Winnetou. Karl May. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl May
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752992748
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das Gras niedergetreten war. Er untersuchte den Ort, kam zurück, stieg wieder in den Sattel und ritt weiter, doch nicht wie bisher in nördlicher Richtung, sondern er bog von dieser in einem rechten Winkel ab, so daß wir nach kurzer Zeit den westlichen Rand der Prairie erreichten. Hier stieg er wieder ab und ließ sein Pferd grasen, band es aber sorgfältig an. Seit er die Spur untersucht hatte, war kein Wort aus seinem Munde gekommen, aber über sein bärtiges Gesicht war der Ausdruck der Zufriedenheit ausgebreitet wie Sonnenschein über eine waldige Gegend. Jetzt forderte er mich auf:

      »Steigt auch ab, Sir, und bindet Euer Pferd fest an! Wir werden hier warten.«

      »Warum fest anbinden?« fragte ich, obgleich ich es recht gut wußte.

      »Weil Ihr es sonst leicht verlieren könntet. Habe wiederholt gesehen, daß die Pferde bei solchen Gelegenheiten durchgegangen sind.«

      »Was für Gelegenheiten?«

      »Ahnt Ihr das nicht?«

      »Hm!«

      »Ratet einmal!«

      »Mustangs?«

      »Wie kommt Ihr darauf?« fragte er, indem er mich rasch und verwundert anblickte.

      »Weil ich es gelesen habe.«

      »Was?«

      »Daß die zahmen Pferde, wenn sie nicht fest angebunden werden, gern mit den wilden Mustangs durchgehen.«

      »Hol Euch der Teufel! Alles habt Ihr gelesen, und da ist es nicht gut möglich, Euch zu überraschen. Da lobe ich mir die Leute, welche gar nicht lesen können!«

      »Wollt Ihr mich überraschen?«

      »Natürlich.«

      »Mit einer Mustangjagd?«

      »Ja.«

      »Das würde nicht gut möglich sein. Eine Überraschung setzt doch voraus, daß man nicht vorher unterrichtet ist; Ihr aber hättet es mir, ehe die Pferde kommen, sagen müssen.«

      »Das ist richtig, hm! Also hört, die Mustangs sind schon dagewesen.«

      »War das vorhin ihre Spur?«

      »Ja; sie sind gestern hier durch. Es war ein Vortrab, wißt Ihr, so die Kundschafter. Ich muß Euch nämlich sagen, daß diese Tiere ungeheuer klug sind. Sie senden immer kleine Trupps voraus und nach den Seiten. Sie haben ihre Offiziere, grad wie das Militär, und der Hauptanführer ist stets ein erfahrener, starker und mutiger Hengst. Mögen sie weiden oder sich in Bewegung befinden, stets wird die Peripherie der Herde von den Hengsten gebildet; dann folgen nach innen die Stuten, und ganz in der Mitte befinden sich die Jungen. Dies geschieht darum, daß die Hengste die Stuten und Füllen verteidigen können. Ich habe Euch schon wiederholt beschrieben, wie man einen Mustang mit dem Lasso fängt. Habt Ihr es Euch gemerkt?«

      »Selbstverständlich.«

      »Habt Ihr Lust, einen zu fangen?«

      »Ja.«

      »Dann werdet Ihr heute vormittag Gelegenheit dazu finden, Sir.«

      »Danke! Ich werde sie nicht benutzen.«

      »Nicht? All devils! Warum nicht?«

      »Weil ich kein Pferd brauche.«

      »Aber, ein Westmann fragt doch nicht danach, ob er ein Pferd braucht oder nicht!«

      »Dann ist er keineswegs so, wie ich mir einen braven Westmann vorstelle.«

      »Wie soll er denn sein?«

      »Ihr habt gestern von Aasjägern gesprochen, von Weißen, welche die Büffel in Masse töten, ohne daß sie ihr Fleisch brauchen. Ich halte das für eine Versündigung an den Tieren und an den roten Menschen, denen dadurch Ihre Nahrung geraubt wird. Ihr doch auch?«

      »Freilich!«

      »Grad so ist's auch mit den Pferden. Ich mag keinem dieser herrlichen Mustangs die Freiheit rauben, ohne mich damit entschuldigen zu können, daß ich ein Pferd brauche.«

      »Das ist brav gedacht, Sir, sehr brav. Grad so, wie Ihr denkt und redet, muß jeder Mensch und Christ denken, reden und handeln. Aber wer hat denn gesagt, daß Ihr einem Mustang die Freiheit rauben sollt? Ihr habt Euch im Werfen des Lasso geübt und sollt nur die Probe machen. Ich will sehen, ob Ihr Euer Examen besteht. Verstanden?«

      »Das ist etwas Anderes; ja, da mache ich mit.«

      »Schön! Bei mir handelt es sich freilich um den Ernst. Ich brauche ein Pferd und werde mir eins holen. Ich habe es Euch schon oft gesagt und sage es Euch jetzt wieder: Sitzt ja recht fest im Sattel, und stemmt Euer Pferd gut ein in dem Augenblicke, an welchem sich der Lasso straff zieht und der Ruck erfolgt. Wenn Ihr das nicht tut, werdet Ihr umgerissen, und der Mustang rennt davon und zieht Euer Pferd am Lasso mit sich fort. Dann habt Ihr kein Pferd mehr und seid ein gemeiner Infanterist, so wie ich jetzt einer bin.«

      Er wollte weiter sprechen, hielt aber inne und deutete mit der Hand nach den bereits erwähnten beiden Bergen am Nordende der Prairie. Dort erschien ein Pferd, ein einzelnes, lediges Pferd. Es lief langsam und ohne zu grasen vorwärts, warf den Kopf bald auf diese, bald auf jene Seite und sog die Luft durch die Nüstern ein.

      »Seht Ihr es?« flüsterte Sam. Er sprach vor Erregung nicht laut, sondern leise, obwohl das Pferd uns unmöglich hätte hören können. »Habe ich es nicht gesagt, daß sie kommen! Das ist der Späher, welcher vorausgesprungen ist, um zu sehen, ob die Gegend sicher ist. Ein schlauer Hengst. Wie er nach allen Richtungen äugt und windet! Uns bekommt er nicht weg, denn wir haben den Wind im Gesicht; ich habe deshalb diese Stelle gewählt.«

      Jetzt schlug der Mustang einen Trab ein; er rannte geradeaus, dann nach rechts, hierauf nach links, warf sich schließlich herum und verschwand da, wo wir ihn hatten erscheinen sehen.

      »Habt Ihr ihn beobachtet?« fragte Sam. »Wie klug er sich benimmt und jeden Busch zur Deckung benutzt hat, um nicht gesehen zu werden! Ein indianischer Späher kann es kaum besser machen.«

      »Das ist richtig. Ich bin ganz erstaunt darüber.«

      »Nun ist er zurück, um seinem vierbeinigen Generale zu melden, daß die Luft rein ist. Sollen sich aber getäuscht haben, hihihihi! Ich wette, in höchstens zehn Minuten sind sie da; paßt einmal auf. Wißt Ihr, wie wir es machen?«

      »Nun?«

      »Ihr reitet jetzt schnell bis an den Ausgang der Prairie zurück und wartet dort. Ich aber reite bis in die Nähe des Einganges hinunter und verstecke mich dort im Walde. Kommt die Herde, so lasse ich sie vorüber und jage dann hinter ihr her. Sie wird zu Euch hinauf fliehen; dann laßt Ihr Euch sehen, und da flieht sie wieder zurück. So treiben wir sie zwischen uns hin und her, bis wir uns die zwei besten Pferde ausgewählt haben; die fangen wir; ich lese mir da wieder das beste aus, und das andere lassen wir laufen. Seid Ihr einverstanden?«

      »Wie könnt Ihr so fragen! Ich verstehe ja gar nichts von der Pferdejagd, in welcher Ihr jedenfalls ein Meister seid, und habe mich also ganz nach Euren Anordnungen zu verhalten.«

      »Well, habt recht. Habe schon manchen wilden Mustang unter mir gehabt und ihn bezwungen und kann wohl behaupten, daß Ihr mit dem ›Meister‹ nichts Dummes gesagt habt. Also, macht Euch davon, sonst vergeht die Zeit und wir sind dann nicht an Ort und Stelle.«

      Wir stiegen wieder auf und ritten auseinander, er nordwärts und ich nach Süden, bis dahin, wo wir die Prairie betreten hatten. Da mir mein schwerer Bärentöter bei dem, was wir vorhatten, hinderlich war, hätte ich mich gern einstweilen seiner entledigt; aber ich hatte gelesen und gehört, daß ein vorsichtiger Westmann sich nur dann von seinem Gewehre trennt, wenn er ganz sicher weiß, daß er nichts zu befürchten hat und es also nicht brauchen wird. Dies war aber hier nicht der Fall; es konnte in jedem Augenblick ein Indianer oder gar ein Raubtier erscheinen; darum sorgte ich nur dafür, daß das ›alte Gun‹ fest am Riemen hing und mich nicht schlagen konnte.

      Nun wartete