Königin der Spiegelkrieger. Werner Karl. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Werner Karl
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738052367
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standen diese Fragen so klar im Kopf, dass er für einige Sekunden darüber nachdachte, ob er jetzt im hohen Alter die Fähigkeit des Gedankenlesens errungen hätte, so wie es in uralten Legenden dem einen oder anderen Druiden nachgesagt wurde.

      Arianrhods nächste Worte rissen in aus der Grübelei und bestätigten ihr Vertrauen in ihn.

      »Wie lange wirst du für diese Reise benötigen?«, fragte sie und hatte schon die nächste Frage auf der Zunge. »Und was spricht dagegen, einen Vorrat des Trankes herzustellen, damit Púca im Notfall Krieger erwecken kann?«

      Sétanta hätte sich beinahe auf die Zähne gebissen, denn Púca war zwar Druide wie er selbst, längst nicht so alt wie Sétanta, aber er wirkte auf Sétanta ein wenig einfältig. Jeder wusste von den beschränkten Fähigkeiten Púcas, doch er tat sein Bestes und heilte die Kranken, schloss Ehen und hielt an den Festtagen die Rituale ab. Allerdings taugte er in Sétantas Augen nicht als Lehrmeister und schon gar nicht als Bewahrer eines solch uralten Geheimnisses.

      Trotzdem nickte Sétanta. »Ich denke, dass ich in acht oder neun Tagen wieder hier sein kann. Und ja, natürlich kann mein verehrter Kollege Púca wenigstens dies tun, solange ich fort bin und mein Wissen noch nicht an … geeignete Schüler und jüngere Träger dieser Verantwortung weitergegeben habe. Ich werde ihm vor meiner Abreise einen Vorrat brauen und mit allen notwendigen Anweisungen vertraut machen«, sagte er scheinbar ergeben.

      Aber ich werde ihm niemals alle Einzelheiten und schon gar nicht die Tafel selbst überlassen. Nur mir gehört jetzt diese Macht und ich werde sie nicht aus den Händen geben, solange ich lebe.

      Swidger stapfte über das dichte Gras des Lagers und bemerkte mehr beiläufig, dass ein guter Teil der Spiegelkrieger fehlte. Sie hatten auf Anraten Marcellus Maximus Lupinius ein Viertel ihrer Streitmacht an die Westküste von Breith verlegt, angeführt von Maelchon mac Cean, Máiri von den Vacomagi und dem Wolf selbst. Ein weiteres Viertel hatte sich trotz aller anderslautenden Vermutungen an die Ostküste aufgemacht, um unter der Führung von Catriona maqq Horestiani und Fionnghal mac Carnonacae auf eine römische Flotte zu warten, die wahrscheinlich dort gar nicht kommen würde. Aber sicher war sicher.

      Der Rest - was augenblicklich die Hälfte bedeutete und etwas mehr als 40.000 Männer und Frauen ausmachte - bereitete sich hier darauf vor, den Marsch in den Süden zu beginnen, der unmittelbar bevorstand. Alle warteten nur darauf, dass sich Arianrhod mac Ruith, die Krone des Nordens, an ihre Spitze setzte und den Vernichtungsfeldzug, den sie vor dem Winter gegen den Hadrianswall erfolgreich geführt hatten, jetzt mit neuem Schwung darüber hinaus tragen und die Römer bis an die Südküste von Breith zu treiben.

      Und am besten direkt ins Meer.

      Swidger drehte sich noch einmal um und sah beruhigt, wie ein gutes Dutzend der allerbesten Cruithinkrieger das Tor zu Arianrhods Befestigung bewachten. Weitere Paare patrouillierten gegenläufig um das runde Gebäude und verständigten sich ab und an mit den Wachen auf den entfernten Türmen, die Swidger zusammen mit dem Wolf angeregt hatte und die sie weit über die Berge und Täler blicken ließ.

      Er war noch mit ähnlichen Gedanken beschäftigt, als er an die gemeinsame Unterkunft kam, die er sich mit Inga teilte. Als Zugeständnis an ihre germanische Herkunft hatte er zusätzlich zum Wappen der Ruiths ein Bild Wotans anbringen lassen. Doch der Cruithin, der es gemalt hatte, besaß wenig Talent, und so blickte dem großen Germanen anstelle eines furchtgebietenden Donnergottes ein etwas schief geratener alter Mann entgegen, in dessen Händen die angedeutete Donnerwolke wie ein Haufen Schafswolle aussah.

      Er verzog seinen Mund zu einem verzeihenden Grinsen und hoffte, das sein Gott den Gedanken an ihn höher einschätzte, als die Qualität der Zeichnung. Swidger hatte das leichte Lächeln noch auf dem Gesicht, als er eintrat und Inga schwer beschäftigt vorfand. Sie nahm etwas von einer Stelle und trug sie zu einer anderen. Dann wieder nahm sie den Gegenstand und brachte ihn zurück, wo sie ihn hergenommen hatte. Das ohnehin schwache Lächeln auf seinem Gesicht verschwand.

      »Was tust du? Ist dir unser Heim nicht schön genug?«

      Sie wirbelte herum, da sie ihn in ihrem Tun nicht hatte kommen hören.

      »Heim? Diese armselige Holzhütte nennst du ein Heim?« Sie betrachtete den Gegenstand, den sie gerade in Händen hielt - es war ein einfacher Tonbecher - und stellte ihn so hart auf den kleinen Tisch, dass der Becher zersprang. »Das hier ist ein fremdes Land, und all die Menschen um uns herum - ob nun tot oder nicht - sind auch Fremde.«

      Sie trat an ihn heran und erreichte mit ihrer Körpergröße gerade mal sein Kinn. Trotzdem machte er einen halben Schritt zurück, als sie ihn mit ihrem ausgestreckten Finger aufzuspießen schien.

      »Du und ich sind hier die einzigen Germanen. Bei den Römern hatten wir wenigstens noch Landsleute. Hier sind wir völlig allein. Und es sieht nicht so aus, als würde sich das dieses Jahr oder auch in den nächsten zehn Jahren ändern. Ich habe keine Lust, Kinder unter Fremden aufzuziehen und zuzusehen, wie aus Germanen primitive Barbaren werden.«

      Swidger machte den Versuch eines Scherzes.

      »Die Römer bezeichnen auch uns Germanen als Barbaren. Jeder, der kein Römer ist, ist in ihren Augen ein Barbar.«

      »Genau das ist es doch. Wir waren Sklaven, Vasallen und keine freien Germanen …«

      »Jetzt sind wir frei.« Auch dieser Versuch verpuffte an ihrer Aufgeregtheit.

      »Pah, frei!« Sie hatte sich in Fahrt geredet und jetzt brach alles aus ihr heraus, was sie in all den vergangenen Monaten hingenommen und geschluckt hatte.

      »Du verbringst mehr Zeit mit deiner neuen Königin als mit mir, deinem Weib«, warf sie ihm vor und wieder stach ihr ausgestreckter Finger nach ihm.

      »Wir sind von keinem Priester …«, wagte er einzuwenden, doch sie kam jetzt richtig in Fahrt.

      »Blödsinn, Priester. Wo sollen wir in dieser Wildnis einen germanischen Priester herbekommen? Und wag es ja nicht, mir mit dem uralten Sétanta oder - noch schlimmer - diesem Púca zu kommen. Sie sind weder Germanen, noch kennen sie unsere Bräuche …«

      »Aber es sind heilige Männer«, unterbrach er sie wieder und wusste im gleichen Augenblick, dass er schon wieder einen Fehler begangen hatte.

      »Pah! Heilige Männer. Ich traue diesem Sétanta nicht weiter über den Weg, als ich spucken kann.« Sie wirbelte herum und schien nach etwas zu suchen, dass sie packen und an die Wand oder nach ihm schleudern konnte. Aber entweder hatte sie es schon eingepackt oder es war nichts in der Nähe, was diesen Zweck hätte erfüllen können.

      Swidger stand wie ein steifer Klotz im Raum und musste ihr im Stillen recht geben. Auch er misstraute Sétanta. Im Augenblick war er immer noch auf einer Reise zur Insel Ynys Môn, wurde aber jeden Tag zurückerwartet. Was er dort tat, wusste Swidger nicht, und wenn er genau darüber nachdachte, wollte er es auch gar nicht wissen.

      »Ich führe Arianrhods Leibgarde und da ist es meine Pflicht in ihrer Nähe zu sein. Ich bin ihr einziger Schutz«, versuchte er vom Thema Priester und Heirat abzulenken. »Jetzt, wo Túan nicht mehr da ist«, schob er nach und eine Woge unterdrückter Wut und Resignation durchflutete ihn.

      Für einen Augenblick sah er ein wenig Mitleid in Ingas Augen, doch die hielt nur einen Moment lang an.

      »Du hast ihr schon im Kastell Blicke zugeworfen, gib es zu. Ich war damals fast ständig in ihrer Nähe und hatte Zeit genug, deine Lüsternheit zu sehen.« Sie stellte sich wie ein wütender Stier vor ihn hin und stemmte dabei die Hände in die Hüften.

      »Natürlich hab ich sie angesehen, sie ist eine schöne Frau und ich bin nicht blind …« gab er zu.

      »Aha!«

      Nun wurde er selbst wütend und reckte sein Kinn angriffslustig nach vorn. Zu seiner Genugtuung machte Inga einen Schritt rückwärts.

      »Nichts aha! Ich bin ein Mann. Dazu noch ein Germane. Und es ist nicht unsere Art, vor schönen Frauen die Augen zu senken oder abzuwenden, egal ob sie für uns unerreichbar sind oder nicht. Nur Waschlappen und Höflinge