Federträger. Yves Holland. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Yves Holland
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752903874
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er sich zu beschäftigen hatte. Schweiß, gemischt aus Angst und Anstrengung, lief ihm über die Stirn und tropfte von seinem Kinn, trotz der Eiseskälte im Thronsaal. Sein Atem ging stoßweise, als wäre er gerade eine steile Treppenflucht hinaufgerannt.

      Arloks Blick schweifte gedankenverloren über seinen Heeresführer, dann wandte er sich wieder der Karte zu.

      M’r’welik zuckte zusammen, als Arloks gewaltiger Bass durch den Raum dröhnte. „Schick Ordalik auf Kundschaft in den Norden. Und sag ihm, er soll sich beeilen. Ich erwarte Bericht über diesen Flecken Land, dieses winzige Stück dort über den Treibsanden.“ Er drehte sich wieder zu M’r’welik um, und eine leichte Unmutsfalte teilte seine Stirn in zwei Hälften, die im Schein des grünen Feuers weit auseinanderzuklaffen schienen.

      „Was stehst du da noch rum? Los, mach schon!“

      M’r’welik war schon an der Tür, als er noch einmal die Stimme seines Herrn vernahm und ein gleißender Schmerz sich in seinen Kopf bohrte. „Und, M’r’welik? Schick ein paar mehr Kundschafter durch die Treibsande nach Norden. Damit es schneller geht. Ich erwarte Deinen Bericht.“

      Der Schmerz löste sich augenblicklich in nichts auf, gerade noch rechtzeitig, so dass M’r’welik nicht ohnmächtig wurde. Der Herr war nicht besonders gut gelaunt heute.

      Bruder Pak, Erster Gelehrter der Bruderschaft der Bewahrer im Kloster El Om, starrte auf die Papyrusrolle, die er vorsichtig auf seinem Studiertisch ausgebreitet hatte. Er schnaubte leise durch die Nase, fasste sich an die Nasenflügel und rieb gedankenverloren daran entlang. Huson, Novize im ersten Jahr und Bruder Pak zugewiesen, sah von seinem Platz am Ende des überlangen Studiertisches auf und hob fragend den blonden, fast kahl rasierten Kopf. Seine blauen Augen blickten wach und intelligent auf den Bruder Bibliothekar.

      Pak reagierte nicht. Huson kannte das schon. Bruder Pak hatte so seine kleinen Macken, wie er es für sich nannte. Dazu gehörten seine fortwährenden Schnaufer und seine merkwürdige Angewohnheit Selbstgespräche zu führen. Gerade jetzt hörte er vom gegenüberliegenden Ende des Tisches ein fast unverständliches Murmeln.

      „I-Brik – was mag das heißen? Sollte es eine Konjugation sein oder etwa doch...“ Bruder Pak, ein Mann von mittlerem Alter und korpulentem Aussehen, dessen breites gutmütiges Gesicht eingerahmt war von einem dunklen Vollbart, blies die Backen auf und streckte sich ächzend. Wie lange saß er wohl schon hier? „Huson, hol mir bitte das Vergrößerungsokular aus meiner Studierkammer. Es muss auf meinem Tisch am Fenster liegen.“

      Pak sah bei dieser Anweisung nicht auf, und Huson wartete auch nicht darauf. Er stand auf und ging lautlos zur Tür. „Und bring mir die Rolle mit, die auch auf dem Tisch liegen muss.“

      Huson entfernte sich, und Pak kniff die Augen zusammen, während er sich tief über den Papyrus beugte. „Oder doch kbtik? Ich kann es einfach nicht entziffern... Aber was gibt das für einen Sinn?“

      Bruder Pak stand auf und stieß verärgert den Stuhl zurück, auf dem er gesessen hatte. Schon viele Stunden hatte er damit zugebracht, diese Rolle zu lesen, die er vergangenen Mond tief unten in der Bibliothek entdeckt hatte, aber er kam nicht richtig voran mit seiner Übersetzung. Nicht nur, dass das Kata, in dem die Rolle geschrieben war, ein Uraltes war, auch die Tinte, einst wohl schwarz, war so verblasst, dass es fast unmöglich war, das Dokument zu lesen.

      Er ging langsam zum Ausblick, von dem man das ganze Grüntal und die große befestigte Stadt Grünberg am Hang der Himmelsberge überblicken konnte, und starrte gedankenvoll auf die Silhouetten der ineinander verschachtelten Türme und Dächer. Wieder fasste er sich an die Nasenflügel und rieb sie.

      „Ich sollte die Edle Malvea bitten, die Rolle mit mir zu untersuchen“, brummte er in seinen langen Bart. „Einen Versuch ist es wert. Ja, das mache ich.“ Sein Gesichtsausdruck entspannte sich ein bisschen. Malvea von Grünberg, seine gelehrigste Schülerin für alte Sprachen, insbesondere der alten Kata-Dialekte, wäre vielleicht eine echte Hilfe bei der Übersetzung des Schriftstücks. Sie hatte Talent und gute Augen, einen scharfen Verstand, Ehrgeiz und einen starken Willen. Ja, Malvea war die Richtige für diese Arbeit.

      Als Huson mit geröteten Wangen ein paar Minuten später wieder die große Bibliothek des Klosters betrat, und die schwere Eichentür mit einem hörbaren Laut ins Schloss krachte, was Bruder Pak immer sehr missfiel, stand dieser immer noch am Ausblick. Seine Laune schien sich während Husons Abwesenheit wesentlich gebessert zu haben, und er erwähnte das Zufallen der Türe mit keinem Wort. Huson legte die gewünschten Gegenstände hastig neben die alte Rolle und setzte sich leise wieder an seinen Platz, um weiter Papyrusrollen zu säubern.

      Er hatte noch eine ganze Menge zu tun bis zur Hochsonnandacht. Und danach wahrscheinlich auch, wenn er die Schriftstücke wirklich so penibel säubern sollte, wie Bruder Pak es von ihm erwartete. Huson runzelte leicht die Stirn und atmete einmal heftig ein und wieder aus. Novize sein war anders, als er sich das vorgestellt hatte und wahrlich nicht immer leicht. Und er hatte erst eins der zwei Jahre hinter sich gebracht. Im Reflex strich er über seine blonden Stoppeln auf dem Kopf und nahm sich dann eine der Rollen aus dem großen Stapel, der vor ihm lag.

      „Fandor, träum nicht! Bist Du endlich fertig mit dem Säubern der Zelthäute für das Thingzelt?“, schreckte ihn Mome Iras Stimme aus seinen Gedanken. „Beeilung, Beeilung, ich kann nicht den ganzen Tag warten! Ich muss noch die Risse vom letzten Thing flicken, bevor wir das Zelt aufstellen.“ Ira stemmte die Hände in die ausladenden Hüften. „Und wo ist überhaupt Thorn? THORN!“, rief sie donnernd, ohne auf Fandors Antwort zu warten. „Bestimmt hat sich der Lümmel wieder davongemacht und reitet durch die Gegend, gerade jetzt, wo ich ihn doch dringend bräuchte.“ Auf Iras Stirn trat deutlich eine pulsierende, rot flackernde Ader hervor. Das hieß, sie war auf dem besten Wege, wütend zu werden. Wenn sie es nicht schon war.

      Fandor beugte sich hastig über die Lederhäute und schrubbte sie mit aller Kraft ab. Jetzt war es besser, nichts zu sagen, denn alles konnte Mome Iras Zorn nur noch mehr anfachen, aber bestimmt nicht besänftigen. Er blickte verbissen nach unten und bearbeitete mit aller Gewalt einen hässlichen matschigen Fleck, von dem er unmöglich ausmachen konnte, was ihn verursacht hatte. Eigentlich wollte er es auch gar nicht so genau wissen. Ihm wurde leicht übel, und er machte die Augen zu, während er den Fleck aufweichte.

      Das Thingzelt würde riesengroß werden, wenn es denn endlich zum Stehen käme, und sie waren spät dran mit dem Aufbau, zugegeben, aber alles würde rechtzeitig fertig werden, wie immer.

      Mome Ira, sonst die Ruhe selbst, war vor dem Sonnwendfeuer, der großen Feier und dem gleichzeitig stattfindenden Thing wie eine rasende Bussardmutter. Sie plante wie ein ganzer Ameisenstaat, hatte alles und alle im Griff und bewies wie jeden Sum ein Organisationstalent, um das sie mancher der Clanobersten beneidete. Mome Ira war das heimliche Stammesoberhaupt diese Woche, und sie genoss es. Wenn sie bloß nicht so schroff und übellaunig wäre, wenn mal nicht alles nach ihrem exakt ausgetüftelten Plan verlief.

      Fandor machte sich so unsichtbar, wie es eben ging und arbeitete weiter. Die Sonnwendfeier! Das Thing! Alle waren aufgeregt, aber Thorn und Fandor, die beide dieses Mal ihr Schwert überreicht bekommen sollten, ganz besonders.

      Sie waren fast gleich alt, aber Thorn hatte schon Schultern breit wie der Stamm einer Roteiche und Muskeln sehnig wie Bogenholz, mit denen Fandor nicht im Geringsten mithalten konnte. Auch hatte sich bei Thorn schon ein schattiger Flaum im Gesicht eingenistet, der auf baldigen Bartwuchs schließen ließ.

      Fandor seufzte. Und wie sah er aus? Klein und schmächtig wie ein Tschilp, glatt wie ein Bachkiesel, hellhäutig, nur seine Stimme war, Jooba sei Dank, schon die eines Mannes. Wenigstens etwas. Auch wenn sie sich hin und wieder noch überschlug wie der Roller eines Steppenhahns. Aber das würde vergehen, und wenn es ihm passierte, was nicht mehr so oft vorkam, räusperte er sich immer schnell, als wenn er etwas in die falsche Kehle bekommen hätte.

      „Fandor! Ja, ist es denn die Möglichkeit! Was habe ich gerade zu dir gesagt?“ Mome Ira musste sich wieder angeschlichen haben. „Wir sind in Eile! Bist du bald fertig mit dem bisschen Sauberwischen?“ Sie baute sich dräuend wie eine Gewitterwand vor ihm auf. „Ich kann doch