Juwelen, Mörder, Tote - Sechs Extra Krimis Juni 2018. Alfred Bekker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alfred Bekker
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742734396
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einspringen soll.“

      „Wieso Blödmann?“, fragte Berringer.

      „Der Typ kann nichts und wollte gleich Geld im Voraus. Aber ich hab keine Wahl, als ihn zu nehmen, weil mich sein Vorgänger ziemlich kurzfristig sitzen gelassen hat. Seit der King of Pop tot ist, können sich seine Lookalikes und Imitatoren vor Auftrittsangeboten kaum retten, und das macht die Sache für jemanden wie mich leider nicht leichter. Aber egal. Es war schon Mitternacht, und der Typ kam und kam nicht. Dann taucht er schließlich doch noch auf, und es stellt sich heraus, dass er nicht singen kann, Michael Jackson so ähnlich sieht wie eine Salatgurke einer Karotte und auch den Moonwalk kaum hinkriegt. Na ja“, Marwitz verzog das Gesicht zu einem säuerlichen Grinsen, „er kann ja vielleicht mit Mundschutz auftreten, dann fällt die nicht vorhandene Ähnlichkeit nicht so auf, und wenn er beim Playback die Lippen nicht synchron bewegt, kriegt das auch keiner mit. Und jetzt, da alle Welt um Jacko trauert, erhält er dafür wahrscheinlich trotzdem Applaus. Mit hoher Stimme ›I love you‹ ins Mikro hauchen, wird ja wohl nicht so schwer sein ...“

      „Was passierte an dem Abend?“, versuchte Berringer das Gespräch wieder auf den Kern der Sache zu bringen. Er konnte sich inzwischen lebhaft vorstellen, wie Marwitz als Plaudertasche vom Dienst nacheinander einen Kindergeburtstag, einen Seniorennachmittag, eine Karnevalssitzung und eine Ü-30-Party über die Bühne brachte und vielleicht noch zwischendurch eine Amateur-Modenschau für ein Kaufhaus moderierte.

      „Ich wollte dem Jacko-Double gerade fünfhundert Euro geben, hab meine Geldkassette aus der Schublade geholt, da gibt es plötzlich einen Knall. Eins der Bürofenster zerspringt, und ein Stahlbolzen zischt an mir vorbei und haut mit einer Wucht in die Wand rein – ich sag Ihnen, so was haben auch Sie noch nicht erlebt. Tja, und im nächsten Moment fliegt der Wagen des Jackson-Doubles in die Luft, und man hört laut und deutlich, wie ein paar Motorräder davonbrausen.“ Als er erwähnte, dass das Auto des Lookalikes explodiert war, zuckte Berringer merklich zusammen. Das Feuer ... Die verzerrten Gesichter seiner Frau und seines Sohnes in den Flammen ... Berringer riss sich am Riemen und fragte: „Und dann?“

      „Na, was und dann? Das war‘s im Wesentlichen. Ich hab die Feuerwehr und die Polizei gerufen und kann jetzt nur beten, dass der falsche Jackson heute Abend auch auftaucht. Ich hätte mir ja schon längst selbst den Moonwalk beigebracht, wenn ich nicht seit meinem Skiunfall im letzten Jahr Probleme mit dem Knie hätte. Die fünfhundert Euro hat er jedenfalls mitgenommen, aber nachdem sein Wagen ausgebrannt ist, hat er ja vielleicht einen so großen Bedarf an Geld, dass er heute Abend wirklich auftritt.“

      „Name und Adresse des Jacko-Doubles“, forderte Berringer.

      „Arno Schwekendiek. Adresse, Telefonnummer und so weiter hab ich hier aufgeschrieben.“ Er kramte einen Zettel aus der Jacketttasche hervor und schob ihn Berringer über den Tisch. „Aber ehrlich gesagt, weiß ich nicht, was Sie von dem Kerl wollen.“

      „Er ist ein wichtiger Zeuge, und da sein Auto bei diesem Anschlag in die Luft gesprengt wurde, könnte es sein, dass er das eigentliche Ziel der Attacke war und nicht Sie.“

      „Nein, das glaub ich nicht“, widersprach Marwitz. „Sehen Sie, seit Wochen werde ich immer wieder von einer Rockergang bedroht. Die haben Veranstaltungen gesprengt, bei denen ich moderiert hab. Das Fest der Landjugend in Knickelsdorf zum Beispiel. Da haben die mit ihren Maschinen einen Riesen-Tumult veranstaltet.“

      „Und da Sie vergangene Nacht Motorräder gehört haben, glauben Sie, dass diese Bande dahintersteckt?“

      „Genau! MEAN DEVVILS nennen die sich. DEVVILS mit Doppel-V. Die sind in der ganzen Gegend berüchtigt.“

      „Hat sich die Polizei die Typen nicht vorgenommen nach der Sache in Knickelsdorf?“, fragte Berringer.

      „Nun, da laufen ein paar Verfahren, aber die Typen waren maskiert, und es ist wohl nicht so leicht, da Einzelnen was nachzuweisen. Und ich fürchte, dass wird jetzt wieder so sein.“

      „Und weshalb meinen Sie, haben es die Burschen auf Sie abgesehen?“ Marwitz zuckte mit den Schultern. „Ich habe bisher immer gedacht, dass mir da jemand von der Konkurrenz richtig schaden will. Mich aus dem Job drängen oder so.

      Verstehen Sie? Wenn sich herumspricht, dass es bei Veranstaltungen, bei denen ich auftrete, stets zu Krawallen kommt, engagiert mich niemand mehr.“

      „Ich nehme an, die Polizei war am Tatort und hat sich alles angesehen“, vermutete Berringer.

      „In Knickelsdorf?“

      „Nein, bei dem Anschlag letzte Nacht.“

      „Ja, sicher. Aber einen richtig kompetenten Eindruck haben die mir nicht gemacht.

      Ich habe denen gesagt: Was soll denn noch passieren, damit Sie endlich ein paar von der Bande festnehmen? Aber dieser rothaarige Typ meinte nur, dass ich ganz beruhigt sein könnte, sie würden ihre Arbeit schon machen. Na großartig! Ich darf gar nicht an heute Abend denken ...“

      „Wieso?“

      „Na, die Ü-30-Party in der Kaiser-Friedrich-Halle. Können Sie da nicht mit Ihren Leuten hinkommen?“

      „Und Sie beschützen?“

      „Vielleicht fällt Ihnen ja was auf. Wenn da heute Abend was passiert, dann ...“

      „Was dann?“

      Marwitz sah Berringer an und schluckte. „Dann bin ich draußen, verstehen Sie?“ Die Augen des Event-Managers flackerten unruhig. „Jetzt steht das Schützenfest in Korschenbroich an und dann das große internationale Feldhockey-Turnier, wo ich den Stadionsprecher machen werde und natürlich durch das Vorprogramm moderiere. Das ist ein Riesending! Ich weiß nicht, ob Sie’s wissen, aber der Hockeypark in Mönchengladbach ist das größte Feldhockey-Stadion Europas und ...“

      „Ich verfolge eigentlich mehr das Schicksal der Borussia“, unterbrach Berringer, um Marwitz‘ Abschweifungen zu stoppen.

      „Was ich sagen wollte, ist: Es gab da im Vorfeld einen sehr starken Konkurrenzkampf“, erklärte Marwitz, „und ich habe bei beiden Veranstaltungen die Sache für mich entschieden. Ich habe einfach überzeugt. Gutes Konzept, gute Probemoderation, ein rundes Paket eben. Aber es gab da noch jemand anderen, und den hat das sehr gewurmt: Eckart Krassow, meinen lokalen Konkurrenten. Wir machen so ziemlich das Gleiche, nur ist er in jeder Hinsicht etwas schlechter als ich. Schlechter bei der Moderation und schlechter im Preis ...“

      Berringer runzelte die Stirn. „Und Sie glauben, dass dieser Krassow etwas mit dem Anschlag auf Sie zu tun hat? Ist der etwa nach Feierabend Rocker und fährt mit den MEAN DEVVILS auf 'ner Harley durch die Gladbacher City?“

      „Nein, natürlich nicht. Aber erstens könnte es doch sein, dass die MEAN DEVVILS von Krassow bezahlt werden, um mich aus dem Markt zu drängen ...“

      „Das glauben Sie wirklich?“

      „... und zweitens ist Krassow Armbrust-Schütze in einem Verein.“

      „Ich glaube, das müssen Sie mir erklären.“

      „Na, der Stahlbolzen, der mich fast umgenietet hätte! Das war ein Armbrustbolzen! Das hat die Polizei herausgefunden. Wussten Sie, dass diese Dinger, wenn sie aus einer heutigen Hightech-Armbrust abgeschossen werden, sogar Panzerplatten durchschlagen können? Die Durchschlagskraft ist höher als bei den meisten Schusswaffen, und – jetzt kommt‘s! – sie zählen zwar als Schusswaffen, aber sie unterliegen nicht den dafür eigentlich infrage kommenden Gesetzen. Niemand braucht sich irgendwo anzumelden oder muss einen Waffenschein beantragen, wenn er so ein Ding erwirbt. Und wenn man wirklich auf Nummer sicher gehen will, geht man in die Schweiz, da zählen Armbrüste noch nicht mal als Waffe, und es gibt überhaupt keine Beschränkungen beim Erwerb, beim Verkauf, beim Besitz und so weiter.“

      Klar, ist ja auch das Land von Wilhelm Tell, dachte Berringer, enthielt sich aber eines Kommentars auf Marwitz‘ gesammeltes Google-Wissen, das dieser sich offenbar auf die Schnelle angeeignet hatte, um sich schlau zu machen.

      „Na,