Drei Wochen später lief Tönnies seinen Weg auf Stendal zu. Das Wetter war hundsmiserabel und verstärkte das Reißen in den Gelenken. Er war allein unterwegs. Die Straße zwischen Tangermünde und Stendal war menschenleer. Wer nicht unbedingt etwas zu erledigen hatte, blieb im Haus. Während Tönnies so lief, sich die Schmerzen verbiss, lenkte er sich mit frohen Erinnerungen ab: Zweimal hatte ihn schon die schöne Margarete in Dienst genommen. Einmal hatte er für sie ein Schriftstück zum Rathaus getragen. Diese Kleinigkeit war ihr ein paar Groschen wert gewesen. Und jetzt ist er zum Haffner in Stendal unterwegs, einen Brief und eine Geldsendung zu überbringen. „Tönnies, geh‘ und mach das ordentlich. Die Haffners brauchen das Geld und haben nicht verdient, dass man sie betrügt“, hatte Margarete ihm aufgetragen. Auf ihn konnte man sich verlassen, das wusste hier jeder, und Margarete zu hintergehen, käme ihm schon gar nicht in den Sinn. Weil, ja, weil ich sie liebe, gestand er sich ein. Allerdings hat Margarete kaum Augen für ihn. Da begnügte er sich damit, sie anzuhimmeln.
Der Sturm legte sich. Der Himmel riss auf. Die Sonne schien. Jörgen Haffner trat vors Haus, schaute nach oben und sagte: „Ei, ei, was ist der Tag doch noch freundlich geworden.“ Er blieb seinem optimistischen Grundsatz treu: Wenn man schon kaum noch was zu beißen hat, die Aussichten für den Winter trübe sind, dann muss man sich wenigstens das Wetter loben. Ein Fußgänger kam durch die Gasse auf ihn zu und sprach: „Guten Tag, Meister, in welchem Haus wohnen denn die Haffners?“ Jörgen antwortete: „Fremder, Ihr seid schon da. Ich bin der Hausherr.“ Tönnies fragte: „Darf ich eintreten?“ Haffner lachte: „Wer besucht denn freiwillig den Scharfrichter?“ Tönnies trat unerschrocken näher: „Ich bringe eine Botschaft von Margarete.“ Haffner strahlte auf und öffnete die Tür weit.
Zehn Goldstücke hatte Margarete ihnen eingepackt und einen Brief mit den aktuellen Nachrichten verfasst: Es geht ihr gut, sie ist gut untergekommen, das Kind ist wohlauf, es mangelt ihr an nichts, auch arbeitet sie in Ruhe an ersten Stücken für ihr Theater. Die Haffners lasen die Post mehrfach und freuten sich sehr. Das Geldgeschenk war mehr als Margarete hier jemals verbraucht hatte. Mit „ach, das wäre doch nicht nötig gewesen“ und „das hätte sie doch nicht machen müssen“ ging Ottilie Haffner sofort daran, ihre Schulden beim Schlachter und beim Bäcker zu bezahlen sowie die Vorratskammer aufzufüllen. Sie drängten den Tönnies, über Nacht zu bleiben. Er musste wieder und wieder jede Kleinigkeit über Margarete erzählen. Als Ottilie und Jörgen spät im Bette beieinander lagen, sagte der Mann zufrieden: „Mit dem Tönnies hat die Margarete einen Beschützer gefunden. Der liebt das Mädel, der hält zu ihr.“ Die Frau stimmte zu, denn auch sie hatte deutlich gemerkt, mit wie viel Wärme Tönnies von Margarete spricht. Sie löschten das Licht und schliefen eng umschlungen, ja sorgenfrei und wirklich glücklich ein.
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