„Bis später!“, rief ihr Frau Helmken nach und Thea zog die Tür hinter sich ins Schloss.
Auf dem Schulhof angekommen, stürzte ihr Juli sofort entgegen.
„Thea! Da bist du ja endlich!“
Sie fielen sich zur Begrüßung in die Arme und liefen zusammen in Richtung des Klassenraums. „Waren die Cheater noch einmal da?“, fragte Thea sofort.
„Nein, die sind nicht mehr aufgekreuzt. Dafür Dein_Tod. Er hat sich so was von daneben benommen. Seine Gilde hat sich jetzt mit der Gilde der Feuertänzer verbündet. Dein_Tod meinte, wir würden fortan an dem Spiel keine Freude mehr finden. Er hat unseren Gildenmitgliedern ein Ultimatum bis morgen Abend gestellt, die Gilde zu verlassen. Alle, die bleiben, würden auf der Abschussliste stehen.“
„Der spinnt doch! Wie kann man nur so nachtragend sein. Und? Gab es Reaktionen?“
„Tom war nicht mehr online. Wir fragen gleich, was er von der Sache hält. Aber Panicgirl sagte bereits, dass sie keine Lust darauf hätte ständig getötet zu werden und sie dann lieber die Gilde verlassen würde.“
„Pfff! Soll sie doch!“ Thea lachte. „So macht sie ihrem Namen jedenfalls ganze Ehre.“
„Ja! Sie sollte sich in „Panic vor Dein_Tod“ umbenennen“, stimmte Juli zu.
Sie begrüßten ihre Mitschüler, die sich bereits vor der Klassentür versammelt hatten. Ein Junge trat auf sie zu und streckte die Faust nach ihnen aus, die Juli und Thea mit ihrer Faust antippten.
„Tribun“, sagte Juli und verbeugte sich in gespielter Ehrfurcht.
„Tiray“, antwortete er, legte die Hand auf die Brust und erwiderte die Geste.
Thea rollte die Augen. Sie schüttelte den Kopf. „Ihr Spinner!“
Er lachte. „Was, Fengurd? Schlecht gelaunt? Hast du etwa Computerverbot?“
„Als ob du das nicht wüsstest, Tom!“
„Und wenn du gestern nicht so schnell abgerauscht wärst, wüsstest du auch, dass wir jetzt Krieg mit zwei Gilden haben!“, erklärte Juli.
Tom winkte ab. „Das weiß ich längst. Schmunzelkeks hat mir sofort eine Nachricht aufs Handy geschickt. Dein_Tod hat einen Vollschuss!“
„Aber hallo! Und ich dachte gestern noch, jetzt würden sie uns bald ein Friedensangebot machen!“
„Solange alle in der Gilde bleiben und wir zusammenhalten, kann uns nicht viel passieren. Wir haben ein paar sehr hohe Spieler mit guten Waffen. Ich werde jedenfalls nicht klein beigeben. Wir werden ihnen nach der Schule einen blutigen Empfang bereiten. Wollen wir doch mal sehen, wer hier die Lust am Spiel verliert!“ Er gab Thea einen Knuff. „So eine gute Magierin wie wir haben sie nicht!“
„Ich kann nach der Schule nicht“, wehrte Thea ab.
„Du kommst einfach zu mir und spielst wieder am Laptop“, entgegnete Juli.
Herr Eppert unterbrach ihr Gespräch, als er sich mit bereitgehaltenem Schlüssel durch die Schüler hindurch zur Tür schob und den Klassenraum aufschloss.
„Nein, das geht nicht. Ich werde von meiner Mutter abgeholt. Wir kaufen neue Schuhe für mich ein“, erklärte Thea, während sie ihren Mitschülern in den Klassenraum folgte.
„Schuhe? Sie kann dir doch welche mitbringen“, motzte Juli, schwieg aber im gleichen Moment, da Thea ihr einen rügenden Blick zuwarf.
„Schon gut! Schon gut! Kauf deine Schuhe“, erwiderte Juli.
„Wir brauchen dich jetzt mehr als je zuvor. Schau, dass du einen Weg findest heute online zu kommen“, beschwor Tom sie und nahm an seinem Tisch Platz.
„Ich werde es versuchen, aber ich kann für nichts garantieren“, versprach Thea.
Nach dem Unterricht wartete Frau Helmken wie verabredet vor der Schule. Thea öffnete die Beifahrertür und warf ihren Rucksack auf den freien Platz der Rückbank. Mats strampelte mit Händen und Beinen in seinem Kindersitz und rief begeistert: „Endlich! Endlich! Das hat so lange gedauert!“
„Du Knallkopf“, schmunzelte Thea. Sie kniete sich auf den Sitz und lehnte sich zu Mats vor, um ihm einen Kuss auf die Wange zu drücken. Dann schloss sie die Tür und nahm auf dem Beifahrersitz Platz.
„Wie war dein Tag?“, begrüßte Frau Helmken sie.
„Gut“, antwortete Thea.
Erschrocken fuhr sie zusammen, als Juli ihren Kopf durch das Fenster steckte und ohne Vorwarnung fragte: „Frau Helmken! Fahren sie Thea nach dem Einkaufen bei mir vorbei? Wir müssen das Referat fertig machen.“
„Hallo Juli“, erwiderte Frau Helmken. „Welches Referat?“
Für den Bruchteil einer Sekunde zögerte Juli, dann antwortete sie wie selbstverständlich: „Über das Kastensystem in Indien. Hat Thea nichts erzählt?“
„Nein, hat sie nicht.“ Frau Helmken hob die Augenbrauen. „Bist du sicher, dass es nicht eher ein Referat über Onlinespiele ist?“
„Schön wär’s“, prustete Juli und winkte ab.
„Und bis wann, Thea, müsst ihr dieses Referat abgeben?“, fragte Frau Helmken nun ihre Tochter mit offenem Argwohn.
„Bis morgen!“, antwortete Juli, ehe Thea die Möglichkeit hatte zu reagieren. Sie drehte den Kopf zu ihrer Freundin und riss die Augen auf, um ihr zu bedeuten, die Sache nicht noch schlimmer zu machen. Doch Juli ignorierte sie beflissen.
„Bis morgen“, wiederholte Frau Helmken und verschränkte die Arme hinter dem Steuer. „Stimmt das, Thea?“
Thea zog die Lippen an und schüttelte mit dem Kopf, worauf Juli empört quiekte. „Frau Helmken, bitte! Sie wissen doch, dass ich ohne Thea aufgeschmissen bin. Ich muss das Referat halten. Ohne Thea schaffe ich das nicht!“
Frau Helmken legte die Hände ans Lenkrad und drehte den Zündschlüssel. „Ich vertraue meiner Tochter, aber dir, Juli, vertraue ich nur bis zu dieser Autotür. Ihr werdet das Spiel nicht anrühren!“
Juli strahlte über beide Ohren. „Natürlich nicht, Frau Helmken.“ Sie nahm den Kopf aus dem Auto, knuffte Thea auf den Oberarm und winkte ihrer Freundin nach.
„Referat über das Kastensystem in Indien“, schnaubte Frau Helmken. „Was Besseres ist euch wohl nicht eingefallen.“
„Ich habe damit nichts zu tun!“, versicherte Thea.
Wortlos fuhr Frau Helmken los. Sie vermied es, den restlichen Nachmittag über das Thema zu sprechen und lenkte die Gespräche auf belanglose Themen. Fünf Schuhgeschäfte und zwei Eisläden später hatte Thea endlich ein paar Sneakers gefunden. Wie verabredet fuhr Frau Helmken sie nun bei Juli vorbei. Thea sah ihrer Mutter an, dass sie es nicht gerne tat, umso mehr dankte sie ihr dafür. Als Thea, mit ihren neuen Sneakers ausstaffiert, aus dem Auto sprang, war es bereits früher Abend. Sie verabschiedete sich und musste erneut versprechen, das Spiel nicht anzurühren. Erst dann rannte sie zur Haustür. Sie hatte kaum den Daumen auf die Klingel gelegt, da wurde die Tür bereits aufgerissen. Juli packte sie an der Hand und zog Thea mit sich.
„Beeil dich! Der Lappi ist schon an!“, rief sie. Rasch rannte sie in ihr Zimmer. Dort setzte sie ohne ein weiteres Wort das Headset auf und nahm am Schreibtisch Platz.
„Ich habe es meiner Mutter versprochen!“, empörte sich Thea.
„Du spielst ja auch nicht! Wir beraten uns! Du wirst dich hüten, Spaß dabei zu haben“, lachte Juli.
Seufzend schüttelte Thea den Kopf. Dann tippte sie ihren Benutzernamen und das Passwort ins freie Feld und tauchte ebenfalls in das Spielgeschehen ein. Fast