Martin J. Ost
Unheimliche Tage II
Rückkehr nach Zwielicht
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Inhaltsverzeichnis
Schock
Fast zwei Jahre waren nun nach unserem denkwürdigen Abenteuer auf dem Planeten Zwielicht vergangen, in das wir von Außerirdischen, die sich Bakarer nannten, verwickelt worden waren. Diese hatten damals den Tod meiner Frau Christine vorgetäuscht. Durch die Bakarer lernte ich dann auch Angelika kennen, die genau wie ich eine äußerst seltene Immunität gegen die Strahlung eines Erzes hatte, welches für die Bakarer von unermesslichen Wert war. Christine, deren Verlust mich an den Rand der völligen Verzweiflung gebracht hatte, wurde von den Bakarern einer Art Gehirnwäsche unterzogen. Sie lebte jetzt mit dem Mann von Angelika, dem von Seiten der Bakarer das Gleiche wie Christine widerfahren war, zusammen. Keiner der Beiden konnte sich auch nur im Geringsten an uns und sein früheres Leben erinnern, die Bakarer hatten alle Erinnerungen an das vorherige Leben konsequent ausgelöscht.
Nach anfänglichem erheblichem Widerstand hatte ich mich in meine Begleiterin, mit der ich haarsträubende und gefährliche Erlebnisse auf Zwielicht überstehen musste, verliebt. In dem kleine Ort im ostwestfälischen Eggegebirge, in dem ich lebe, hatte ihr Einzug in mein Haus so kurz nach dem für die Einwohner realem Tod meiner einheimischen Ehefrau einige mehr oder weniger verständnislose Reaktionen hervorgerufen, aber die Wogen hatten sich rasch geglättet. Angelika hatte im Umgang mit den Menschen viel Fingerspitzengefühl gezeigt und ihr offenes, selbstbewusstes aber nie arrogant wirkendes Wesen brachte ihr mit der Zeit viele Sympathien ein. Obwohl sie vom Typ her völlig anders als Christine war, kamen wir beide sehr gut miteinander aus und bereits nach kurzer Zeit war ich mit ihr genau so glücklich, wie ich es vorher mit Christine gewesen war.
Vor einem halben Jahr hatten wir Nachwuchs bekommen. Wir hatten für unsere neugeborene Tochter spontan den Namen Freya im Sinn gehabt, in Erinnerung an die charismatische Anführerin der Nachfahren der Cherusker, mit denen wir eine überraschende Begegnung auf dem eher ungastlichen Planeten Zwielicht, der sich tausende von Lichtjahren von der Erde entfernt befand, gehabt hatten. So nannten wir das Kind dann auch, was zu dem ein oder anderen Kopfschütteln bei Bekannten und Verwandten führte. Aber die kannten natürlich auch nicht den Hintergrund für unsere Namenswahl.
Wir hatten noch einmal im September 2013 das seit über zweitausend Jahren für Menschen unerkannt unter dem Eggegebirge stationierte Raumschiff, das den Namen des germanischen Gottes Wotan trug, aufgesucht und Informationen, unter anderem auch Filme und Fotos aus unserer heutigen Umgebung, aus der auch die nun auf Zwielicht lebenden Cherusker stammten, dort deponiert. Kando, unsere Kontaktperson auf Seiten der Bakarer, hatte zugesagt, diese Dinge den Cheruskern zukommen zu lassen. Dieses Zugeständnis hatte Angelika damals dem Bakarer in der Raumstation über Zwielicht abgerungen, während ich am Boden zerstört und völlig lethargisch bereits im Raumschiff auf den Rückflug zur Erde wartete. Minuten zuvor hatte mir Kando mitgeteilt, dass ich mit meiner Frau Christine nie wieder zusammen leben würde.
Seit jenen Tagen hatten wir nichts mehr von den Bakarern und den Cheruskern gehört. Trotz unseres Bedauerns, dass es keinen Kontakt mehr zu Freya und ihren Leuten gab, verblasste allmählich die Erinnerung an diese Zeit ein wenig. Vergessen würden wir die dramatischen Ereignisse aus jenen Tagen jedoch nie.
Auf dem Rückflug zur Erde hatte mich Angelika damals in die Realität zurückgeholt. Ihr Einfühlungsvermögen, zusammen mit ihrem körperlichen Reizen bewusst eingesetzt, ließen meine seelischen Qualen relativ schnell verblassen. Gemeinsam hatten wir wenige Tage nach unserer glücklichen Rückkehr auf die Erde die Stadt Marburg aufgesucht, in der Christine nun mit Angelikas Mann zusammenlebte. Beide waren in dem Glauben, sich bereits lange zu kennen und miteinander verheiratet zu sein. Selbstverständlich hatten die Bakarer dies auch durch die entsprechenden Dokumente belegt.
Wir sprachen die Beiden, nachdem sie ihr Haus gemeinsam verlassen hatten, unter einem Vorwand an, und keiner von ihnen zeigte auch nur das geringste Zeichen von einem Wiedererkennen. Trotz einer gewissen Trauer, die in meinem Kopf zurückblieb, waren danach meine letzten Zweifel und Vorbehalte an einer Verbindung mit Angelika ausgeräumt und als sich unsere Tochter ankündigte hatten wir im Mai 2014, gerade zehn Monate nachdem wir uns kennen gelernt hatten, geheiratet.
Ein Jahr war seitdem vergangen. Freya hatte sich seit ihrer Geburt im Dezember 2014 gut entwickelt und war ein für ihr Alter hübsches und kerngesundes Kind. Da Angelikas Arbeitgeber ihr einen Raum zur Verfügung stellen konnte, in dem sie unsere Tochter bei Bedarf stillen und wickeln konnte, hatte sie bereits drei Monate nach der Geburt ihre Tätigkeit in einer Reparaturwerkstatt für Kraftfahrzeuge, die ihr sehr viel Spaß machte, wieder aufgenommen. Mittlerweile hatten wir uns beide an den anderen Rhythmus, den das Leben mit einem Kind bringt, gewöhnt.
Als wir an diesem Dienstag, dem 19. Mai 2015 nach getaner Arbeit zu dritt gemütlich in der Küche zusammen saßen, konnten wir noch nicht ahnen, dass wir in wenigen Minuten den Auftakt zu einer Reihe von dramatischen Ereignissen erleben würden, die unser Leben, wieder einmal, gründlich durcheinander bringen würden.
Angelika hatte Freya gerade gestillt, als die sich die Türklingel bemerkbar machte. Ich erhob mich. „Hast Du eine Ahnung, wer das sein könnte?“ - Angelika, die gerade ihre Bluse wieder schloss, hielt einen Moment inne. Sie zuckte mit den Schultern. „Vielleicht die Amann. Ich hatte ihr einen Schmetterlingsflieder versprochen, der in unserem Garten übrig ist. Er steht schon im Flur. Gib ihr einfach den Topf.“ - „Kein Problem, wird gemacht.“ Ich begab mich in Richtung der Haustür. Frau Amann war unsere Nachbarin. Sie ließ kaum einen Kaffeeklatsch aus, an dem sie sich beteiligen konnte. Ihre scharfe Zunge wurde von vielen gefürchtet. Sie lag stets auf der Lauer nach Neuigkeiten, vor allem aus dem zwischenmenschlichen Bereich. So bekam sie viele Dinge mit, die sie dann anschließend mit dem größten Vergnügen und gegebenenfalls, wenn es der Erhöhung der Dramatik dienlich war, mit dem einem oder anderen frei erfundenen Detail an den Kaffeetafeln ihres Wirkungsbereiches wiedergab.
Angelika und ich waren ihr, als wir so kurz nach dem Tod von Christine zusammen gezogen waren, aus nahe liegenden Gründen als „gefundenes Fressen“ erschienen. Aber es war uns gelungen, sie auflaufen zu lassen. Wir ließen sie in dem Glauben, wir seien Geschwister und hätten eine Liebesbeziehung miteinander. Da jedoch bereits einige Dorfbewohner den wahren Sachverhalt kannten, was sie aber nicht mitbekommen hatte, wurde die Spötterin, als sie eine noch zusätzlich dramatisierte Version über unsere Beziehung aus ihrer Sicht verbreitete zur Verspotteten. In der Folgezeit fehlte sie mehrfach an den verschiedensten Kaffeetafeln. Angelika nutzte die Gunst der Stunde, besuchte sie mit einer Flasche Wein und einem selbstgebackenen Kuchen und unterhielt sich längere Zeit mit ihr. Abgesehen vom Altersunterschied