„Aber der Typ dahinter stirbt, Sir.“
„Wahrscheinlich war er schwer verletzt und hat es einfach nicht geschafft. Verdammtes Pech. Die Temperatur ist schon zu weit abgesunken. Hat keinen Sinn, zu ihm vorzustoßen und eine Reanimation einzuleiten. Die Hirnschäden wären schon viel zu weit fortgeschritten. Sehen wir zu, dass wir die beiden anderen herausholen.“
Die drei nach unten gestürzten Deckenkonstruktionen waren angeschlagen und jede zusätzliche Belastung konnte dazu führen, dass sie in sich zusammenbrachen und die beiden Überlebenden hinter ihnen doch noch erschlugen. Sie durften also nicht belastet oder erschüttert werden. So sehr es die Kavalleristen auch zur Eile drängte, sie konnten nicht einfach mit der Kraft ihrer Anzüge zupacken und die Hindernisse auseinanderreißen. Eine Soldatin brachte die Kombisäge, mit der man auch senkrecht in Material hineinsägen konnte. Leise singend fraß sich das Sägeblatt in das Holz und die Frau schaltete das Gerät sofort ab, als sie dahinter auf einen Hohlraum stieß.
„Wie groß wollen Sie es, L-T?“
„Selbst wenn wir kriechen ... Mit unseren Anzügen brauchen wir etwas Platz“, seufzte Bradshaw. „Wenigstens einen Meter breit und achtzig Zentimeter hoch. Wenn es geht, darf es auch mehr sein.“
Die Frau schaltete auf Hochdruckstrahl und fräste sich durch das Holz. Nur Augenblicke später konnte das ausgeschnittene Holzstück herausgeholt werden.
Bradshaw sah in die Öffnung. Ein wenig Licht fiel durch Ritzen zwischen den Bohlen hindurch, aber es war zu wenig, um wirklich etwas erkennen zu können. Er schaltete die Restlichtverstärkung ein, denn er befürchtete, dass das grelle Licht seiner Helmscheinwerfer die Verschütteten erschrecken könnte. „Hier ist die Sky-Cav. Wir sind hier, um euch zu retten. Könnt ihr mich hören?“
Er hörte ein Wimmern und sah eine schattenhafte Kontur, die allerdings wenig mit einem Menschen gemein zu haben schien. Der Lieutenant brauchte einen Moment, bis er begriff, dass er es mit zwei Kindern zu tun hatte, die sich eng aneinander klammerten. „Hallo Kinder, mein Name ist Tim. Wir werden euch jetzt da herausholen. Ihr braucht keine Angst mehr zu haben, okay?“
Überreste der Einrichtung blockierten den Zwischenraum. Bradshaw überlegte, welche Optionen sie hatten. Die sperrigen Sachen nach und nach herauszuräumen, würde Zeit beanspruchen. Er betrachtete die angeschlagene Decke, die sich zu seiner Rechten befand. Dort, wo seine Leute bereits einen guten Teil der Trümmer ausgeräumt hatten. Sollten sie doch einen Durchbruch riskieren? Nein, nur wenn sie zuvor Abstützungen angebracht hatten. Der nach innen gebrochene Balken, der ein Leben gekostet hatte, war Warnung genug. Bradshaw fluchte lautlos. Das erlöschende Wärmeecho musste die Mutter der beiden Kinder sein. Nein, kein Risiko, wenigstens die Kinder mussten überleben.
Er schaltete seinen Funk ein. „First-Sergeant Fernandez, falls Sie Zeit haben ...“
„Auf dem Weg, Sir“, kam die sofortige Erwiderung. „Was brauchen Sie?“
„Kombisäge, Bergungstuch und Material zum Abstützen. In der Reihenfolge.“
„Und ein paar zusätzliche Hände, Sir“, stellte der Unteroffizier sachlich fest. „Alles auf dem Weg, L-T.“
Die Soldatin schob sich hinter den Lieutenant. „Wollen Sie das selber machen, Sir?“
„Geben Sie schon her, verdammt, ich werde mich schon nicht schneiden.“
Die Frau grinste und reichte ihm das Werkzeug. „Ich klebe Ihnen am Arsch, Sir. Reichen Sie mir, was Sie nicht mehr brauchen.“
Bradshaw begann die störenden Teile in handliche Fragmente zu zerlegen und schob sie hinter sich, wo die Frau sie übernahm und weiter nach hinten durchreichte. Langsam arbeitete sich der Offizier vorwärts. Die Kinder mochten rund fünf Meter von ihm entfernt sein. Eine kurze Strecke, wenn kein Hindernis dazwischen lag und man gehen konnte, doch Bradshaw kroch auf dem Bauch, denn es war nicht viel Platz.
„Der Sarge ist mit dem Bergungstuch und zwei Jungs da“, meldete ihm die Soldatin. „Jetzt geht es schneller. Soll ich das Tuch nach vorne reichen?“
„Ja. Und der Sarge soll mir ein paar Hölzer und Keile nach vorne geben.“ Bradshaw nahm die erforderlichen Maße mit seinem Scanner und übermittelte sie an Fernandez und Corporal Götz, der inzwischen einen ansehnlichen Stapel solider Hölzer und Keile unterschiedlicher Größe vorbereitet hatte.
Die Soldatin schob das Bergungstuch zu ihm vor. Es besaß die Abmessungen eines Menschen, sechs Handgriffe und war aus extrem reißfestem Gewebe hergestellt. Man konnte mit ihm Verletzte oder, wie in diesem Fall beabsichtigt, Trümmerteile und Schutt transportieren. Bradshaw begann damit, die zerkleinerten Teile auf das Tuch zu räumen und als er fertig war, zog die Frau es nach hinten, wo es von Fernandez angenommen wurde. Es wurde ausgekippt und wieder zum Lieutenant geschoben. Da man jetzt nicht jedes Teil einzeln von Hand zu Hand reichen musste, kam der Offizier schneller voran. Endlich hatte er die Kinder erreicht.
Er erinnerte sich an das, was man ihm beigebracht hatte. Dass Kinder oft erschraken, wenn sie die Schutzhelme von Helfern vor sich sahen. Bradshaw löste seinen Helm und nahm ihn ab, regulierte die Scheinwerfer auf geringe Leistung und legte die Kopfbedeckung dann so ab, dass sie genug Licht gab, damit die Kinder ihn erkennen konnten.
„Hallo, Kinder, da bin ich. Ich bin Tim und hole euch jetzt hier heraus. Euer Vater Per wartet schon sehnsüchtig auf euch.“
Die Kinder reagierten nicht und der Lieutenant begann, beruhigend auf sie einzureden. Schließlich reagierte eines der Mädchen und Tim Bradshaw konnte dessen Hand berühren. Die Kleine begann zu weinen und fragte nach ihrer Mutter. Tim presste die Lippen aufeinander und versicherte den Kindern dann, dass man sich um ihre Mutter kümmere.
Langsam gelang es ihm, so viel Vertrauen zu gewinnen, dass die Kinder ihm endlich folgten.
Das Wiedersehen der beiden mit ihrem Vater war herzzerreißend und hinterließ einen schalen Beigeschmack bei den Troopern, denn die kleine Familie hatte einen geliebten Menschen verloren.
First-Sergeant Fernandez spürte genau, was in seinem Lieutenant vor sich ging. „Wir haben die Mädchen und ihren Vater herausgeholt, L-T. Das war verdammt gute Arbeit, Sir.“
„Aber die Mutter haben wir nicht gerettet.“
„Nein, Sir, das haben wir nicht. Aber wir können nicht alle retten, Sir. Manchmal kommt man einfach zu spät und muss das akzeptieren.“ Fernandez deutete auf die Überlebenden der Familie. „Wir haben ein Leben verloren, aber wir haben drei auf der Haben-Seite. Und jetzt, Sir, sollten wir uns darauf konzentrieren, dass auch andere auf unsere Hilfe hoffen.“
Tim Bradshaw atmete mehrmals tief durch. „Sie haben recht, Sarge. Die Leute verlassen sich auf uns und sie sollen nicht umsonst auf Hilfe hoffen.“
„Das ist die richtige Einstellung, Sir.“
Der Lieutenant straffte sich und erhob seine Stimme. „Das habt ihr verdammt gut gemacht, Troopers. Und jetzt weiter. Wir haben noch eine Menge zu tun.“
„Ihr habt den L-T gehört“, knurrte Fernandez. „Wir sind die Sky-Cav und die Cav kommt immer rechtzeitig, um Hilfe zu bringen. Also, bewegt euch.“
***
Die Einheiten der siebenten Raumkavallerie wurden hinter den Löschkräften und Bergungstruppen abgesetzt. Die Siebente sollte die medizinische Versorgung sicherstellen und die Überlebenden betreuen. An den Landepunkten des Regiments gab es kaum Zerstörungen. Zwar erwiesen sich viele Häuser als beschädigt und hatten Fensterscheiben oder Dächer eingebüßt, doch die Wände waren meist unversehrt. Die Straßen waren größtenteils frei von Trümmern oder wurden gerade geräumt.
Die Sky-Trooper registrierten dankbar, wie viele Überlebende es gab und vor allem, dass diese sich größtenteils als gut organisiert zeigten. Natürlich gab es auch Verletzte und unter Schock stehende, doch sie wurden versorgt und betreut. Hier zeigte sich der Mensch von seiner besten Seite und half, oft mit