„Es ist wichtig!“, fauchte Thea zurück, der die Diskussionen um ihren Computergebrauch allmählich auf die Nerven gingen. Wartet einen Augenblick, hackte sie in den Gildenchat und drehte sich auf dem Stuhl zu ihrer Mutter um, die mit dem Geschirrtuch bewaffnet im Türrahmen stand.
„Du machst das jetzt aus und kommst helfen!“, befahl diese verärgert.
„Ich kann nicht, ich werde gebraucht“, erklärte Thea zähneknirschend.
„Ja, und zwar in der Küche!“
Thea knurrte beleidigt, drehte sich um und las rasch den Gildenchat, in dem ihre Freunde sie bereits zur Eile drängten. Alle hatten sich im Moor verabredet, wo Tom kurz zuvor einige Mitglieder der feindlichen Gilde erspäht hatte. Fengurd, mit ihren heilenden Kräften, war in einem Kampf unerlässlich, wenn sie gewinnen wollten.
„Kommst du jetzt?“, fragte ihre Mutter eindringlich.
„Ich kann nicht! Mach deine Küche doch selbst!“, erwiderte Thea aufgebracht.
Frau Helmken schnappte nach Luft und fuchtelte mit dem Geschirrtuch vor ihrem Gesicht. „Jetzt reicht es! Du hast eine Woche Computerverbot!“
Thea sprang auf. „Das kannst du nicht machen!“
„Und wie ich das kann, meine Dame! Aus das Teil!“
Ihre Blicke trafen sich und Thea wusste, dass ihr nichts anderes übrig bleiben würde. Sie fauchte verärgert und schaltete den Computer aus, ohne ihn herunterzufahren. Dann schnappte sie sich das Handy und eilte wütend an ihrer Mutter vorbei. Ihr Ziel führte sie allerdings nicht in die Küche, sondern kurzerhand aus dem Haus. Auf Frau Helmkens rasch folgende Frage, wohin Thea wolle, antwortete diese nur mit dem Donnern der Haustür. Kaum zwei Schritte gegangen, klingelte Theas Handy.
„Wo bist du plötzlich hin?“, fragt Juli.
„Computerverbot“, antwortete Thea knapp.
„Oh, wie uncool. Dann komm rüber, du kannst am Lappi von meinem Vater spielen.“
„Ich bin schon auf dem Weg“, erklärte Thea lachend.
„Beeil dich! Es geht gleich los. Wir brauchen dich!“
„Ich fliege“, antwortete Thea, legte auf und rannte los.
Sie lief den Bürgersteig entlang und eilte durch den kleinen Park, bis sie zur Straße gelangte, die zu Julis Wohnhaus führte. Juli wartete bereits an der Tür und sauste davon, als sie ihre Freundin erblickte. Nachdem Thea die letzten Schritte zum Haus genommen hatte, schloss sie die Haustür hinter sich und kam zu Juli ins Zimmer, die in heller Aufregung vor ihrem Spiel saß. Neben sich hatte sie den Laptop aufgebaut. Das Login-Fenster zum Spiel leuchtete bereits auf dem Bildschirm. Rasch tippte Thea ihre Daten in das Feld.
Da bist du ja endlich wieder, Fengurd!, erschien eine private Nachricht im Chatfenster und gleich darauf folgte die Gruppeneinladung.
Tut mir leid! Meine Mutter hat mir Computerverbot erteilt, antwortete Thea und nahm die Einladung an. Sofort reihten sich acht kleine Balken mit der Energieanzeige ihrer Mitspieler auf der rechten Bildschirmseite an. Eine weitere Einladung zum Sprachchat poppte auf und Thea wandte sich zu Juli um.
„Skype ist an. Hast du ein zweites Headset?“
„Klar!“ Juli stand auf und zog einen Kopfhörer mit Mikrofon aus dem Regal, den sie Thea reichte. Kaum dass Thea die Hörkapseln auf die Ohren setzte, drang eine Vielzahl von Stimmen auf sie ein.
„Wir sind zu zwölft. Maniac führt die andere Gruppe“, erklärte eine junge Männerstimme. „Panicgirl, kümmerst du dich um den Assassinen? Timba und Schmunzelkeks, ihr müsst mit aller Kraft auf den blauen Zauberer einschlagen! Wir nehmen den anderen.“
„Kein Problem, Tribun!“
„Bin dabei!“
„Fengurd, Feentraum, ihr müsst heilen, was das Zeug hält!“
„Vor allem mich!“ Es war Julis Stimme und sie ließ Thea einen Blick zur Seite werfen.
„Mach ich! Immer auf den Zwerg!“
„Tiray, nimm mal meine Axt, sie ist +12 und hat gute Angriffs- und Verteidigungswerte.“
„Gerne! Gib her!“
„Die bekomme ich aber wieder!“
Sie sortierten ihre Ausrüstung, und als alle das Okay gaben, eilten sie aus den Winkeln und stürzten auf die gegnerische Gruppe zu.
Der Schlagabtausch wogte hin und her. Zwischen hektischen Klicks und wilden Wortgefechten ertönte aber bald Gelächter, da sich der Kampf zugunsten der Angreifer wendete. Als endlich der Zauberer ausgelöscht war, rannten die übrigen Gegner um ihre letzten Hitpoints, doch vergebens. Beharrlich eilte ihnen die Gruppe hinterher, und einer nach dem anderen fiel ihnen zum Opfer und löste sich in Nichts auf.
„Gewonnen!“, kreischte Juli, warf die Arme in die Höhe und sprang erleichtert aus ihrem Stuhl.
Tribun, der die Gruppe angeführt hatte, bedankte sich bei den Mitspielern. Einige verabschiedeten sich, da sie nur für den Kampf online gekommen waren, ein paar zogen in kleineren Gruppen davon, um Quests zu erledigen. Einer nach dem anderen verließ den Sprachchat und am Ende blieben einzig Juli, Thea und Tribun in der Gruppe.
„Gut gemacht, Juli! Du bist gar nicht gestorben“, scherzte Tribun.
Juli lachte. „Was soll das denn heißen?“
„Dass Thea ganze Arbeit geleistet hat, denke ich“, erwiderte Tribun.
„Unverschämtheit! Vielleicht habe ich auch einfach gut gekämpft!“, erwiderte Juli.
„Vielleicht“, bestätigte Tribun, aber aus seinem Ton war herauszuhören, dass er es nicht ernst meinte.
„Wollen wir noch zusammen leveln?“, fragte Juli kurzerhand.
„Ich muss jetzt leider los“, antwortete Tribun. „Meine Mutter wollte noch einkaufen. Wir sehen uns später oder morgen!“
„Okay. Schade!“ Juli hatte die Worte kaum ausgesprochen, da war Tribun schon verschwunden. Sie nahm das Headset von den Ohren und Thea folgte ihrem Beispiel.
„Das war obercool!“, jubelte Juli.
Thea nickte. „Allerdings! Ich glaube, die handeln bald ein Friedensabkommen aus.“
„Das wird sie aber teuer zu stehen kommen. Wo gehen wir hin? Zu den Orks? Die geben viele Punkte.“
Thea verzog das Gesicht. „Ich weiß nicht, Juli. Meine Mutter wird schon jetzt sauer sein. Ich sollte nicht zu lange wegbleiben.“
„Aber du bist doch gerade erst gekommen! Sie wird so oder so böse sein. Du kannst also noch ein wenig bleiben.“
Thea wollte verneinen, als sie jedoch in die flehenden Augen ihrer Freundin schaute, konnte sie nicht widersprechen. „Na gut. Aber nur eine Stunde.“
Sie suchten sich ein ungefährliches Eckchen, in dem selten andere Spieler auftauchten und während Thea alle Hände voll damit zu tun hatte, Julis Charakter zu heilen, schlug diese die gegnerischen Orks nieder und sammelte Erfahrungspunkte. Einige Zeit später machte Juli eine Entdeckung:
„Wuuhuuu! Wer sind die? Achtung Thea!“
„Was?“
Thea runzelte die Stirn. Am unteren Bildschirmrand näherten sich zwei Figuren, die geradewegs aus einem anderen Spiel zu stammen schienen. Man hatte die Wahl zwischen acht Rassen, weiblich oder männlich. Im Allgemeinen war außer Kleidung, Haarfarbe und Ausrüstung nicht viel Unterschied zwischen den Spielern auszumachen, doch diese hier entsprachen keiner der vorgegebenen Figuren. Ein