Juwelen, Mörder, Tote - Sechs Extra Krimis Juni 2018. Alfred Bekker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alfred Bekker
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742734396
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der Richtung, in die sie wollte. Sie kam von der Straße; dorther, wo das Leben war und die Menschen...

      Zuerst erschrak sie, aber dann fiel das Mondlicht so, dass sie ein Gesicht sehen konnte. Es war der Däne, der sie auf der Post fast umgerannt hatte.

      Er stand da und schien die Situation sofort zu erfassen. Seine Züge waren ruhig und gelassen. Sie waren sogar kalt. Völlig kalt.

      Sie blickte zu ihm auf, dann zurück zum Wasser, dorthin, wo die drei Männer waren.

      Dann stand sie auf. Sie stand wie angewurzelt da - und dasselbe galt für die drei, die hinter ihr hergelaufen waren.

      Sie blickten stirnrunzelnd auf den Mann, der aus der Dunkelheit getreten war und dessen Absicht es ganz offensichtlich zu sein schien, ihnen den Weg zu verstellen.

      Elsa setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen, bis sie hinter dem Dänen stand. Sie atmete tief durch.

      Die drei versuchten es mit dem Dänen auf Englisch, schließlich war nicht zu übersehen, dass er Europäer war. Aber der Mann antwortete auf Arabisch.

      Elsa verstand kein Wort. Aber es schien nicht gerade freundlich zu ein, was er ihnen zu sagen hatte. In Augen der drei Marokkaner blitzte es giftig.

      Der Däne blieb so kalt wie zu Anfang. Aber er war aufmerksam. Kein Detail in den Bewegungen seiner Gegner schien ihm zu entgehen. Er durchbohrte sie förmlich mit seinem Blick.

      Ein paarmal ging der Wortwechsel hin und her.

      Und dann blitzte plötzlich ein Messer im Mondlicht. Die Typen grinsten. Ein zweites Messer wurde gezogen. Ein Springmesser. Gefährlich schnellte die Klinge aus dem Griff heraus, so wie die lange Zunge eines Leguans, der seine Beute blitzschnell erlegt und verspeist.

      Leichte Beute - dafür schienen die drei den Dänen auch zu halten. Das Zahlenverhältnis sprach für sie, außerdem wirkte der Däne in seinem eleganten Jackett nicht wie ein geübter Straßenkämpfer, der bereit war, sich mit seinen Gegnern im Dreck zu wälzen.

      Das erste Messer schnellte drohend vor, die beiden anderen Männer hielten sich noch zurück. Sie schienen erst einmal abwarten zu wollen. Aber in ihren Gesichter stand ein zuversichtliches Grinsen.

      Der Däne packte den rechten Arm seines Gegenübers und drehte ihn brutal herum. Mit einem Schrei ließ er das Messer in den Sand fallen.

      Schon Sekundenbruchteile später befand sich der Marokkaner im Würgegriff des Dänen.

      Die beiden anderen drängte er mit ein paar unfreundlichen Sätzen auf Arabisch zurück. Sie zögerten, und schienen erst etwas verunsichert und nicht recht schlüssig darüber, wie sie sich verhalten sollten, aber dann entfernten sie sich schnell.

      Mit einem rauen Stoß beförderte der Däne den Angreifer dann in den Sand. Mit ungläubigen, weit aufgerissenen Augen machte er sich davon.

      Das Messer blieb im Sand liegen.

      Elsa hatte die ganze Zeit über wie angewurzelt dagestanden.

      „Mein Gott!“, entfuhr es ihr.

      Der Däne sah sie an.

      Sein Gesicht wirkte entspannt und gelassen. Immer noch schien er ein wenig unterkühlt zu sein.

      „Alles in Ordnung?“, fragte er.

      Sie nickte.

      „Ja.“

      „Dann ist es ja gut...“

      „Ja... Ich weiß nicht, was geschehen wäre, wenn Sie nicht gewesen wären.“

      Sie wussten beide, was geschehen wäre.

      Aber das war im Moment nicht so wichtig.

      Es dauerte eine Weile, bis sie begriff, dass er akzentfreies Deutsch gesprochen hatte. Bestes Hochdeutsch. Keinerlei landschaftlicher Einschlag festzustellen. Jedenfalls nicht für Elsa.

      Sein Pass war der eines Dänen, aber er hätte auch als Deutscher durchgehen können. Ohne weiteres. Er wäre nirgends als Fremder aufgefallen.

      Sie dachte daran, dass sie ihn auch Arabisch und Französisch hatte sprechen hören. Er musste sehr sprachbegabt sein.

      „Kommen Sie mit?“

      Er runzelte die Stirn.

      „Wohin?“

      „Zur Polizei.“

      „Was wollen Sie dort?“

      Sie blickte ihn verständnislos an.

      „Aber... Ich meine, diese Typen...“

      „Glauben Sie mir, Sie werden mehr Probleme bekommen, als die.“

      „Aber es geht doch um... Gerechtigkeit. Ich meine, da kann doch nicht einfach jemand hergehen und einen... „

      Er zuckte mit den Schultern und schien ziemlich ungerührt zu sein.

      „Hat irgendjemand behauptet, dass es in der Welt gerecht zugeht?“

      „Nein, natürlich nicht...“

      „Sie können selbstverständlich tun und lassen, was Sie wollen, aber ich gebe Ihnen den Rat, nicht zur Polizei zu gehen. Fehlt Ihnen denn was?“

      „Nein...“

      „Sind Sie verletzt? Ist irgend etwas Ernsthaftes passiert?“

      „Nein, Sie sind ja gerade noch rechtzeitig dazwischen gekommen!“

      „Dann sollten sie die Sache auf sich beruhen lassen! Glauben Sie mir. Ich lebe schon eine ganze Weile hier...“

      „Aber Sie haben doch alles gesehen! Wenn Ihre Aussage...“

      „Sie stellen sich das falsch vor“, meinte er. „Dies ist ein sehr bürokratisches Land. Und eines, in dem Beziehungen eine wichtige Rolle spielen. Vor allem verwandtschaftliche. Wissen Sie was passiert, wenn Sie einen Polizisten nach dem Weg fragen?“

      „Nein.“

      „Er wird Sie an einen Fremdenführer vermitteln. An irgendeinen entfernten Vetter. Dieser Fremdenführer macht das natürlich nicht umsonst. Er gibt dem Polizisten was, der die Sache vermittelt, hat und bringt Sie dann an Ihr Ziel. Aber nicht auf direktem Wege. Er geht davon aus, dass Sie sich hier nicht auskennen und wird Sie erst einmal an ein paar Geschäften vorbeibringen, mit deren Besitzern er entweder verwandt oder befreundet ist und von denen er vermutlich auch etwas dafür bekommt, dass er Touristen zu ihnen ins Geschäft lockt.“ Er lächelte jetzt ein wenig. „So funktioniert das Leben hier. Das gilt für alle Bereiche. Begreifen Sie jetzt, weshalb ich es nicht für sinnvoll halte, zur Polizei zu gehen?“

      „Ich weiß nicht...“

      „Eine ordnungsliebende Deutsche, die es gewohnt ist, dass alle Beamten unbestechlich sind und alles gut organisiert ist!“

      „Machen Sie sich nicht über mich lustig!“

      „Das tue ich nicht. Ganz bestimmt nicht.“

      „Wie heißen Sie?“ Es interessierte Elsa auf einmal, was das für ein Mann war, der hier vor ihr stand. Es hatte sie schon gestern in der Post interessiert, aber da war es ihr nicht so bewusst gewesen.

      „Ich heiße...“ er schien einen Moment zu zögern, bevor er weitersprach. Elsa konnte sich dieses Zögern nicht erklären. Sie dachte auch nicht weiter darüber nach. Später, viel später sollte es ihr verständlich werden.

      „Jensen“, sagte er. „Robert Jensen.“

      Er war Däne, sie hatte seinen Pass gesehen. Und sein Name klang wie ein dänischer Name jedenfalls soweit sie das beurteilen konnte. Es war ein Allerweltsname. Dieser Name konnte ebenso gut einem Deutschen, einem Holländer oder einem Belgier flämischer Zunge gehören. Nicht zu vergessen die anderen skandinavischen Länder.

      Sie