ASIA B-C. Walter Wosp. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Walter Wosp
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783847661917
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ein guter Chirurg?«

      Er denkt einige Sekunden nach.

      »Ja.«

      »Wie lange sind Sie schon im Dienst?«

      »Seit 14:00 Uhr.«

      »Sind Sie ausgeschlafen?«

      »Ja.«

      »Haben Sie gestern etwas getrunken?«

      Er schmunzelt. »Nein.«

      Ich schlucke noch einmal und hole tief Luft. »Dann operieren Sie.«

      »Es erfolgte eine ausführliche Aufklärung des Untersuchten über den Unfallmechanismus und über die Querschnittsymptomatik sowie die sich daraus ergebende Notwendigkeit einer raschen Dekompressionsoperation.

      Noch am Unfalltag um 23:28 erfolgt die Dekompressionsoperation im Sinne einer Laminektomie zwischen C4 bis C7. Die Operationsdauer ist bis 3:00 des nachfolgenden Tages dokumentiert.«

      »New York Marathon. Ich laufe den New York Marathon.«

      »Schön, dass Sie wieder wach sind, ich bin Schwester Manuela.«

      Ich drehe den Kopf ein paar Zentimeter Richtung Stimme, sehe eine freundlich lächelnde blonde Frau mit kurzen, wild in alle Richtungen stehenden Haaren.

      »Ich laufe den New York Marathon.«

      Sie schaut mich fragend, und wie mir scheint, etwas verblüfft an.

      »Was meinen Sie mit New York Marathon?«

      »Am 6. November ist der New York Marathon. Ich habe jetzt schon vier Mal bei der Lotterie mitgespielt. Die Regel ist, wenn man vier Mal mitgespielt hat und nicht gezogen wurde, hat man beim fünften Mal automatisch die Startberechtigung. Ich habe mich schon angemeldet.«

      Sie sieht mich etwas mitleidig an. »Ich drücke Ihnen die Daumen, aber vielleicht sollten Sie vorher mit dem Arzt reden, ich hole ihn einmal.«

      Ich drehe den Kopf wieder zur Decke. ›Moment mal, ich drehe den Kopf?!?‹ Ich bewege den Kopf vorsichtig etwas wieder nach links, in die Richtung in der Manuela gestanden ist, ich drehe ihn vorsichtig zurück Richtung Zimmerdecke und dann weiter nach rechts. Aus dem Augenwinkel sehe ein Fenster, einen Sessel, ein paar Geräte.

      »ICH KANN MEINEN KOPF WIEDER DREHEN!!!« rufe ich.

      »Wie geht es Ihnen?«

      Ich drehe den Kopf nach links, in einer flüssigen, aber sehr kleinen Bewegung.

      »Hallo, Dr. Schneyder. Mir geht es gut, ich kann den Kopf wieder drehen.«

      »Ja, aber bitte nicht zu viel und gaaaanz langsam, sie dürfen es nicht gleich übertreiben. Ihre Operation ist sehr gut verlaufen, zu Ihrer Information: Wir haben einen Teil des Wirbelkanals aufgeschnitten, Sie haben jetzt zwei Schienen aus Titan, die Ihre Wirbel stabilisieren. Die werden für immer in Ihnen bleiben, werden Sie aber nicht behindern.«

      ›Titan Ring runter, Titan Schienen rein. Wirbel stabilisieren? Sie werden mich nicht behindern? Für immer? Hmmm ...‹

      Dr. Schneyder geht ans untere Ende des Bettes.

      »Ich würde gerne einige Tests machen.«

      »Gern.«

      »Heben Sie Ihren linken Arm.«

      Ich hebe den linken Arm, es geht gefühlte zehn Zentimeter, dann wird er zu schwer, er fällt wieder nach unten.

      »Das war ja schon ganz gut, probieren wir den rechten.«

      Ich versuche den rechten Arm zu heben, wieder zehn Zentimeter, dann geht nichts mehr.

      »Heben Sie bitte den rechten Arm.«

      »Noch einmal? Ich hab ihn doch gerade gehoben, weiter geht es nicht.«

      »Er hat sich aber nicht bewegt.«

      »Das gibt es nicht, ich habe es doch gespürt.«

      »Das ist ganz normal, Sie werden noch sehr häufig Fehlinformationen bekommen. Machen Sie einmal eine Faust.«

      Ich versuche mit der linken Hand eine Faust zu machen, dann mit der rechten. Ich bin nicht sicher, ob sich die Finger auch wirklich gekrümmt haben, sehen kann ich meine Hände nicht.

      »War das jetzt eine Faust?«

      Dr. Schneyder schüttelt den Kopf. »Nein, da war nichts, das mit der Faust geht nicht.«

      »Noch nicht«, sage ich.

      Weitere Tests ergeben, dass ich das linke Bein und den linken Fuß etwas bewegen kann, rechts bewegt sich gar nichts.

      »Wir müssen noch etwas warten, bis wir sehen, was mit der rechten Körperseite wirklich geschieht, momentan können wir nur hoffen. Sie haben ein starkes Schmerzmittel bekommen, wenn die Wirkung nachlässt, werden Sie wahrscheinlich heftige Schmerzen bekommen, sagen Sie das bitte sofort einer Schwester.«

      Dr. Schneyder verabschiedet sich, Schwester Manuela kommt wieder.

      Sie fragt mich, ob sie das Gitter an den Seiten des Bettes hochziehen darf. Ich frage, warum.

      »Ich glaube zwar nicht, dass Sie sich so stark bewegen können, dass Sie aus dem Bett fallen, aber sicher ist sicher.«

      »Nein, ich meine, warum fragen Sie.«

      »Wir müssen fragen, es haben sich schon Patienten beschwert, dass sie durch das Gitter in ihrer Freiheit eingeschränkt werden.«

      Ich würde gerne den Kopf schütteln, erinnere mich aber noch rechtzeitig an die Warnung von Dr. Schneyder und sage nur, dass ich das nicht glaube. Sie erwidert, dass sie mir hunderte Sachen erzählen könnte, die ich wahrscheinlich nicht glaube. Sie fragt mich, ob ich einen Priester sprechen will.

      »Nein, warum? Es ist ja schon alles überstanden, Dr. Schneyder hat gesagt, die Operation ist gut verlaufen.«

      Sie blickt mich an, sagt aber nichts dazu.

      »Wie schaut es mit ihrem Schamgefühl aus?«

      »Ich schlafe zuhause nackt ohne Pyjama, warum fragen Sie?«

      »Na ja, wir hatten schon Patienten, die sich nicht von Frauen berühren oder reinigen lassen wollten.«

      Ich sage, dass das für mich kein Problem wäre. Sie antwortet, dass sie sich das eh gedacht hätte.

      »Ich gebe Ihnen eine Glocke, Sie können uns jederzeit holen.«

      Sie hält mir einen kleinen Taster an einem Kabel hin, ich versuche mit dem linken Daumen zu drücken, es geht nicht.

      »Versuchen Sie es mit der Handfläche«, sagt sie und legt den Taster neben meine linke Hand auf das Bett.

      Ich hebe die linke Hand, bewege sie etwas zur Seite und lasse sie auf den Knopf fallen. Der Taster kippt zur Seite, der Knopf steht noch immer nach außen.

      »Hmmm … So geht das nicht«, sagt Manuela nachdenklich.

      »Noch nicht. Lassen Sie mich noch einmal probieren, das gibt es doch nicht.«

      Ein zweiter Versuch, es geht wieder nicht, der Taster kippt wieder um, er ist zu klein und ich kann die Hand nicht gezielt senkrecht nach unten fallen zu lassen.

      »Ich glaube, ich habe eine Idee«, sagt Manuela, »ich bastle Ihnen eine Halterung, wir montieren den Taster an den Bettrand, dann können Sie mit dem Unterarm auf den Knopf drücken.«

      Gesagt, getan, zehn Minuten später klebt der Taster am Gitter des Bettes, ich kann ihn schließlich auch betätigen. Die Anstrengung ist so groß, dass ich sofort einschlafe.

      Ich weiß nicht, wie lange ich geschlafen habe, ich weiß nur, dass ich vor Schmerzen stöhnend aufgewacht bin. Ich stöhne so laut, dass ich den Schalter gar nicht drücken muss, eine neue Schwester, sie stellt sich später als Maria vor, stürzt ins Zimmer.

      »Es tut so weh», sage, nein, schreie ich.