„Ich wollte mich nur erkundigen, ob ihr Motor heute nicht anspringen will … sie sitzen schon einige Minuten in ihrem Wagen und fahren nicht los … kann ich ihnen behilflich sein?“, antwortet der freundliche ältere Herr.
„Nein, nein … es ist alles in Ordnung … danke für die Nachfrage“, und betätigt den Zündschlüssel. Es folgt ein kurzer Blick in den Rückspiegel und ihr kleiner Peugeot setzt sich in Bewegung. Die Gedanken an Tim Sander lassen sie auch beim Fahren nicht los. Einerseits wünscht sie sich, dass er an der Besprechung teilnimmt. Dabei könnte sie ihn das erste Mal näher kennenlernen. Andererseits befürchtet sie, dass sie dann in den Verhandlungen nicht so frei wie gewohnt auftreten würde. Sie empfindet, dass ihre Gefühle mit ihr regelrecht Achterbahn fahren. Mit gerunzelter Stirn stellt sie fest, dass auf ihrem Stammparkplatz ein fremdes Auto steht. Die Aufschrift an der Fahrerseite ist wahrlich nicht zu übersehen. Die großen meerblauen Buchstaben verkünden die Werbebotschaft: „Marina Akaziensee - Yachten- und Bootsausleihstation - Die Nummer eins in der Region.“ Auf dem Heck befindet sich eine Fotomontage mit fröhlichen Leuten auf einem schnittigen Sportboot. Keine schlechte Werbung für das Unternehmen - stellt Cornelia Nicolai beim Betrachten des Landrovers fest. Sie nimmt sich vor, im Gespräch nach der Werbeagentur zu fragen. Jetzt nur keine unnötige Zeit verlieren - der Besuch soll nicht noch länger warten. Der Geschäftsführer der Marina und Tim Sander sind einige Minuten vor ihr eingetroffen und haben am Besuchertisch Platz genommen. Bei einer Tasse Kaffee unterhalten sich beide angeregt. Im Vorbeigehen raunt sie ihrer Sekretärin fast unhörbar zu: „Danke meine Liebe … hast du wieder ganz hervorragend hinbekommen.“
Diese antwortet mit einem freundlichen Lächeln: „Schon gut … ist doch selbstverständlich … das mache ich doch gerne für sie.“
Cornelia Nicolai begrüßt die zwei Herren mit einem freundlichen: „Hallo, herzlich willkommen … ich freue mich, dass sie meine Einladung angenommen haben.“
Galant erhebt sich einer der Herren, überreicht ihr seine Visitenkarte mit den Worten: „Mein Name ist Tim Sander.“ Sie wirft einen kurzen Blick auf das Kärtchen. Darauf steht unter seinem Namen „Produktmanager“ - was das auch immer heißen mag -sind ihre Gedanken beim Lesen der Karte. Die im Vorfeld gehegten Befürchtungen einer gewissen Unsicherheit erfüllen sich glücklicherweise nicht. Jetzt ist sie wieder ganz die kühle Geschäftsfrau, die sich fest im Griff hat und keine Gedanken für private Dinge verschwendet. Mit einem freundlichen Lächeln bemerkt sie nicht gerade in einer zurückhaltenden Art: „Unser Direktor befindet sich noch im Urlaub … ich bin seine Assistentin und gewissermaßen die Schöpferin des heutigen Beratungsgegenstandes.“
Das Gespräch wird mit dem üblichen Smalltalk über Befindlichkeiten und Wetter eingeleitet. Tim Sander sitzt ihr schräg gegenüber. Während des Gedankenaustausches bleiben ihr die sie wiederholt streifenden abschätzenden Blicke von ihm nicht verborgen. Sie hat das Gefühl, dass er mehr die Frau als die Geschäftspartnerin in ihr sieht. Aber das empfindet sie in diesem Falle sogar äußerst angenehm. Ihre Wahrnehmung trügt sie nicht. Tim Sander ist von Cornelia Nicolai tief beeindruckt. Er sieht in ihr eine äußerst attraktive Frau mit einer tollen Figur. Er schätzt sie auf Mitte Dreißig. Den Altersunterschied könnte er demnach vernachlässigen. Wenn sie ihn anschaut, glaubt er, eine kurze Aufgeregtheit bei ihr zu spüren. Aber das kann auch nur Einbildung sein und misst seinen flüchtigen Wahrnehmungen keine weitere Bedeutung bei. Nach einigen Minuten wendet sich Cornelia Nicolai dem eigentlichen Gegenstand ihrer Besprechung zu. Das Gespräch verläuft ganz in ihrem Sinne. Die beiden Herren sind nach einer Kostprobe sehr angetan von der neuen Kreation des Schlehenlikörs. Tim Sander bemerkt mit einem vielsagenden Lächeln: „Ich kenne den bisherigen Likör Schlehenfeuer recht gut … dieser hält keinen Vergleich mit ihrem Produkt stand … es scheint ihnen etwas ganz Besonderes gelungen zu sein … das könnte ein richtiger Verkaufsschlager werden.“
„Dazu habe ich keine andere Meinung … nur das Etikett sieht ziemlich langweilig und mittelmäßig aus“, wirft der Geschäftsführer der Marina ein.
„Das spielt doch für uns keine Rolle … wir wollen den „„Schlehenzauber““ doch nicht flaschenweise verkaufen“, entgegnet ihm Tim Sander.
„Das nicht … aber denke doch bitte an die Präsentation im Rückbuffet an der Bar … die Leute bestellen nicht nur nach der Getränkekarte … und für den Absatz müssen wir schon gehörig die Werbetrommel rühren.“
„Sie haben recht … auch mir gefällt das Etikett nicht besonders gut … ich habe mich nicht genügen darum gekümmert … hatte ganz einfach andere Sachen im Kopf … können sie mir vielleicht einen Ratschlag geben, welche Werbeagentur in der näheren Umgebung dafür geeignet wäre?“
„Aber selbstverständlich“, wirft Tim Sander ein und ergreift sofort wieder das Wort. „ich kenne ein junges Team, welches auch für die Marina tätig ist … die machen richtig gute Arbeit … sind auch ganz preiswert … wenn sie es wünschen, dann spreche ich mit denen.“
„Darauf komme ich sicher zurück … danke für ihr