Pandemie des Todes III Teil. Hans Joachim Gorny. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hans Joachim Gorny
Издательство: Bookwire
Серия: Was wird
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752920659
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erhebt sich die größte aller Frauen. „Viele bilden sich ein, wir hätten ein Ernährungsproblem, weil es kein Mehl mehr gibt. Dem ist aber nicht so. Angebliche Mangelerscheinungen gibt es nur, weil ihr nicht alle Ressourcen ausschöpft. Als Frühstück immer Wurst, Käse und Eier, ist einfach zu ungesund. Ihr habt für den Winter Obst eingemacht und getrocknet, das reicht als Frühstück. Nachmittags esst ihr ja Fleisch. Meistens mit irgendeinem Kohl und Kartoffeln, oder Bohnen, Erbsen, Linsen. Wie wäre es mal mit Zwiebeln oder Lauch. Oder eingelegten Zucchini, Paprika und Auberginen. Ihr alle esst auch viel zu wenige Rüben, egal welche. Roh, gekocht, als Püree können sie getrost ohne Fleisch gegessen werden.

      Und auch abends geht es nicht ohne Wurst und Käse. Wir haben hier jede Menge Gewässer. Ihr müsst auch Fische, Muscheln und Krebse essen. Jede Familie sollte für ein abwechslungsreiches Essen sorgen. Da darf man nicht bequem sein. Es gibt Familien, die essen unter der Woche nur Schweinefleisch und Sauerkraut. Diese Eintönigkeit muss ja krank machen. Nur Vielfalt hält gesund. Und vergesst nicht das eingemachte Obst und die Beeren zu verzerren. Esst was ihr kriegen könnt, aber wenig Fett aus Fleisch, Käse und Eiern. Trinkt Säfte. Wir haben alles was wir brauchen um gesund zu bleiben.“

      Der Winter ist kälter als in den Vorjahren. Im Januar gibt es eine richtig kalte Woche mit minus elf Grad. Das müsste die Sporen killen.

      Kurz vor der Aussaat kommen italienische Händler nach Zoratom. Vor der Kirche bauen sie einen Stand auf und beginnen, auf einem mitgebrachten Holz- Herd, in zwei Töpfen zu kochen. Das Publikum lässt nicht lange auf sich warten. Es gibt einen Haken. Die drei Händler haben von deutscher Sprache keine Ahnung. Einer spricht französisch, Carlina wird gesucht. Sie, Kim, Richard und einige andere, hatten sich den Spaß gemacht eine Fremdsprache zu lernen. Da Frankreich in greifbarer Nähe liegt, kam nichts anderes in Frage. Auch, um sich mit den Franzosen beim AKW Fessenheim unterhalten zu können. Man will schließlich wissen, wie es um dieses Erbe der Menschheit bestellt ist. Italien und England sind einfach zu weit weg. Nach einer Weile kommt sie auf einem Fahrrad Marke Eigenbau angebraust. Stellt es ab und sich vor die Italiener. Das Dauergrinsen der Händler verschwindet. Vermutlich sind sie plötzlich innerlich geschrumpft und fühlen sich nur halb so groß, wie Carlina vor ihnen steht.

      „Was habt ihr uns denn Gutes mitgebracht?“, beginnt sie das Gespräch.

      Als sie das Französisch vernehmen, wird einer der Drei sofort wieder lebendig. „Wir haben von euren Problemen mit dem Weizen gehört. Deshalb haben wir euch eine Alternative mitgebracht, die in unserer Heimat gedeiht. Wir nennen es Riso. Wir haben euch, zum Probieren, einen Topf voll gekocht. Mit Soße schmeckt der Riso am besten. Gleich ist die Soße fertig.“

      Carlina übersetzt. Niemand, auch sie nicht, hat jemals von Riso gehört. Der Sprecher hebt einen Deckel, holt mit einem großen Holzlöffel schneeweiße Körner aus dem Topf. Weiße Körner sind in Zoratom gänzlich unbekannt. Pustend kühlt er die Körner. Hält Carlina den Löffel hin. Sie probiert. Der Riso schmeckt fremd. Total fremd. Und fade. Weit entfernt von allen jemals hier angebauten Getreiden. Viele andere probieren auch, verziehen das Gesicht. Dann taucht der Mann den Löffel in den zweiten Topf, holt rote Soße heraus. Auf die gibt er mit einer Gabel Risokörner und lässt Carlina wieder probieren. Es schmeckt sehr würzig, fast scharf, aber nicht unangenehm.

      „Ihr könnt den Riso anbauen wie euer Getreide. Der Pilz wird ihm aber nichts anhaben“, versucht der Händler sein Produkt anzupreisen.

      „Du hast unser Problem nicht erkannt“, antwortet sie. „Dein Riso wird uns vielleicht Abwechslung verschaffen und satt machen. Leider kann man mit ihm unser geliebtes Brot und unsere leckere Nudeln nicht herstellen, weil er ganz anders schmeckt. Was soll das Kilo denn kosten?“

      Der verlangte Preis ist einer einzigartigen Delikatesse würdig.

      Grissly kommt vorbei. Schaut in den Topf. Sagt: „Tatsächlich. Reis.“

      „Du kennst das Zeug?“ fragt Carlina verwundert, weil er etwas kennt was sie nicht kennt.

      „In Papas Vorratskammer habe ich, als ich klein war, zwei, drei Tüten davon gefunden. Mit Fisch zusammen schmeckt er am besten.“

      Es kommen noch einige leidenschaftliche Köchinnen und Köche vorbei, die den Reis aus Büchern kennen. Alle probieren, halten das Zeug für essbar, winken aber sofort ab, als sie den Preis hören.

      „Habt ihr eigentlich eine Ahnung was es bedeutet von Italien über die Alpen hierher zu reisen?“, verteidigt sich der Händler. „Diese Mühen machen den Reis so teuer.“

      „Für ein Kilo Reis biete ich dir einen halben Liter Kirschwasser. Beste Qualität“, muss Carlina für Grissly übersetzen.

      „Er will fünf Liter für ein Kilo“, gibt sie zurück.

      „Verlange doch gleich ein Kilo Gold“, sagt Grissly hämisch. „Ich biete einen Liter. Ein Liter Schnaps für einen Kilo Reis ist unverschämt genug. Sonst könnt ihr ohne Verkauf weiterfahren.“

      Der Italiener berät sich mit seinen Partnern, schüttelt dann den Kopf. So kurz vor der Aussaat will aus Zoratom niemand auf fremde Körner setzen. Dieses Jahr könnte es mit dem Weizen klappen. Grissly geht, Carlina geht und nach ihr auch alle anderen Neugierigen. Bevor sie den Ort verlassen, fahren die Italiener heimlich bei Grissly vorbei, tauschen drei Kilo Reis gegen drei Flaschen Obstler und fahren zur nächsten Siedlung.

      Das ertragreichste Grundstück gebührt dem Emmer. Ralf vertraut seiner Zucht und sät alle seine eingelagerten Körner aus. Von den anderen Getreiden wird nicht viel riskiert, der Rat ist vorsichtig. Geht es gut, gibt es zumindest etwas Mehl, das man an Festen, Geburtstagen und Weihnachten verbrauchen kann. Viele Familien haben sich noch immer nicht daran gewöhnt, dass es das Getreide, das man bei Grissly holen konnte wie man es brauchte, nicht mehr gibt. Die Gregorhöfe bauen kein Getreide mehr an. Nur noch Gewächse von denen man weiß, dass sie unverwüstlich sind. Auch die Insulaner bauen kein Getreide mehr an. Von was sie leben, wissen die Fliegen. Voller Hoffnung reiten die Landwirte bald täglich zu ihren Feldern. Überwachen mit Argusaugen die Blätter und Stängel ihrer Getreidepflanzen. Wünschen sich nicht zu viel und nicht zu wenig Regen und vor allem, keine Getreideseuche.

      Doch sie kommt. Alles wird wieder befallen, bis auf den Emmer, der scheint tatsächlich resistent zu sein. Es wird darauf hinauslaufen, dass sich die Gemeinschaft, wenn es einmal genug davon gibt, von Emmer ernähren muss. Der aber leider weder schmackhaftes Weizenbrot noch die beliebten Nudeln ersetzen kann. Manchem kommt es schon so vor, als ob die letzte Getreideernte eine Ewigkeit zurückliegen würde und das Leben ohne Brot, Nudeln und Kuchen eine für immer beschlossene Sache wäre.

      Auch andere Gemeinschaften müssen nun ohne Getreide leben. Es scheint ein richtiges mitteleuropäisches Problem zu sein. Das jährliche Fußballturnier wird abgesagt, weil sich zu viele selbst eingeladen haben. Die Fußballfans dachten sich, wir fressen uns im reichen Zoratom mal so richtig durch. Doch der Reichtum schwindet. Werte und Besitz werden manchmal für ein Bisschen fremdes Mehl geopfert, weil die Frau gerade Geburtstag hat oder man den Kindern eine Freude machen will. Während früher der Reichtum in den Ort floss, fließt er nun auf den Wagen und in den Taschen der Händler hinaus. Monatlich wird Getreide teurer. Wir verlernen noch das Brotbacken und Nudeln machen, befürchten die Bäcker und Hausfrauen.

      Einen Lichtblick gibt es. Die Forscher im Hospital haben ein Mittel gegen den Pilzbefall gefunden. Gewonnen, welche Ironie, aus einem anderen Schimmelpilz. Nur, um das Mittel anwenden zu können, muss dieser Pilz in Masse gezüchtet werden. Carlina versucht das Mittel mit Brennnesselsud zu strecken. Bei allem Aufwand reicht die Flüssigkeit nur für ein kleines Maisfeld. Das sogar geerntet werden kann.

      Auch im Jahr darauf wird die Aussaat von der Getreideseuche zerstört. Keiner rechnet damit, jemals wieder ein Weizen-Roggen-Dinkel-oder Maisbrot auf den Tisch zu bekommen. Der Emmer wächst wie gewohnt prächtig, egal ob es zu feucht ist oder zu trocken, es scheint ihm nichts zu machen. Das Getreide der Zukunft. Das Antipilzmittel wirkt, aber nur auf den Maispflanzen und kann nicht in großen Mengen hergestellt werden.

      Dann kommt es zum Gau. Grissly macht im Getreidelager Mäusekontrolle, hebt die schwarze Folie an