Königin der Spiegelkrieger. Werner Karl. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Werner Karl
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738052367
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wahren Identität erst seit kurzer Zeit. Und doch hatten sie ihn aufgenommen. Er verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln, das für die Männer und Frauen um ihn herum so aussah, als fletsche er die Zähne angesichts einer römischen Flotte vor seiner Schnauze.

      Lupinius strich sich mit einer Hand durch sein fast weißes Haar, das noch von wenigen grauen Strähnen durchzogen wurde.

      Dies wird mein letzter Kampf sein, dachte er und fühlte weder Bedauern noch Freude dabei. Über diese Gefühle war er längst hinaus.

      Doch bevor ich sterbe, werde ich mich bei Rom und meiner Familie dafür bedanken, dass sie mich vergessen haben.

      Bewundernd beobachtete er, wie die Cruithin geschickt jede der verwirrenden Strömungen nutzten, um den Römern im Nacken zu bleiben. Sie hielten dabei gerade so viel Abstand, dass sie noch die Spitzen ihrer Masten am Horizont ausmachen konnten.

      Die Sonne war vor einer halben Stunde aus dem Meer aufgetaucht und jeder proreta gab die Position benachbarter Schiffe der Flotte an seinen trierarchus weiter. Nach wenigen Minuten stand fest, dass sie während der Nacht kein Schiff verloren hatten und alle mehr oder weniger geschlossen auf Zielkurs lagen. Und dies, obwohl sie mehrmals mit unterschiedlichen Strömungsrichtungen zu tun gehabt hatten.

      Auch an diesem Morgen zog Nebel über die ruhige See und leise Rufe und Kommandos hallten durch die Schwaden.

      Ulpius Marcellus stand wie üblich auf dem Achterdeck seines Flaggschiffes und blinzelte ein wenig verschlafen, als auch Sidonius Gavius die wenigen Stufen zu ihm hochstieg und sich neben ihn stellte.

      Dieser setzte seine Faust auf sein Herz und wollte ein Wort sagen, als er über die Schulter seines Befehlshabers hinweg auf das Meer hinaus blickte. Sein sich zum Gruß ausstreckender Arm und die gerade noch geballte Faust öffneten sich und wiesen mit dem Zeigefinger auf dunkle Flecken in dem sich auflösenden Dunst.

      Marcellus drehte sich herum und sah in die angegebene Richtung. Mehrere Dutzend der dunklen Flecken bildeten eine unregelmäßige Reihe, die in ziemlicher Entfernung zu ihnen im Wasser zu treiben schien.

      »Was ist das, Herr?«, fragte Sidonius und versuchte gegen das aufkommende Sonnenlicht etwas zu erkennen. »Die Picten?«

      Ulpius Marcellus blieb gelassen und nickte. »Ich hatte es dir doch vor Kurzem gesagt, mein Freund. Sie werden uns nicht so einfach landen lassen. Aber sie sind noch weit weg. Wir haben Zeit genug, um uns bereit zu machen.« Er winkte die anderen Offiziere zu sich heran und gab einige rasche Kommandos. Die Männer schlugen zur Bestätigung nur ihre Rechte auf die Brust und gingen davon, um seine Befehle umzusetzen.

      Die Sonne löste nun rasch die letzten Nebelfetzen auf und mehr und mehr der dunklen Flecke tauchten daraus hervor und entpuppten sich tatsächlich als caledonische Currach.

      Antonius Farzatio, der trierarchus ihres Schiffes, grinste breit und wischte sich über sein schwitzendes Gesicht. Er war ein mehr als kräftiger Mann - einigen Vergnügungen nicht abgeneigt und davon war die Fresssucht noch die harmloseste - und seine Körperfülle führte dazu, dass er immer schwitzte. Er wischte seine nasse Hand an seiner Tunica ab und ignorierte die missbilligenden Blicke der beiden Männer vor ihm.

      »Wenn sie nicht mehr als diese Nussschalen haben, werden wir sie mit unseren Rammspornen in kleine Spreißel verwandeln, Herr.« Er wartete auf Zustimmung und grinste etwas weniger breit, als sie nicht kam.

      »Sie werden kaum diese … Boote bemannt haben, um sich von uns - so mir nichts, dir nichts einfach überfahren zu lassen«, mutmaßte Sidonius Gavius und musterte angestrengt die langsam herantreibenden Feindschiffe. »Ich kann niemanden an Bord entdecken … aber sie sind immer noch sehr weit weg, ich kann mich auch täuschen …« Seine Stimme verriet jedoch, dass er nicht daran glaubte.

      Auch Ulpius Marcellus und der Schiffskommandant bemühten sich, die genau aus Richtung der Sonne kommenden Schiffe zu betrachten, doch außer den dunklen Bootsrümpfen und den Segeln konnten sie keine Details ausmachen.

      »Lasst alle Mann antreten und die Masten und Rahsegel abmontieren. Wir bereiten uns auf eine Seeschlacht vor. Es soll mir recht sein, so einfach und so viele Picten wie möglich auf den Meeresgrund zu schicken«, sagte Marcellus und rückte seinen Helm zurecht und lockerte sein Gladius in der Schwertscheide. »Damit haben wir es an Land mit weniger zu tun. Wenn sie uns hier die Arbeit erleichtern, wollen wir dafür dankbar sein.«

      Rufe hallten über das Deck und Hornisten gaben Befehle an die anderen Schiffe weiter. Ruderschlag um Ruderschlag richtete sich die Flotte auf die vielen kleineren Boote aus, die nun zu mehr als einhundert Stück auf sie zutrieben. Und immer weitere tauchten aus den Sonnenstrahlen dahinter auf. Es verging eine viertel Stunde, bis beide Flotten sich aufeinander ausgerichtet hatten, wobei die römische Flotte der einzig aktive Teil war. Die kleinen Schiffe der Picten schienen führerlos in der Strömung zu treiben. Und diese führte die Boote exakt auf die Römer zu.

      Ulpius sah, wie Sidonius Gavius seine Stirn befühlte, so als würden ihm seine angestrengten Blicke bald Kopfschmerzen bereiten und beobachtete seinerseits konzentriert die Linie des Feindes. Die Boote hielten ihre Formation bei und doch war niemand an Bord zu sehen. Mittlerweile waren sich die Flotten so nahe gekommen und die Sonne so hoch gestiegen, dass die Römer nicht mehr gegen das Licht blinzeln mussten. Sie hatten eine recht gute Sicht auf die erste Reihe der Currach.

      Die erste Reihe … die Worte trieben wie zäher Honig durch das Gehirn des neuen Statthalters und dann schoss ihm ein neuer Gedanke heiß durch den Kopf.

      »Eine zweite Reihe!« Er musste den Gedanken laut ausgesprochen haben, denn sowohl Antonius Farzatio als auch Sidonius Gavius drehten sich ihm zu.

      »Ja, eine zweite Reihe dahinter und danach noch eine ...«, zählte der trierarchus auf und sein überhebliches Grinsen signalisierte, dass er dies nicht als Bedrohung ansah. »Auch diese sind winzig; wir werden sie alle zu Treibholz zermahlen.«

      Ulpius Marcellus ignorierte dessen Angeberei, sondern achtete gespannt auf Sidonius´ Gesicht.

      Anstatt ein weiteres Wort zu sagen, wirbelte dieser plötzlich herum und zeigte nach achtern.

      »Dort!«

      Die anderen Männer folgten seinem Ruf und blickten in die Richtung, aus der sie gekommen waren.

      Mehr als zweihundert Currach bildeten einen dichten Wall aus Holz und Segeln.

      Und diese Schiffe waren bemannt.

      Die Entfernung war doppelt so groß wie die zu den scheinbar unbemannten Booten in ihrer Segelrichtung, doch Ulpius Marcellus lief ein erster Schauer über den Rücken. Wenn auf jedem Currach zehn bis fünfzehn Mann fuhren, näherte sich ihnen damit eine Streitmacht von mindestens 2.000, vielleicht sogar 3.000 Mann. Sie kamen sehr langsam näher und ein Seemann wie Farzatio hätte dies dem Umstand zugeordnet, dass die Picten - wie auch die Römer - gegen die Strömung rudern mussten und vielleicht mit fünfzehn Mann pro Boot an der Grenze der Überladung operierten.

      Doch Ulpius Marcellus war mehr Soldat und Stratege als ein Seemann.

      »Diese dort hinten werden nicht den Angriff führen. Die warten auf etwas …«, sagte er und wieder kroch ihm ein Schauer über die Haut.

      Alle drei drehten sich wieder in Segelrichtung und musterten nun mit ganz anderen Augen die Linien der treibenden Boote.

      »Da!« Dieses Mal war es Antonius Farzatio, der mit seinem Finger zustieß wie mit einem Dolch und nach vorne deutete. »Die Boote sind mit Seilen aneinandergebunden; so halten sie die Formation.«

      Der Abstand hatte sich nun so weit verringert, dass sie auch in die Boote blicken konnten.

      »Es ist niemand an Bord zu sehen. Die Schiffe scheinen mit Waren beladen zu sein«, sagte Ulpius Marcellus und betrachtete dicke Packen, die mit Fellen und Stoffen bedeckt waren. Der gesamte Innenraum der Schiffe war vollgestopft. Für einen Augenblick dachte er an unter Decken verborgene Krieger.

      Im ersten Moment ein wenig verwirrt, dann nickend, als wäre ihm der gleiche Gedanke durch den Kopf gegangen, fragte Sidonius