Nachdem Denis Beziehungen nie länger als drei Monate gedauert hatten, sah ich der magischen Grenze des 4. Monats entgegen. So schickte ich meinem Hasen am Morgen des 20. August 1998 ein Fax mit einer Grafik „KEEP COOL! (Bleib cool!) 4. Monat“.
Kurz nach dem Treffen mit Patrick, erhielt ich Post von ihm, mit einem Gedicht, welches er für mich geschrieben hatte:
Träume
„Ich liege am Strand, im heißen Sand,
mit geschlossenen Augen und genieße die Stille.
Plötzlich spüre ich Deine warmen Lippen auf meinen Lippen.
Deine Hände streicheln mir sanft über den Körper.
Es ist wunderschön.
Ich lasse mich richtig fallen und
habe mich noch nie so wohl gefühlt wie in diesem Moment.
Du bist wie eine Sucht.
Ich kann nicht genug von Dir bekommen.
Dann öffne ich meine Augen.
Doch, wo bist Du?
Warst Du nur ein Spiel meiner Phantasie?
Ich blicke neben mich und entdecke eine rote Rose,
daneben ein Stück Papier mit der Aufschrift:
Träume können wahr werden!“
Noch nie hatte jemand ein Gedicht für mich geschrieben. Schon wieder flammte Faszination auf.
Der bevorstehende GermanTrip nach Leipzig lenkte meine Gedanken ab. Grit hatte ich mich vor einigen Wochen angeschrieben und in ihre Heimatstadt eingeladen. Wir hatten uns im letzten Jahr bei einem Grundlagenseminar zum Thema Marketing bei der Ostdeutschen Sparkassenakademie{35} in Potsdam kennengelernt. Ich war ganz fasziniert von ihr, da sie mich an Jana erinnerte. Ihr Äußeres und ihre Verhaltensweisen ließen mich fast glauben, ich hätte es mit einer Zwillingsschwester von Jana zu tun. Bei diesem Seminar lernten wir auch Claudia kennen, die Grit ebenfalls nach Leipzig eingeladen hatte. Ich nahm mir vor, auch Denis zu diesem Treffen mitzunehmen. So erklärte ich Grit postalisch, dass sich bei mir in der Zwischenzeit eine ganze Menge verändert habe und ich seit ich Denis kenne, gemerkt habe, dass es auch anders geht. Damit sorgte ich für mein erstes Coming Out. Die Gastgeberin sah darin kein Problem und ich sah die Situation als Testballon für die nächsten Schritte.
Früher als erwartet trafen wir in der Messestadt ein. Das Jana-Double verhielt sich ganz cool und begrüßte Denis und mich mit einem Wangenkuss. Nachdem sie uns ihre Wohngemeinschaft (WG) vorgestellt und wir Claudia vom Leipziger Hauptbahnhof abgeholt hatten, organisierte Grit ein Picknick. Wir fuhren in einen Schlosspark am Rande der Stadt und genossen ein Frühstück in freier Natur. Eine rege Unterhaltung begann und ich freute mich, dass sich alle darin einbrachten.
Denis & Tilo beim Picknick in Leipzig.
Ich war sehr überrascht, dass unsere gleichgeschlechtliche Partnerschaft so gut angenommen wurde. Claudia und Grit behandelten uns ganz unbefangen, ohne Vorbehalte oder peinlichen Bemerkungen. Würde ein Coming Out in meiner Familie und im engeren Freundeskreis ebenso unbeschwert aufgenommen? Ich bekam immer mehr Gefallen an dem Gedanken, allen endlich die Wahrheit zu sagen. Aber alles zu seiner Zeit.
Denis und ich verbrachten zwei schöne gemeinsame Tage in Leipzig und unsere Erlebnisse schweißten uns immer fester zusammen.
Einen Tag nach unserer Rückkehr schickte mir mein Hase per Fax eine Liebeserklärung: „Habe gerade am Computer gesessen und da ist mir die Idee gekommen, einfach mal ein Fax zu schicken.
Ich wollte Dir einfach noch einmal sagen, wie schön es in Leipzig war. Auch wenn ich ab und zu einen Aussetzer habe. Als ich gestern Abend allein im Bett lag, ist mir klar geworden, dass ich Dich total vermisse, obwohl wir uns gerade erst verabschiedet hatten.
Du bist der erste Mann, mit dem ich mir sehr gut ein langes Miteinander (egal in welcher Hinsicht) vorstellen kann. Obwohl wir schon vier Monate zusammen sind, bin ich glücklich wie am ersten Tag Dich zu haben. Auch wenn ich meine Gefühle nicht immer ausdrücken kann, möchte ich, dass Du weißt, dass ich Dich unheimlich liebe und ich froh, bin Dich zu haben. Sei lieb gedrückt und geknuddelt von Deinem Schatz. Ich liebe Dich.“
Da Denis seine Gefühle wenig zum Ausdruck brachte, trafen mich seine Worte mitten ins Herz. Dieses Fax war genau, was ich brauchte. Es erdete mich und lenkte meine Gefühle wieder in die richtigen Bahnen.
Eine, die sich nicht über meine Beziehung mit „Denise“ abfinden konnte, war Daniela. Sie brauchte mich, obwohl sie bis vor Kurzem selbst noch in einer Beziehung war. Ich hatte das Gefühl, dass sie meine Beziehung als verpasste Chance wahrnahm. Auch ihrer Mutter wäre es wohl lieber gewesen, wenn ich ihr Schwiegersohn geworden wäre.
Schon vor unseren Partnerschaften gab es Situationen zwischen uns, die zu mehr hätten führen können, wenn ich es nicht abgeblockt hätte. Ich hatte verständlicherweise jedoch nur eine platonische Freundschaft im Sinn.
Für Ende August hatten wir einen gemeinsamen Ostseetripp nach Dranske geplant. Dani freute sich auf die ersten drei Tage, die wir allein verbringen würden. Dann kämen Marén mit Isabelle und Hündin Pauline aus Lüneburg dazu.
Vor meiner Abreise traf ich Patrick noch einmal. Wir hatten uns zu einem Kinobesuch verabredet. Bei starkem Regen und Sturmböen fuhr ich nach Helle Mitte{36}. Patrick wartete bereits am Haupteingang des Kinos. Da wir noch Zeit vor Beginn des Films hatten, gingen wir in einen nahegelegenen Pup. Er hatte mir Bilder seines Urlaubes mitgebracht. Diese zeigte und kommentierte er, während er sich stark zu mir über seine Stuhllehne beugte. Plötzlich krachte es und Patrick lag fast auf meinem Schoss. Die Lehne war gebrochen. Ihm stieg die Röte ins Gesicht und ich versuchte einen Lachkrampf zu unterdrücken.
Während des Gespräches vermittelte er mir, wie gut ich aussehen würde und ich immer sehr locker, aufgeschlossen und kultiviert in Erscheinung treten würde. Als er das sagte, blitzten mich seine braunen Augen glänzend an und ich merkte wie euphorisch er wirkte. Ich fragte mich, wie seine Gefühle mir gegenüber aussehen würden. Ich hatte den Eindruck, dass er sich unsterblich in mich verliebt hatte. Der Film, den wir sahen, hieß bezeichnenderweise Wild Things (Wilde Dinge).
11. Ironie des Schicksals
Dritter Tag des Urlaubes. Ich war genervt. Von der Schlichtheit der Unterbringung, der viel zu ruhigen Umgebung und Daniela, die keinen Schritt von meiner Seite wich. In der ersten Nacht schob sie sogar die freistehenden Betten zusammen, um mir ganz nah zu sein. Irgendwann schob sie eines ihrer Beine zu mir rüber. In diesem Augenblick wurden fischähnliche Gerüche freigesetzt, die mich ungeheuer abstießen.
Das Wetter ließ ebenso zu wünschen übrig und meine Stimmung befand sich auf dem Nullpunkt. Die Ruhe trieb mich in Gedanken immer wieder zu Denis, der hunderte Kilometer weit entfernt war. Der einzige Lichtblick, den ich noch hatte war Marén, die mit Kind und Hund anreisen würde.
Am Tag von Renis Ankunft hatten Daniela und ich einen Ausflug zum Kap Arkona{37} unternommen. Nun warteten wir auf die belebende Ankunft der Anreisenden.
Renis Laune war recht gut. Nachdem wir alle Sachen untergebracht hatten, verabschiedete ich mich für eine gewisse Zeit, um mit „Denise“ zu telefonieren. In der Zwischenzeit waren Marén und Daniela allein. Die beiden müssen sich angeregt unterhalten haben, denn als ich zurückkam, spürte ich eine gewisse Front.
Ich gesellte mich zu ihnen und begann zu erzählen, wie verliebt ich doch sei. Marén war ganz interessiert an meinen Beziehungsgeschichten und