Perlau nickte. „Ich hoffe, ich kann Ihnen behilflich sein.“
„Doktor, damit wir uns nicht missverstehen ... Wir alle sind verdammt froh, wenn Sie und Ihre Kollegen uns behilflich sind. Sehen Sie, wir Medo-Techs sind wirklich gut, aber wir sind auch in erheblichem Umfang auf unsere Geräte und vor allem die Tiefenscanner angewiesen. Jeder Trupp der Sky-Cav da draußen verfügt über einen Sanitäter mit einem einfacheren Scanner, mit dem man Verletzungen diagnostizieren kann. Aber da draußen können wir jeden Humanmediziner gebrauchen, der unseren Leuten sagt, welche Prioritäten bei dem zu erwartenden Massenanfall von Verletzten zu beachten sind. Ich will es einfach ausdrücken, Doktor: Da draußen arbeiten unsere Leute nach dem Prinzip, was schreit, das lebt und hat noch Kraft. Wir machen uns primär um die Sorgen, die ruhig sind.“
„Im Grundsatz ist das richtig“, meinte Perlau lächelnd. „Was machen Sie übrigens mit erkrankten Personen?“
„Wir können in jedem MH die Bio-Schutzstufe Vier einrichten. Absolute Isolation für bis zu dreihundert Patienten. Jedem Patienten wird beim Passieren der Scanner von einem Medo-Tech etwas Blut abgenommen, um Blutgruppen und Erkrankungen festzustellen. Die Blutgruppenbestimmung benötigen wir eigentlich nur für den absoluten Notfall, wir haben nämlich große Vorräte an Nullblut, welches ja für jeden Patienten verwendbar ist. Na, jedenfalls, bei der Blutentnahme wird auf alle Substanzen oder Bestandteile untersucht, die da normalerweise nicht hineingehören. Entdecken wir Bakterien, Viren oder etwas anderes, dann geht das Ergebnis an die Ärzte. Die müssen ...“ Captain van Dyke unterbrach sich und lauschte. „Hört sich so an, als träfen gleich die ersten Patienten ein.“
Perlau vernahm nun ebenfalls das typische Auf und Ab der Schallgeber eines Rettungsfahrzeuges. „Wenn ich mich irgendwo frisch machen kann, dann würde ich gerne behilflich sein.“
Der Captain zeigte dem Mediziner den Weg. Jedes der Mobilen Hospitäler verfügte über zwanzig Ärzte verschiedener Fachrichtungen und einen Hundertschaft an Medo-Technikern. Dazu kamen jene Trooper, welche die Funktion der Krankenträger und Pfleger wahrnahmen. Doris van Dyke war über jede Hilfe dankbar, denn sie ahnte, dass die medizinischen Versorgungseinheiten bald bis an die Grenzen ihrer Kapazität ausgelastet sein würden.
Kapitel 7
Orbitalstation, geostationär über Kolonialwelt Neijmark.
Die Besatzung der Orbitalstation hatte überwiegend die Funktion des Zuschauers inne. Alle Bewegungen im äußeren und inneren Luftraum von Neijmark sowie die Flüge der Atmosphäreflieger, wurden seit nunmehr drei Tagen vom Sky-Command des Trägerschlachtschiffes koordiniert. Inzwischen lag auch das Hospitalschiff Henry Dunant im Parkorbit. Mit seinen knapp sechshundertfünfzig Metern Länge wirkte es vergleichsweise klein, da es direkt neben der riesigen Trafalgar lag. Die Henry Dunant hatte einen Pendelverkehr zur Oberfläche eingerichtet und nutzte dazu ihre zwanzig Ambulanz-Shuttles.
Die Tätigkeit der Männer und Frauen der Orbitalstation beschränkte sich inzwischen darauf, den Funkverkehr zwischen der provisorisch eingerichteten Stadtverwaltung und den kleineren Bauernhöfen und Farmen zu übernehmen und so das Sky-Command zu entlasten.
Seit drei Tagen liefen die Rettungsmaßnahmen und es zeichnete sich ab, dass Neuwstat schwer getroffen worden war. Dennoch waren die Verluste leichter, als man zunächst befürchtete. Obwohl zwei Drittel der Stadt zerstört waren, hatten rund fünfunddreißigtausend der fünfundvierzigtausend Einwohner überlebt. Mehr als Achttausend waren jedoch mehr oder weniger schwer verletzt worden. Inzwischen wurden alle Überlebenden versorgt und die Sky-Trooper begannen am Boden mit der Bergung der verschütteten Toten und dem Ablöschen der letzten Glutnester.
Werner Schmitt hatte seinen Becher an der Kaffeemaschine aufgefüllt und lehnte an einer der Arbeitsstationen, während er durch den Klarstahl der Kuppel auf den Planeten hinunterblickte. „Ich verstehe einfach nicht, wie das passieren konnte“, sinnierte er.
Sein Kollege Piet de Smeet zuckte mit den Schultern. „Wir glauben nun einmal die Technik zu beherrschen, aber manchmal beweist sie uns, dass das doch nicht so ganz der Fall ist.“
Schmitt schüttelte den Kopf. „Das war kein technisches Versagen, Piet.“
Der ging selber zur Kaffeemaschine und schenkte sich ebenfalls ein. „Na, wenn das kein technisches Versagen war ... Die Steuerung der My Starship funktionierte nicht, die Bremstriebwerke brachten keine ausreichende Leistung ...“
„So ein verdammter Blödsinn!“ Schmitt wandte sich derart heftig um, dass etwas Kaffee aus seinem Becher schwappte. „Hast du diese schwachsinnigen Funksprüche vergessen?“
Agneta Ranskög, die Inspektorin der interstellaren Flug- und Transportwesen-Sicherheitsbehörde, räusperte sich. „Die IFTS wird diese Katastrophe ohnehin genauestens untersuchen müssen. Aber ich stimme Ihnen zu, Schmitt, das war ein sehr merkwürdiger Unfall. Wir haben die My Starship mehrfach angefunkt und immer nur dieselbe Antwort erhalten. Als sei es eine Aufzeichnung gewesen.“
„Hm, ja, das stimmt“, erinnerte sich Piet jetzt.
„Vielleicht ergibt die Auswertung der Datenbänder und optischen Aufzeichnungen etwas“, seufzte die Inspektorin.
„Von den optischen Aufzeichnungen verspreche ich mir nicht viel“, knurrte Schmitt. „Das verdammte Schiff kam in einem ungünstigen Winkel und verflucht schnell herunter.“
„Sie wären überrascht, was man in der Auswertungsstelle der IFTS noch herauskitzelt. Wir müssen ja jeden Flugunfall untersuchen. Ob im Weltraum oder innerhalb einer Atmosphäre. Da haben wir es oft mit beschädigten Flugschreibern oder qualitativ miesen Daten zu tun. Wir haben vier große Tetroniken, die darauf programmiert sind, die Qualität zu optimieren und beschädigte Daten zu restaurieren.“ Agneta Ranskög setzte sich an Schmitts Arbeitsplatz. „Offen gesagt würde ich mir die Daten selber gerne einmal ansehen. Wo ist der Speicherort, Controller Schmitt?“
Der kam zu ihr, beugte sich vor und rief die optische Datei auf. Selbst Piet wurde jetzt von Neugierde gepackt und trat heran, als die optische Aufzeichnung des Absturzes über den Monitor lief. Man sah das herankommende Raumschiff und wie es in die Atmosphäre eindrang, bevor es zerbrach und seine Überreste am Boden detonierten.
„Zurück und langsam“, meinte Schmitt und gab die entsprechenden Befehle in die Tastatur ein.
Diesmal war die My Starship besser zu erkennen, aber dem Bild fehlte es deutlich an Schärfe.
„Kriegen Sie das irgendwie schärfer, Schmitt?“, fragte Agneta. „Aber ohne die Originaldatei zu verändern.“
„Schon klar.“ Schmitt kopierte die Datei und ließ sie über ein Bildbearbeitungsprogramm laufen. „Viel wird nicht dabei herauskommen. Auf solche technischen Spielereien sind wir hier nicht eingerichtet. Aber ein bisschen mehr müssten wir erkennen können.“
Wieder flog das große Touristen-Raumschiff auf Neijmark zu.
„Halt! Standbild!“, rief Agneta Ranskög und fluchte dann erbittert. „Verdammt. Ein Stück zurück, Schmitt. Noch etwas. Halt! Da!“
Das Bild war noch immer unscharf, dennoch erkannte man jetzt ein paar Details, die den Betrachtern bislang verborgen geblieben waren.
„Mein Gott“, ächzte Schmitt. „Die armen Schweine müssen in einen Meteoritenschauer geraten sein. Das Schiff war ja ein Wrack. Ein Wunder, dass