Katharina Johanson
Grete Minde in Tangermünde
Historischer Roman
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Margarete und Albrecht von Minden
Kurfürst Georg Wilhelm und König Gustav Adolf
Dichtung und Wahrheit; ein Nachwort des Verlegers
Albrecht von Minden
Impressum
©HeRaS Verlag, Rainer Schulz, Berlin 2020
www.herasverlag.de
Layout Buchdeckel Rainer Schulz
Unter Verwendung eines Fotos von Harald Rossa
Am Abend des 1. September 1609 nahm der zwanzigjährige Albrecht von Minden seinen Weg von der Stadt Tangermünde nach dem kleinen, nur etwa dreieinhalb Meilen entfernt liegenden Örtchen Bölsdorf unter die Füße. Albrecht hatte im Krug zu Bölsdorf Spielschulden gemacht und die wollte er an diesem Abend begleichen, um das Spiel endgültig aufzukündigen. Die Schuld betrug nur fünf Taler und wenige Groschen, für arme Leute sicher ein Vermögen, für den Sohn des reichen Patriziers Baltasar von Minden eine Klackssache. Albrecht hätte seine Schuld mit links bezahlen und sich dann aus dem Staube machen können. Er war dem Wirt von Bölsdorf in keiner Weise verpflichtet. Allerdings ärgerte ihn die krumme Tour, wie der Wirt zu dem Guthaben gekommen war, und Albrecht wollte sich Genugtuung verschaffen.
Der Wirt von Bölsdorf, der Kilian Kleiber, war ein gewiefter Falschspieler, der im rechten Moment manipulierte Würfel ins Spiel brachte und die gesamte Bank des Abends gewann. Das hatte sich längst herumgesprochen. Das wusste jeder. Trotzdem trafen sich bei Kleiber allabendlich die Spieler und versuchten ihr Glück aufs Neue. Zuweilen gewann einer, wähnte sich überlegen, um bald danach wieder alles zu verlieren. Bis aufs Hemd ruiniert zogen der eine oder der andere ab. Kilian Kleiber blieb immer der Sieger. Heute nicht! Heute wird der Albrecht dem Kleiber auf die dreckigen Finger klopfen, sein Geld und seine Ehre herausholen und sich dann nie wieder am Spieltisch blicken lassen.
Der Abend war schön. Die Sonne stand schon tief. Die Gegend bot mit ihren saftig grünen Wiesen und Auen an den Ufern längs von Tanger und Elbe einen herrlichen Anblick. Man konnte im flachen, leicht hügeligen Land weit schauen. Seitlich säumten Weiden und Haselsträucher den ausgetretenen und zerfurchten Weg. Die meisten Bäume waren bereits bis auf die Stümpfe herunter geschnitten und trieben an vereinzelten Stellen neu aus. Die Ruten nahmen die Bauern für Körbe und Zäune. Flechten ist eine Winterarbeit. Das wusste Albrecht, weil er häufig draußen vor der Stadt herumstromerte, hier und da bei Bauern oder Fischern in die Stube schaute. Albrecht hatte ein offenes, freundliches Wesen. Das machte ihn unter den Leuten beliebt. Er steckte seine Nase in alle möglichen Angelegenheiten, war neugierig und mitteilsam. Wenn er irgendwo einkehrte, ließen sie ihn gewähren. War er doch angesehener Bürger Spross. Zugleich sagten die Leute von ihm: Er ist ein Herumtreiber, ein Taugenichts, ein Tunichtgut.
Seine hohe Geburt gestattete ihm ein gutes Leben, doch an seiner Ausbildung oder Arbeit hatte bisher niemand Interesse gezeigt. Solange sein um zehn Jahre älterer Bruder Caspar die Hoffnungen auf Nachfolge im väterlichen Geschäft erfüllte, kümmerte sich kaum mal jemand um Albrecht. Freilich hatten die Eltern und der Großvater ihn lieb, erfüllten ihm fast alle Wünsche, aber deren Sorglosigkeit ließ den Jungen verwildern. Sie rechtfertigten sich damit, dass ihm ohnehin ein schweres Leben bevorsteht, wenn er nämlich ins kurfürstliche Heer eintritt. Dann sind Strenge, Entsagung und körperliche Ertüchtigung angesagt. Schon längst hätte Albrecht als Knappe sinnvoll beschäftigt sein können, doch die Mutter barmte, wollte den Knaben nicht hergeben, und der Großvater warnte, man wisse nie, ob der Caspar sich im Handelsunternehmen bewährt. Da ist es gut, einen Reservekandidaten vorzuhalten. Und der lebte einen angenehmen Tag zwischen Müßiggang und Spiel.
Das Spiel erregte und geißelte den Jungen gleichermaßen. Er lobte sich den Nervenkitzel zwischen Einsatz und Gewinn. Er hasste die Bettelei um Geld. Vom Vater war der Spieleinsatz niemals zu erheischen. Der Alte saß auf dem Gelde und rückte nichts für Vergnügungen heraus. Die Mutter zwackte vom Haushalt ab, was ihr Sohn hier und da nebenbei brauchte. Sie gab weichherzig nach und bangte um ihres Jungen zügellose Leidenschaft. Albrecht liebte die Mutter. Er wollte sich ändern. Er hatte die besten Vorsätze. Heute wird er ein letztes Mal spielen, nahm er sich fest vor.
An der Seite schnitt ein junger Mann Weidenruten. Albrecht passierte die Stelle. Sie begrüßten einander. Da erkannte er den Tönnies und blieb stehen. Anteilnehmend fragte Albrecht: „Nun, hast Du schon was für den Winter gefunden?“ Tönnies unterbrach die Arbeit und schüttelte den Kopf.
Er war einer der Hilfsarbeiter, wie sie die Stadt während der Sommermonate zu Hauf beschäftigte und im Winter