„Er tut gut daran.“ Llaranyas Hand legte sich unbewusst um den Griff ihres elfischen Schwertes. „Sein Mordversuch und sein heimtückisches Spiel sind nun wohlbekannt und haben den Zorn des Volkes entfacht. Viele gute Männer starben durch Garwins Schuld. Er weiß, was ihm bevorsteht, wenn man ihn stellt, und er findet keinen Zuspruch mehr in den Marken.“
„Es gibt Menschen, die vergessen ihr Gewissen, wenn sie dadurch ihre goldenen Schüsselchen mehren können“, wandte Nedeam ein. „Daher müssen wir wachsam sein. Irgendwann wird sich der Verräter erneut bemerkbar machen.“
„Ja, der Kampf gegen den Schwarzen Lord der Finsternis tritt hinter den Kampf um die goldenen Schüsselchen zurück“, stimmte sie bedauernd zu. „Das Pferdevolk folgt dem Beispiel der Menschen des Reiches Alnoa. Dort ist man satt und träge geworden, und König und Garde erhalten kaum Unterstützung im Kampf gegen den Feind.“
„Die Pferdelords stehen fest an ihrer Seite.“ Nedeam bemerkte eine huschende Bewegung aus den Augenwinkeln, und sah ein kleines Tier, das, vom Hufschlag der Pferde aufgeschreckt, hastig von einer Seite der Schlucht zur anderen hoppelte und in der Deckung einiger Felsen verschwand.
„Solche Wildläufer werden wir wohl für eine Weile nicht mehr zu Gesicht bekommen“, rief einer der Männer ihm zu. „Eine Jahreswende ist eine lange Zeit.“
„Vor allem für Scharführer Arkarim“, raunte Llaranya. „Er wird seine Geliebte Etana lange nicht in die Arme schließen können.“
Der Erste Schwertmann trieb sein Pferd zu dem Reiter hinüber. „Ja, eine lange Zeit, guter Herr, doch es geht nicht anders. Alle Beritte, die zum ersten Mal zur Nordfeste reiten, müssen dort eine Jahreswende dienen, damit sie den Süden Rushaans und die Feste kennenlernen. Später, wenn alles vertraut ist, werden die Ablösungen rascher erfolgen.“
„Das höre ich gern“, meinte der Schwertmann. „Ich scheue nicht den Dienst, Hoher Herr, das wisst Ihr, aber unsere Hochmark wird mir fehlen. Sagt, warum müssen wir den Süden Rushaans bestreifen? Man sagte, die nördliche Öde sei zu meiden.“
„Kennt Ihr die Geschichte der Schlacht, in der wir Pferdelords gemeinsam mit den Paladinen an der alten Wache kämpften?“
„Ah, wer kennt die nicht. Jene Schlacht, in der die Legionen der Orks über den Pass von Rushaan vordrangen und in welcher der unvergessene Dorkemunt gegen Fangschlag kämpfte. Glaubt mir, Hoher Herr, solches wird in den Schenken besungen.“
Die Erwähnung Dorkemunts rief ein schmerzliches Gefühl in Nedeam hervor. Der alte Pferdelord war sein Ziehvater und Mentor gewesen und hatte im Kampf gegen die grausamen Magier Jalannes den Tod gefunden. Es war ein ehrenvoller Tod gewesen, wie ihn sich ein Pferdelord nur wünschen konnte, dennoch vermisste Nedeam den kleinen Dorkemunt.
„Damals brachten die Orks ihre Ferntöter in die Öde. Sie schleuderten mit der Kraft des Berstpulvers mächtige Kugeln auf uns. Aus der Ferne eine furchtbare Waffe.“ Nedeam grinste. „Dennoch haben unsere Beritte sie in den Boden gestampft.“
„Ein ruhmreicher Ritt“, bestätigte ein anderer Mann. „Doch was hast das mit dem Süden Rushaans zu tun?“
„Unsere Freunde, die Zwerge, nutzten das erbeutete Berstpulver, um den Pass von Rushaan zu sprengen und ihn so mit Fels zu füllen.“
„Ja, der Pass ist nun versperrt.“
Nedeam lächelte. „Die Legionen des Schwarzen Lords müssten eine Menge Steine schleppen oder den Fels mit anderem Berstpulver auseinandersprengen, um den Pass wieder nutzen zu können. Beides braucht Zeit und macht Lärm. Daher streifen unsere Scharen von der Nordfeste aus durch den Süden der Öde, bis hin zum ehemaligen Pass von Rushaan. Wir würden entdecken, wenn sich dort etwas verändert, und das gäbe uns die Zeit, uns darauf vorzubereiten und die Feste zu verstärken.“
„Hm.“ Einer der anderen Reiter räusperte sich. „Stehen deswegen zwei volle Beritte im Dienst der Nordfeste?“
Der Erste Schwertmann lachte auf und deutete dorthin, wo sich Allruk nur mühsam auf dem Pferd hielt. „Für die Zwerge wäre es ein weiter und langer Weg. Sie schätzen Pferde nicht besonders.“
Die Männer stimmten in sein Lachen ein.
Arkarim trabte heran. Er hatte die Lanze mit dem Wimpel seines Beritts in die Armbeuge gelegt und verschloss gerade seine Wasserflasche. „Wir sind gleich bei der Feste. Scharführer Pendrat und seine Männer werden sich freuen, uns zu sehen.“
Nedeam reckte sich leicht im Sattel. „Ihr habt es gehört, Männer der Hochmark. Wir werden die Nordfeste gleich erreichen. In dieser Jahreswende ist einer der Zwerge der Kommandant der Festung. Lasst es also nicht an Respekt fehlen.“
„Die Männer wissen Bescheid“, versicherte Arkarim. „Auch wenn es ein wenig seltsam ist, unter dem Befehl eines Zwerges zu stehen. Gute Kämpfer und gute Freunde, fraglos, aber eben doch Zwerge.“
Nedeam sah den Scharführer forschend an. „Glaubt mir, Arkarim, es sind gute Männer, und wir wechseln uns mit Bedacht im Kommando der Feste ab. Ursprünglich waren zwei Kommandeure geplant. Einer für die Axtschläger und einer für uns Pferdelords. Aber das wäre im Kampf nicht gut. Da braucht man bedingungslose Einigkeit. So hat Sandfallom, der Erste Axtschläger von Nal´t´hanas, damals den Vorschlag gemacht, dass wir und die Zwerge uns im Befehl abwechseln.“
„Nun, es fördert die Gemeinsamkeit“, meinte Arkarim. „Wisst Ihr, wer dort das Kommando hat?“
Nedeam lachte auf. „Eben dieser Erste Axtschläger. Glaubt mir, guter Arkarim, Sandfallom wird Euch gefallen. Ein kluger Mann und tapferer Krieger. Er war es, der einst den König der gelben Kristallstadt überzeugte, an unsere Seite zu treten.“
Der Scharführer lächelte nun ebenfalls. „Dann werden wir uns seinem Wort gerne fügen.“
Vor ihnen war der gedämpfte Klang eines Horns zu hören.
„Die Wachen der Nordfeste müssen uns bemerkt haben.“ Arkarim machte eine kurze Ehrenbezeugung vor Nedeam. „Ihr solltet zur Spitze reiten, Hoher Herr. Ich werde mich vergewissern, dass die Beritte einen tadellosen Eindruck machen.“
Auch Allruk hatte das Horn gehört, und es gelang ihm mit der Unterstützung seines Begleiters, sein Pferd zu Nedeam zu dirigieren. „Wir sind da“, sagte er überflüssigerweise. „Ihr werdet begeistert sein, Hoher Herr. Eine solche Feste habt Ihr nie zuvor zu Gesicht bekommen.“
„Einiges davon kenne ich schon“, sagte Nedeam, der ahnte, dass Allruk wieder die besondere Leistung des Zwergenvolkes hervorheben wollte.
„Es ist eine ganz besondere Festung“, begann der Erste Steinschläger auch schon. „Nicht wie eure Menschenfestungen in den Marken oder im Reich von Alnoa. Bei denen gibt es ja immer eine umfassende Mauer, die einen Kern von Gebäuden schützt. Die Nordfeste hat nur eine einzige Mauer, und sie ist ein Sperrwerk, keine der üblichen Burgen. Eine Mauer, die von einer Seite des Passes zur anderen reicht. Gebäude und Katapultstellungen liegen offen auf dieser Seite des Passes. Eine schlaue Planung, das kann ich Euch sagen, Hoher Herr.“ Allruk reckte sich, so gut es eben ging, im Sattel. „Von der Öde aus ist sie ein richtiges Bollwerk. Doch sollte der Feind, was sicherlich unmöglich ist, die Festung dennoch überrennen, so nutzt sie ihm wenig. Denn auch wenn sie von der Öde aus so wehrhaft ist, kann sie doch vom Pass aus leicht genommen werden.“
„Ja, fürwahr, ihr Zwerge habt sorgfältig geplant und hervorragend gebaut“, bestätigte Nedeam mit wachsendem Unmut.
Vor ihnen kamen nun die Anlagen der Nordfeste in Sicht. Die Haltung der Männer straffte sich, denn sie wollten einen guten Eindruck auf die dortige Garnison machen.
Es war, wie Allruk es beschrieben hatte.
Zunächst erkannte Nedeam die Gebäude der Anlage. Unterkünfte, Ställe und Vorratsbauten waren entlang der Seiten der Schlucht errichtet worden. Der freie