Winnetou. Karl May. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl May
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752992748
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      »Irgend woher.«

      »Das ist sehr richtig. Vielleicht sogar vom Himmel herunter! Denn von da herunter müssen sie gefallen sein, weil man sonst ihre Fährte sehen müßte. Nein, es ist noch Leben in dem Büffel gewesen, und er hat sich, als er erwachte, von hier fort und in die Büsche geschleppt; dort ist er natürlich inzwischen verendet. Wollen gleich einmal nachsuchen.«

      Er ging mit seinen Leuten der Spur nach. Vielleicht hatte er geglaubt, ich würde mitgehen; ich tat dies aber nicht, denn die höhnische Art und Weise, in der er mit mir gesprochen hatte, gefiel mir nicht, und ich hatte zu arbeiten; übrigens konnte es mir auch sehr gleichgültig sein, wohin die Leiche des alten Bullen gekommen war. Ich wendete mich also meiner Beschäftigung wieder zu, hatte aber noch nicht zur Messstange gegriffen, als aus dem Gebüsch ein vielstimmiges Angstgeschrei erscholl; zwei, drei Schüsse krachten, und dann hörte ich Rattler rufen:

      »Auf die Bäume, schnell auf die Bäume, sonst seid ihr verloren! Er kann nicht klettern.«

      Wen meinte er, der nicht klettern konnte? Da kam einer seiner Leute aus dem Gebüsch gesprungen, und zwar in Sätzen, wie man sie nur in der Todesangst zu machen vermag.

      »Was ist's, was gibt's?« rief ich ihm zu.

      »Ein Bär, ein gewaltiger Bär, ein grauer Grizzlybär!« keuchte er, indem er an mir vorüberrannte.

      Zu gleicher Zeit schrie eine zeternde Stimme:

      »Zu Hilfe, zu Hilfe! Er hat mich fest! Oh, oh!«

      In dieser Weise konnte ein Mensch nur dann brüllen, wenn er den offenen Rachen des Todes vor sich gähnen sah. Der Mann befand sich jedenfalls in der äußersten Gefahr; es mußte ihm Hilfe werden. Aber wie? Ich hatte mein Gewehr beim Zelte gelassen, weil es mich bei der Arbeit hinderte. Dies war keine Unvorsichtigkeit von mir gewesen, da wir Surveyors ja die Westmänner zu unserem Schutze bei uns hatten. Wollte ich erst nach dem Zelte laufen, so wurde der Mann, ehe ich zurückkam, von dem Bären zerrissen; ich mußte also hin zu ihm, so wie ich war; ich hatte nur das Messer und die beiden Revolver im Gürtel. Was sind aber das für Waffen gegen einen Grizzlybären! Der Grizzly ist ein naher Verwandter des ausgestorbenen Höhlenbären und gehört eigentlich mehr der Urzeit als der Gegenwart an. Er wird bis neun Fuß lang, und ich habe Exemplare erlegt, welche ebenso viel Zentner schwer waren. Seine Muskelkraft ist so riesig, daß er, einen Hirsch, ein Fohlen oder eine Bisonfärse im Rachen, mit Leichtigkeit davontrabt. Ein Reiter kann ihm nur dann entfliehen, wenn er ein sehr kräftiges und ausdauerndes Pferd besitzt, sonst holt ihn der graue Bär sicher ein. Bei der riesigen Stärke, der absoluten Furchtlosigkeit und nie ermüdenden Ausdauer des Grizzlybären gilt seine Erlegung unter den Indianern natürlich für eine ungeheuer kühne Tat.

      Also ich sprang ins Gebüsch. Die Spur führte noch weiter, bis dahin, wo die Bäume begannen. Dorthin hatte der Bär den Bullen geschleppt. Von dorther war er vorher gekommen; darum hatten wir seine Spur nicht sehen können, da sie durch das Fortschleifen des Bisons ausgelöscht worden war.

      Es war ein böser Augenblick. Hinter mir riefen die Surveyors, welche nach dem Zelte zu ihren Waffen flohen; vor mir schrien die Westleute, und dazwischen ertönte das unbeschreibliche Schmerzgeheul desjenigen von ihnen, den der Bär in seinen Tatzen hatte.

      Ich kam mit jedem Sprung, den ich tat, näher; jetzt hörte ich die Stimme des Bären, oder vielmehr nicht die Stimme, denn auch dadurch, daß es keine Stimme hat, unterscheidet sich dieses gewaltige Tier von den andern Bärenarten; es brummt nicht, sondern sein einziger Laut in Zorn oder Schmerz ist ein eigentümliches, lautes und rasches Schnauben und Fauchen.

      Nun war ich da. Vor mir lag der vollständig zerfleischte Leib des Bisons; rechts und links schrien mir die Westmänner zu, welche sich rasch auf die Bäume retiriert hatten und sich dort ziemlich sicher fühlten, denn man hat wohl selten oder gar nie einen Grizzly aufbäumen sehen. Gradaus, jenseits der Büffelleiche, hatte einer der Westmänner einen Baum erklimmen wollen, war aber von dem Bären dabei überrascht worden. Er lag mit dem Oberleib, sich mit beiden Armen am Stamme festhaltend, auf dem ersten, niedrigen Aste, und der Grizzly, welcher sich hoch aufgerichtet hatte, wühlte ihm mit den Vorderpranken in den Schenkeln und dem Unterleibe. Der Mann war dem Tode geweiht, unrettbar verloren; ich konnte ihm nicht helfen, und niemand hätte, wenn ich wieder fortgelaufen wäre, das Recht gehabt, mir darüber einen Vorwurf zu machen; aber der Anblick, welcher sich mir bot, wirkte mit unwiderstehlicher Gewalt. Ich raffte eins der weggeworfenen Gewehre auf; es war leider abgeschossen. Ich drehte es um, sprang über den Büffel hinüber und versetzte dem Bären aus allen mir zu Gebote stehenden Kräften einen Kolbenhieb gegen den Schädel. Lächerlich! Das Gewehr zersplitterte wie Glas in meinen Händen; so einem Schädel ist nicht einmal mit einem Schlachtbeile beizukommen; aber ich hatte doch den Erfolg, den Grizzly von seinem Opfer abzulenken. Er drehte den Kopf nach mir um, nicht etwa schnell, wie es bei einem katzen- oder hundeartigen Raubtiere der Fall gewesen wäre, sondern langsam, als ob er über meinen dummen Angriff ganz verwundert sei. Mich mit seinen kleinen Augen messend, schien er zu überlegen, ob er bei seinem bisherigen Opfer bleiben oder mich anpacken solle; diese wenigen Augenblicke retteten mir das Leben, denn es kam mir ein Gedanke, der einzige, der mir in der Lage, in welcher ich mich befand, Hilfe bringen konnte. Ich riß den einen Revolver heraus, sprang ganz nahe zu dem Bären heran, welcher mir zwar seinen Kopf, sonst aber den Rücken zukehrte, und schoß ihn ein-, zwei-, drei-, viermal in die Augen, so wie ich nicht weit von hier dem zweiten Büffelbullen zwei Schüsse in die Augen gegeben hatte. Dies geschah natürlich so schnell, wie es mir möglich war; dann sprang ich weit zur Seite und blieb da beobachtend stehen, indem ich nun das Bowiemesser zog.

      Wäre ich stehen geblieben, so hätte ich es mit dem Leben bezahlt, denn das geblendete Raubtier ließ rasch vom Baume ab und warf sich nach der Stelle, an welcher ich mich einen Moment vorher befunden hatte. Ich war weg, und nun begann der Bär, unter giftigem Fauchen und wütenden Tatzenschlägen nach mir zu suchen. Er gebärdete sich wie wahnsinnig, drehte sich mit allen Vieren um sich selbst, riß die Erde auf, machte, mit den Vorderpranken weit um sich langend, Sprünge nach allen Seiten, um mich zu finden, konnte mich aber nicht erwischen, da ich zu meinem Glücke gut getroffen hatte. Vielleicht hätte ihm der Geruch als Führer zu mir dienen können; aber er war rasend vor Wut, und dies verhinderte ihn, ruhig seinen Sinnen, seinem Instinkt zu folgen.

      Endlich richtete er seine Aufmerksamkeit mehr auf seine Verletzungen als auf denjenigen, dem er sie zu verdanken hatte. Er setzte sich nieder, richtete sich in dieser Stellung auf und fuhr sich schnaubend und zähnefletschend mit den Vordertatzen über die Augen. Schnell stand ich neben ihm, holte aus und stieß ihm das Messer zweimal zwischen die Rippen. Er griff augenblicklich nach mir, aber ich war schon wieder fort. Ich hatte das Herz nicht getroffen, und das Suchen nach mir begann mit erneuter und verdoppelter Wut. Dies dauerte wohl zehn Minuten lang. Er verlor dabei viel Blut und wurde sichtlich matt. Dann setzte er sich wieder aufrecht hin, um sich nach den Augen zu langen. Dies gab mir Gelegenheit zu zwei weiteren, schnell aufeinander folgenden Messerstößen, und diesmal traf ich besser; er sank, während ich rasch wieder zur Seite gesprungen war, vorn nieder, lief taumelnd und fauchend einige Schritte vorwärts, dann zur Seite und wieder zurück, wollte sich abermals aufrichten, hatte aber nicht die Kraft dazu, sondern fiel hin und kollerte im vergeblichen Bemühen, auf die Beine zu kommen, einige Male hin und her, bis er sich lang ausstreckte und dann ruhig liegen blieb.

      »Gott sei Dank!« schrie Rattler von seinem Baume herab. »Die Bestie ist tot. Das war eine schreckliche Gefahr, in der wir uns befanden.«

      »Wüßte nicht, worin das Schreckliche für Euch liegen sollte,« antwortete ich. »Ihr hattet ja sehr gut für Eure Sicherheit gesorgt. Jetzt könnt Ihr herunterkommen.«

      »Nein, nein, noch nicht. Untersucht vorher den Grizzly, ob er wirklich tot ist.«

      »Er ist tot.«

      »Das könnt Ihr nicht behaupten. Ihr habt gar keine Ahnung, welch ein zähes Leben so ein Vieh hat. Also untersucht ihn doch!«

      »Für Euch etwa? Wenn Ihr wissen wollt, ob er noch lebt, so untersucht ihn selbst; Ihr seid ja ein berühmter Westmann, während ich nur ein Greenhorn bin.«

      Ich