (gerne auch mehr) auf ein Stäbchen und taucht ihn in einen Teig, bevor er drei Minuten lang brutzelt. Das Ergebnis: Frittierter Teig, der nicht nur außen, sondern auch innen vor Fett trieft. Die Butter schmilzt natürlich und läuft einem beim Reinbeißen über Kinn und Hände. Mit seinem Originalrezept, für das der texanische